Wirtschaft & Handel
Der britische Arzneimittelhersteller Zeneca ist mit Jahresumsätzen von
zuletzt rund 2,4 Milliarden Pfund (6,84 Milliarden DM) eines der 20 weltweit
größten Pharmaunternehmen. 94 Prozent der Umsätze werden außerhalb
des Mutterlandes Großbritannien erzielt. Um weiterhin weltweit mithalten zu
können im härter werdenden Geschäft mit verschreibungspflichtigen
Medikamenten, ging Zeneca in den vergangenen vier Jahren insgesamt 14
Forschungskooperationen ein. Deutsche Journalisten hatten kürzlich
Gelegenheit, aus erster Hand zu erfahren, wie sich Zeneca die Zukunft
vorstellt und welche Rolle dabei die Forschungskooperationen spielen
sollen.
"Die Zusammenarbeit in der Forschung und Entwicklung mit Universitäten, Instituten
und anderen kommerziell orientierten Unternehmen ist extrem wichtig", so Dr.
Norrie Russell (Research Section Manager). "Die Kooperationen ermöglicht es,
schneller zum Forschungsziel zu kommen."
Seit Teilung des Mutterkonzerns ICI vor rund fünf Jahren (die Pharmasparte wurde
damals unter dem neuen Namen "Zeneca" vom Rumpf des Unternehmens
abgespaltet) ging das britische Unternehmen insgesamt 14 große
Forschungskooperationen ein. Die Mehrzahl der Forschungspartner sind außerhalb
Großbritanniens ansässig.
Besonders wichtig sind die Forschungskooperationen laut Forschungschef Russell
auf gentechnologischem Gebiet. "Kooperationen bei der Forschung und Entwicklung
von neuen Arzneimitteln gehören die Zukunft", so Russell. Der Druck auf
Unternehmen wie Zeneca, in immer kürzerer Zeit immer teurere und bessere
Produkte hervorzubringen, sei heute so groß, daß keiner mehr allein die Risiken und
Kosten tragen wolle. Pro Monat prüft Zeneca zwischen 40 und 50 neue
Kooperationsmöglichkeiten. Die wenigsten führen zum Abschluß konkreter
Verträge.
Eine der besonders erfolgreich laufenden Kooperationen besteht nach Angaben
Russels seit rund eineinhalb Jahren mit dem amerikanischen Unternehmen Incyte.
Zeneca hat Zugriff auf verschiedene Datenbanken der Amerikaner. Im Gegenzug
bezahlen die Briten Grundgebühren sowie nutzungsabhängige Zugangsbeiträge.
Außerdem verpflichtete sich Zeneca laut Russell, auf Präparate, die mit Hilfe von
Incyte-Technologien oder -daten entstanden sind, Tantiemen zu bezahlen. Ein
anderer Kooperationspartner, Silicon Graphics, setzt die Datenmassen, die auf
gentechnischem Gebiet gewonnen werden, in dreidimensionale Bilder so um, daß die
Zeneca-Forscher damit arbeiten können. Auch dafür bezahlen die Briten Gebühren.
Im internationalen Vergleich ist das britische Unternehmen aber keinesfalls das
aktivste auf dem Gebiet der Forschungskooperationen. Andere Hersteller wie
Bristol-Myers Squibb, Glaxo Wellcome und SmithKline Beecham sind in den
vergangenen Jahren noch häufiger Kooperationen eingegangen. Ebenso wie Zeneca
bevorzugen auch die anderen Pharmagiganten die Zusammenarbeit mit kleinen oder
mittelgroßen Unternehmen, vorwiegend auf den Gebieten der Biotechnologie und
der Genforschung. Roger Lloyd, bei Zeneca zuständig für die Erschließung neuer
Geschäfte, sagt: "Anderer Leute Erfindungsreichtum zu nutzen, ist ein
Schlüsselelement unseres Risikomanagements."
Die Mehrzahl der Forschungskooperationen zwischen Zeneca und seinen Partnern
ist erfolgsabhängig. Das heißt, je erfolgreicher ein aus der Kooperation
hervorgehendes Medikament auf dem Markt ist, desto mehr muß Zeneca an den
kleineren Partner bezahlen. Das verkleinert das Risiko. Früher war es laut Lloyd oft
so, daß Zeneca bereits zu einem frühen Stadium der Zusammenarbeit mit hohem
Kapitaleinsatz spielte. Sollten dann freilich die später folgenden Medikamente nicht
die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen, so verloren die Briten viel Geld.
Die Forschungsallianzen sollen Zeneca nach Meinung Londoner City-Experten
helfen, die sogenannte "Pipeline-Lücke" zu schließen. Zeneca steht - wie andere
große internationale Arzneimittelhersteller auch - heute vor dem Problem, daß einige
altbewährte Umsatzträger ihren Patentschutz verloren haben oder diesen demnächst
einbüßen werden.
Die Patentlaufzeit für das Präparat Zestril (Acerbon), das in der Therapie von
Herzgefäßerkrankungen verordnet wird, läuft in Deutschland 1999 und in den USA
im Jahre 2001 aus. Kürzlich mußten die Forschungsarbeiten für das Antimykotikum
ZD0870 eingestellt werden. Das hat die Briten in die unerfreuliche Lage gebracht,
daß im Jahre 2000 vermutlich nur ein einziges neues Medikament in der letzten
Phase der klinischen Erprobung stehen wird (Faslodex zur Behandlung von
Brustkrebs).
"Derartige Schwankungen im Forschungsbetrieb sind branchenüblich", versichert
Russell. Marktkenner verweisen außerdem darauf, daß es Zeneca in der
Vergangenheit immer wieder verstanden habe, Produkte hinzuzukaufen. So sei
Zestril zum Beispiel von Merck erworben worden. Das in Deutschland unter dem
Markennamen Ascotop (Zomig) verkaufte Migränemittel kam aus dem Hause Glaxo
Wellcome.
Trotz jüngster Schwankungen des Londoner Aktienkurses blickt Zeneca
optimistisch in die Zukunft. Onkologische Medikamente sollen eine prominentere
Rolle im Portfolio erhalten; Präparate zur Behandlung von Herzgefäßerkrankungen
dürften in den kommenden Jahren an Bedeutung verlieren. "Da sehen wir kaum noch
Entwicklungsmöglichkeiten", so Mike Asbury, zuständig für internationales
Marketing. Zu den neuen und erfolgreichen Produkten aus dem Hause Zeneca
zählen unter anderem das Prostatakrebs-Therapeutikum Casodex, das in der
Behandlung von Brustkrebs eingesetzte Arimidex sowie Seroquel, das kürzlich in
Großbritannien eingeführt wurde. Indikationsbereich ist unter anderem die
Schizophrenie.
PZ-Artikel von Arndt Striegler, Macclesfield

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