Wirtschaft & Handel
Vom Zufallsprinzip zum Molecular
Modelling
Mit rund 200 Gästen aus Politik,
Wissenschaft und Wirtschaft feierte Bayer das 100jährige
Bestehen des Chemisch-Wissenschaftlichen Laboratoriums
(CWL) in Wuppertal-Elberfeld. Dem Initiator einer
systematischen chemisch-pharmazeutischen Forschung bei
den "Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer &
Co" war Carl Duisberg.
In seiner Begrüßungsrede verwies der
Vorstandsvorsitzende Dr. Manfred Schneider nicht nur auf
die großen wirtschaftlichen Erfolge durch die Produkte
der Pharmaforschung, sondern vor allem auf die
grundlegenden Fortschritte bei der Bekämpfung
lebensbedrohender Krankheiten. Als ersten Leiter des
Laboratoriums stellte Duisberg am 1. Oktober 1896 Arthur
Eichengrün ein. Gemeinsam mit Biologen und Medizinern
haben die Chemiker des CWL seither zahlreiche Wirkstoffe
entdeckt, die in der Arzneimitteltherapie zum Standard
wurden.
Zunächst galt das Zufallsprinzip
Die industrielle Arzneimittelforschung war zu
ihrem Beginn auf die zufällige Entdeckung der
Wirksamkeit bestimmter Strukturklassen angewiesen. Dies
führte dann - sozusagen als Abfallprodukt der
Farbenherstellung - zur Entdeckung der fiebersenkenden
Wirkung des Acetanilids (Phenacetin), dessen Produktion
1888 begann. In der Aufbauphase des CWL wurde 1897
Acetylsalicylsäure synthetisiert, die heute als
"Jahrhundertpharmakon" bezeichnet wird und 1899
bei Bayer als Aspirin auf den Markt kam.
Forschungsgebiete des CWL waren zunächst Analgetika,
Narkotika, Anästhetika und Schlafmittel. Seinen Ruf als
innovative Forschungsstätte begründete das Laboratorium
ab 1935 mit der Einführung der Sulfonamide, mit dem
bakterielle Infektionen erstmals erfolgreich behandelt
werden konnten. Für diese Entdeckung, die erst in enger
Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Chemikern möglich
war, wurde Gerhard Domagk 1939 mit dem Medizin-Nobelpreis
ausgezeichnet. Das Forschungsgebiet Tropenmedizin war
fortan ein wichtiger Bestandteil der Arbeiten, auch mit
dem Ziel, ein Mittel gegen Tuberkulose zu finden.
Durch die Zunahme chronischer Erkrankungen, vor allem
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselstörungen,
baute Bayer sein Arzneimittelsortiment weiter aus. Hier
erinnert das Unternehmen an die Substanz Nifedipin, das
1975 als Adalat auf den Markt kam, oder an die
Einführung des Diabetikums Glucobay.
Heute beschäftigt das Chemisch-Wissenschaftliche
Laboratorium in Wuppertal 150 Mitarbeiter in fünf
Abteilungen. Geforscht wird in den Therapiefeldern
kardiovaskuläre Krankheiten, Antiinfektiva, Erkrankungen
des Zentralen Nervensystems und Atemwegserkrankungen.
Eine Abteilung beschäftigt sich mit Naturstoffen und
kombinatorischer Synthese. 1992 wurde in Westhaven,
Connecticut/USA ein chemisches Institut gegründet, das
inzwischen 80 Mitarbeiter beschäftigt. Dort arbeiten die
Wissenschaftler in der Rheuma-, Osteoporose-, Krebs-,
Stoffwechsel- und Demenzforschung. Allergische
Krankheiten und deren immunologische Grundlagen
bearbeiten weitere 20 Mitarbeiter in Kansai Science City,
Kyoto/Japan.
In diesem Jahr hat der Bayer-Vorstand grünes Licht für
den Bau eines neues Chemiegebäudes gegeben. Mit der
Investition von rund 43 Millionen DM legt das
Unternehmen, wie der Vorstandsvorsitzende Schneider im
Festakt hervorhob, ein Bekenntnis zum Forschungsstandort
Wuppertal ab. Im Oktober 1997 soll das neue
Forschungsinstitut eröffnet werden, ausgestattet mit
modernen Synthesetechniken, kombinatorischer Chemie,
Chromatographie, Informatik und Molecular Modelling.
Artikel von PZ-Redaktion
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