Wirtschaft & Handel
GENTECHNIK
Der Hessische Ministerpräsident Hans Eichel und der
Vorstandsvorsitzende der Hoechst AG, Jürgen Dormann, haben am 12.
November 1998 eine Grundsatzvereinbarung unterzeichnet, mit der der
Gründung des größten deutschen Venture Kapitalfonds für Life Sciences
und Chemie der Weg geebnet wurde.
Diesem offiziellen Akt ging eine Pressekonferenz voraus, in der auch der Hessische
Wirtschaftsminister Lothar Klemm und der im Hoechst-Vorstand für
gruppenübergreifende Forschungsfragen zuständige Professor Ernst Schadow den
Journalisten Rede und Antwort standen.
Die als Aktiengesellschaft gegründete Future Capital AG wurde mit 125 Millionen
DM ausgestattet und soll die Entwicklung innovativer und technologieorientierter
Unternehmen beziehungsweise ihre Gründung mit dem Branchenschwerpunkt Life
Sciences und Chemie fördern. Gesellschafter sind zu gleichen Teilen das Land
Hessen und Hoechst. Willkommen sind allerdings weitere Gesellschafter, nicht nur
Unternehmen, sondern auch Städte und Gemeinden in Hessen, wie auf Rückfrage
betont wurde. Gefördert werden sollen "mutige Geschäftsideen und
Jungunternehmer, die sich in Hessen niederlassen wollen" und bereit sind, das
Unternehmerrisiko auf sich zu nehmen, qualifizierte Arbeitsplätze vor allem in der
Produktion und Forschung zu schaffen.
Erfolgreiche Bewerber können bis zu 3 Millionen DM Startkapital erhalten. Die neue
AG soll mit einem Vorstand und zwölf Mitarbeitern in Frankfurt am Main ihre Arbeit
aufnehmen.
Die beiden Gesellschafter haben bei der Konzeption des Fonds Wert darauf gelegt,
daß das Mangement völlig unabhängig von Landesregierung und Hoechst agieren
kann, wie Schadow betonte. Es sei ausschließlich auf die Optimierung der Rendite
des eingesetzten Kapitals verpflichtet. Auch dürften die Gesellschafter kein
Vorkaufsrecht und keinen Zugriff auf vertrauliche Daten der Portfoliogesellschaften
des Fonds haben. Im übrigen würden nicht nur Finanzbeteiligungen, sondern auch
der Zugang zu einem umfassenden Beratungs- und Dienstleistungsnetzwerks
angeboten, der auf die speziellen Bedürfnisse von Existenzgründern und wachsenden
Unternehmen zugeschnitten ist.
Ausbau des Forschungs- und Biotechnologiestandorts
Wie Eichel betonte, sind das Land Hessen und Hoechst die strategische
Partnerschaft eingegangen, um die Attraktivität des hessischen Forschungs- und
Biotechnologiestandorts zu stärken und weiter auszubauen. Gemeinsam wolle man
die Weiterentwicklung der Innovationskraft im Sinne von öffentlicher und privater
Partnerschaft fördern. Auf den Koalitionspartner in Hessen angesprochen, der der
Gentechnik skeptisch gegenübersteht, meinte Eichel, "mit der Genforschung müssen
wir hinaus in die Debatte gehen. Auch die Forscher sollten sich in die öffentliche
Diskussion einschalten."
Für den Life-Science-Konzern Hoechst ist die Stärkung seiner globalen
Wettbewerbsfähigkeit auf den Märkten oberstes Ziel für das neue Engagement, wie
Dormann erläuterte. Kontinuierliche Innovationen seien im Zeitalter der
Wissensgesellschaft eine wesentliche Voraussetzung für den Markterfolg. Es gäbe
eine Vielzahl von Frauen und Männern mit wegweisenden technologieorientierten
Geschäftsideen. Der Fonds solle sie hierbei unterstützen, "denn sie können unsere
Partner von morgen sein", so Dormann. Er begrüßt den gemeinsamen Auftritt von
Landesregierung und Hoechst, da über den Fonds Fragestellungen aufgegriffen
werden können, die der Gesundheit von Menschen, Pflanzen und Tieren dienen
könnten.
"Hessen liegt vorn" - belegt eine neue HTS-Studie
Als ein Signal für den Aufbruch in eine neue Gründerzeit und als einen großen Schritt
nach vorn wertete Klemm den Venture Kapitalfonds. Geld und Ideen fänden in
Deutschland nur schlecht zueinander, daher sei Hessen dabei, eine Allianz von
Wirtschaft, Finanzdienstleistern, Verbänden und Politik für Existenzgründungen und
eine Innovationsarchitektur zu schaffen.
Klemm nahm die Gelegenheit wahr, um Hessen als den führenden Bio- und
Gentechnikstandort in Deutschland herauszustellen. Eine vom Wirtschaftsministerium
in Auftrag gegebene neue Studie der Hessischen Technologiestiftung (HTS)
"Biotechnologiestandort Hessen" belege dies. Danach arbeiten hier bereits 15.000
Menschen in dieser Zukunftstechnologie in 300 Firmen inklusive Dienstleistungs-,
Vertriebs- und Wissenschaftsunternehmen. Bezogen auf die Einwohnerzahl lasse
Hessen alle Flächenstaaten - auch Baden-Württemberg und Bayern - weit hinter
sich und belege nach Berlin und vor Hamburg den zweiten Platz.
Gründerwettbewerb gemeinsam mit VCI und Dechema
Auf Initiative der hessischen Landesregierung und von Hoechst veranstaltet die HTS
(Abraham-Lincoln-Straße 38 bis 42, 65189 Wiesbaden) in Zusammenarbeit mit
dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) und Dechema einen
Gründerwettbewerb unter dem Motto "Grow up Science 4 Life, Hessen Venture
Cup 99". Zielgruppen sind Studenten, wissenschaftliche Mitarbeiter, Doktoranden,
Dozenten und Hochschullehrer. Unterstützt wird der Wettbewerb von einer Vielzahl
von Unternehmen, Verbänden, den Universitäten in Marburg und Gießen, der TU
Darmstadt und der Rektorenkonferenz Hesssischer Fachhochschulen.
Für die erfolgreichen Bewerber werden regelmäßig Gründerforen und Seminare
veranstaltet. Ein Teilnehmerhandbuch soll helfen, einen Geschäftsplan zu erstellen
und vermittelt das Grundwissen zur Vorbereitung einer Unternehmensgründung
speziell für den Bereich Life Sciences und Chemie. Der Sieger des Wettbewerbs
erhält 30.000 DM und einen Messeauftritt auf der Biotechnika oder der Achema,
der zweite erhält 20.000 DM, der dritte 10.000 DM. Für den vierten und fünften
Sieger gibt es je 5000 DM.
PZ-Artikel von Erdmuthe Arnold, Frankfurt am Main
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