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Die Kannibalen kommen

24.11.2003  00:00 Uhr
Preiskampf

Die Kannibalen kommen

von Thomas Bellartz, Berlin

Die Kannibalen haben Witterung aufgenommen. Mit einer illegalen Preisaktion haben zwei Frankfurter Apotheken für Wirbel gesorgt. Und für einen Fingerzeig, was die Zeit nach dem 1. Januar 2004 bringen könnte.

Mit zwei Din-A4-formatigen Anzeigen warben die „Apotheke im Hessen-Center“ und die „Brocks’sche Apotheke“ am vergangenen Freitag unter der Überschrift „Preissturz bei Arzneimitteln“. Von den sieben abgebildeten Präparaten waren gleich mehrere Schmerzmittel und ein Abführmittel. Die Anzeigen in der Frankfurter Ausgabe der „Bild-Zeitung“ sowie in der „Frankfurter Rundschau„ sorgten für Wirbel. Kurz nach der Aktion beschwerten sich viele Kolleginnen und Kollegen über die noch bis einschließlich 31. Dezember 2003 ungesetzliche Aktion der anderen Marktteilnehmer.

Nach PZ-Informationen hatten sich alleine bei der Landesapothekerkammer Hessen innerhalb kürzester Zeit am vergangenen Freitag dutzende Apothekenleiter über die Anzeigenkampagne beschwert. Viele Anrufe gingen auch bei der Wettbewerbszentrale in Bad Homburg ein. Dort bereitete man noch am selben Tag eine Abmahnung gegen die beiden Apotheken vor. Diese wurde am Montag zugestellt. Mit einer Fristsetzung bis Dienstag, 9 Uhr, blieb beiden Apotheken die Möglichkeit, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Die sei dort auch eingegangen, erläuterte die Justiziarin der LAK Hessen, Kerstin Feuerstein-Dörnhöfer.

Dreist vorgeprescht

Sie bestätigte einen Eindruck, den auch Kammerpräsidentin Dr. Gabriele Bojunga hatte: „Die Kollegen sind mächtig sauer, dass jemand so dreist vorprescht.“ Es gehe nicht alleine um die Tatsache, dass es zu einem Preiswettbewerb komme. „Mir geht es darum, dass die Menschen von uns beraten werden sollen. Die Qualität eines Produktes und der Beratung alleine vom Preis abhängig zu machen ist grundsätzlich falsch.“ Man habe allerdings gespürt, dass die anderen Kolleginnen und Kollegen über die Aktion „sehr empört“ seien.

Keine Auskunft konnte die Kammer darüber geben, ob die Maßnahme der beiden Apotheken berufsrechtliche Konsequenzen haben werde. Da dieses Thema nicht öffentlich ist, wollte man sich hierzu nicht einlassen.

Mittlerweile ist allerdings klar, wer hinter der aggressiven Werbeaktion steckt. Denn hinter der Leitung der Apotheke im Hessencenter steht kein geringerer als Jürgen Ossenberg-Engels. Der frühere Vorstandschef der Gehe Deutschland GmbH setzt sich mit seiner geballten Fachkenntnis für die Apotheke seiner Frau ein. Gehe und Ossenberg-Engels hatten sich vor rund zwei Jahren getrennt – und zwar alles andere als einvernehmlich, wie seitdem immer wieder kolportiert wird. Ossenberg-Engels gilt als gewiefter Branchenkenner. Er verfügt über vielfältige Kontakte und hat ein eigenes, äußerst innovatives Verhältnis zum Marketing und zur Öffentlichkeit. Es macht den Eindruck, als habe er diese geschickt für sich nutzen wollen.

Nach dem Erscheinen der beiden Anzeigen am Freitag hielt sich hartnäckig das Gerücht, die Gehe beliefere Ossenberg-Engels und der starte nun eine Art Versuchsballon, um den Markt in Unruhe zu versetzen. Doch an diesem Gerücht ist nichts dran. Denn seit Jahresanfang bezieht die Apotheke im Hessencenter nach PZ-Informationen fast ihre komplette Ware beim Großhändler Phoenix und wird von dessen Hanauer Dependance beliefert. Bei Phoenix-Vorstand Henry Iberl stieß die Aktion der beiden Apotheken auf wenig Gegenliebe: „Phoenix unterstützt grundsätzlich keine unlauteren Werbemaßnahmen. So auch nicht in diesem Fall.“

In den Nesseln

In die Nesseln gesetzt hat sich Ossenberg-Engels jedenfalls bei einigen der Hersteller, deren Produkte auf der Anzeige abgebildet waren. So sollen auch die Firmen Bayer und Boehringer gegen die Apotheken juristisch vorgegangen sein. Die Hersteller hatten bereits seit Wochen angekündigt, dass ein Preiswettbewerb nicht in ihrem Sinn sei. Würden Hersteller Anzeigen wie die der beiden Apotheken nun einfach so hinnehmen, dann wäre dies ein Beleg dafür, was die Apotheken im kommenden Jahr zu erwarten hätten.

Juristisch ist der Fall klar: Beide Apotheken gaben vor Ablauf der Frist Unterlassungserklärungen ab. Darin erklärten sie, dass sie zukünftig nicht mehr für Arzneimittel, die der Arzneimittelpreisverordnung unterliegen, mit Preisen werben, die nicht den Vorgaben der Arzneimittelpreisverordnung entsprechen. Zudem erklärten sie, sie würden es unterlassen, Arzneimittel zu nicht der Preisverordnung entsprechenden Preisen abzugeben. Untersagt wurde den Apotheken nicht nur die Abgabe der Arzneimittel zu gesenkten Preisen, sondern auch die Werbung dafür.

So klar die Angelegenheit nun juristisch geregelt werden konnte, so unklar sind die Folgen. Zumindest für den Frankfurter Raum oder das Rhein-Main-Gebiet könnte die Aktion Beispielswirkung haben. Da nicht anzunehmen ist, dass die beiden Apotheken auf einen Preiswettbewerb nach dem 1. Januar 2004 verzichten werden, werden wohl einige andere Apotheken oder ganze Gruppen auf die Idee kommen, diesem Preiswettbewerb zuvor zu kommen. Und damit beginnt der Kannibalismus unter den Apotheken. Kommt das Preiskarussell erst einmal in Fahrt, ist dies nur äußerst schwer zu stoppen.

Diese Gefahr haben alle Marktbeteiligten bislang gesehen. Dass die beiden Apotheken den Preiswettbewerb ankurbelten, um die möglicherweise malade Apotheke aufzurichten, ist zu bezweifeln. Denn beiden Apotheken soll es nicht wirklich schlecht gehen.

Ossenberg-Engels dürfte in seinem strategischen Kalkül den werblichen Vorsprung und ein Höchstmaß an medialer Aufmerksamkeit gewittert haben – und damit Recht behalten. Denn die Medien nahmen in der Tat die Preisaktion zum Anlass, das Ganze als kundenfreundlich zu bewerten. Lediglich die Konkurrenz im Frankfurter Raum ärgere sich darüber. Von Beratung oder der Wirkung der abgebildeten Medikamente war nicht viel zu hören. Und so dürften auch die Statements von Bojunga und anderen verhallen.

Der Preiswettbewerb hat begonnen. Nun geht es nur noch darum, wie viele Apotheken wie stark an dem Karussell drehen werden. Top

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