Wirtschaft & Handel
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Sollte man meinen. Doch
leider bleibt der Dritte bei einer recht unangenehmen Streiterei zwischen
zwei Unternehmen, beide Aussteller auf der Expopharm in München, auf der
Strecke. Der Dritte ist - wie zu erwarten war - der Kunde, zugleich in vielen
Fällen Apotheker.
Zum Hintergrund: Es geht um den Marktführer bei Elektrofahrzeugen, den
sogenannten City-el. Die Produktion des putzigen Fahrzeugs wurde nach dem
Konkurs des dänischen Unternehmens City Com nach Deutschland verlegt.
Aufgekauft wurden die Rechte vom Unternehmer Karl Nestmeier aus Aub bei
Würzburg. Der führte den Unternehmensnamen fort und verkaufte - nach eigenen
Angaben - seit 1996 rund 500 Fahrzeuge. Insgesamt wurden seit Produktionstart in
Dänemark rund 5.000 Elektrofahrzeuge vom Typ City-el ausgeliefert. Abnehmer
sind neben öffentlichen Institutionen und Verbänden auch Apotheken. Nicht zuletzt
aus diesem Grund präsentierte die City Com Elektromobile GmbH ihre Fahrzeuge
auch auf der Expopharm in München.
Den Vertrieb der Fahrzeuge übernahm vor knapp zwei Jahren das Freiburger
Unternehmen Figura. Doch zuletzt kam es zwischen den beiden Firmen zu
anscheinend erheblichen Differenzen. In einem Schreiben vom 30. September 1998
kündigt City Com die Zusammenarbeit mit der Figura Handels GmbH fristlos auf. In
dem Brief ist auch von einem desolaten "Bild Ihrer Vermögenssituation" die Rede:
"Wir müssen befürchten, daß ausgelieferte Fahrzeuge nicht mehr bezahlt und
sämtliche laufenden Bestellungen notleidend werden." Besonders schwerwiegend sei
die Tatsache, "daß Figura nachweislich stetig Kundenanzahlungen von Apothekern
bei Vertragsabschluß vereinnahmt, verbunden mit der Begründung, es müsse zur
Auslösung der Bestellung beim Lieferanten sofort eine Anzahlung an diesen
weitergereicht werden, tatsächlich jedoch die empfangenen Anzahlungen nicht an
City Com weiterleitet, geschweige denn dort unverzüglich eine entsprechende
Bestellung auslöst".
Beide Unternehmen haben mittlerweile Anwälte eingeschaltet. Diese haben ihre
Arbeit bereits aufgenommen. Auf eine Anfrage der PZ bei der Figura Handels
GmbH erreichte die Redaktion am 6. Oktober 1998 ein Schreiben einer Freiburger
Anwaltskanzlei. Demnach sei es "unrichtig, daß die Firma Figura Handels GmbH
geschuldete Anzahlungen bei Bestellung nicht geleistet hat, und daher die Lieferung
von Fahrzeugen unterblieben ist". Es sei unzutreffend, daß die Figura Handels GmbH
Anzahlungen von Apothekern entgegennehme, welche zweckwidrig verwendet
würden.
In einem Telefonat mit der PZ hatte Figura-Vertriebsleiter Joachim Busch am 5.
Oktober 1998 betont, daß die Anzahlungen der Apotheken "verwaltet" würden.
Zudem habe man bereits einigen Apothekern angeboten, "die Anzahlung mit zehn
Prozent zu verzinsen". Laut Busch sei das Angebot von den Apothekern positiv
aufgenommen worden.
Figura wirft im Gegenzug City Com vor, die ausgelieferten Fahrzeuge wiesen
zahlreiche Mängel auf, zudem gebe es keinen Service. Wasser auf die Mühlen der
auf Elektrofahrzeuge spezialisierten elektro-auto-service Berlin (eas). In einer
großformatigen Anzeige in der Fachzeitschrift MobilE wirbt das Unternehmen für
"Die Rettungsaktion für Ihre City-Els". Klaus Ebert und seine Kollegen aus der
Hauptstadt kennen die Mängel und Tücken von Elektrofahrzeugen. Ebert: "Wir
haben wegen der unglaublich vielen Anfragen bereits einen eigenen bundesweiten
Hol- und Bringdienst eingerichtet."
Nach Meinung des Fachmannes, der selber in Dänemark an der Entwicklung des
Fahrzeuges beteiligt war, könnten die Probleme vielleicht schon bei der Fertigung
entstehen. "Aber manchmal müssen die neuen Besitzer einfach nur besser über ihr
Fahrzeug aufgeklärt werden."
Fakt ist: Mindestens 30, aber wahrscheinlich noch sehr viel mehr Apotheken warten
zum Teil seit Monaten auf ihre Fahrzeuge. Die meisten haben Anzahlungen geleistet,
teilweise bis zu 5.800 DM. Ob die bestellten Fahrzeuge überhaupt ausgeliefert
werden, steht in den Sternen.
Nestmeier sprach auf der Expopharm gegenüber der PZ von geleisteten
beziehungsweise ausstehenden Zahlungen von über 300.000 Mark. Eine Summe,
die Figura-Geschäftsführerin Ingeborg Enders telefonisch bestritt.
Grundsatzproblem ist, daß Figura Vertragspartnerin der Apotheker und Figura
wiederum Vertragspartner bei City Com ist - eine klassische Zwickmühle für den
Kunden. Einigen sich die Unternehmen also nicht auf eine weitere Zusammenarbeit
und/oder auf eine Auslieferung zumindestens der vorliegenden Bestellungen sowie
eine ordnungsgemäße Reparatur der bereits ausgelieferten Fahrzeuge, bleiben die
Apotheker auf der Strecke.
PZ-Glosse
Elektroschock
Wiederbelebung auf Raten? Elektroschock gefällig? Bei manchen Verträgen steht
der Kunde leider am Ende der Nahrungskette. Oder am Anfang? Fressen und
gefressen werden - in Zeiten des wohldosierten Neoliberalismus ein normaler
Vorgang. Umweltschutz hin oder her: Batterie Feuer! Auch wenn der lustige, bunte
Wagen liegen-, der Strom weg- und der Apotheker auf der Strecke bleibt.
Diagnose: Elektroschock auf Raten. Operation gelungen, Patient tot.
PZ-Artikel von Thomas Bellartz, München
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