Wirtschaft & Handel
Der Ordinarius für Volkswirtschaftslehre der Universität Bayreuth,
Professor Dr. Peter Oberender, zugleich Leiter der WDA -
Wirtschaftsakademie Deutscher Apotheker GmbH des Hessischen
Apothekerverbandes, profilierte sich in der HAV-Jahresversammlung am
17. September 1997 als ein Befürworter der Institution Apotheke in seinem
Vortrag "Gesundheitswesen im Umbruch - Entwicklung und Perspektiven
für die Arzneimittelversorgung und die Apotheken". Wie er freimütig zugibt,
hat er als liberaler Ökonom jedoch Probleme mit dem Standesrecht, das
seines Erachtens teilweise nicht zeitgemäß sei.
Oberender hat die Erfahrung gemacht, keine Entscheidung gegen den Markt treffen
zu können. Als wichtiges Glied in der Gesellschaft müsse die Apotheke in diesem
Umfeld künftig ihre Leistungen erbringen. Und diese sollten zu einer Kundenbindung
führen. Ihm schwebt hier das Hausapothekenmodell (zum Beispiel in
Zusammenarbeit mit Krankenkassen) vor, zumal im bestimmt kommenden dualen
System - Verordnungs- und Selbstmedikationsbereich - dem Apotheker bei der
sukzessiven Ausgrenzung von Arzneimitteln aus der Verschreibungspflicht neue
Aufgaben in Konkurrenz zum Arzt zufallen.
Regel- und Wahlleistung kommen
Falsch ist für den Ökonom die Aussage einer Zweiklassenmedizin, da es zu zwei
Paradigmen kommt: zur Regelleistung und zum Solidarprinzip in der GKV, wo
zwangsläufig gespart werden muß, zur Wahlleistung und zum Individualprinzip mit
Eigenvorsorge. Dies geschieht in einem Umfeld der Kostendämpfung, Intensivierung
des Verdrängungswettbewerbs und einem Wettbewerb der GKV-Kassen um
Mitglieder. Selektiv muß zwischen den Kassen und den Leistungserbringern
unterschieden und Konzepte entwickelt werden. Für Oberender vorstellbar ist hier
eine Apothekenbündelung in Managed-Care-Systemen - wie die
Hausmodellapotheke - in Zusammenarbeit mit Krankenkassen.
Kundenbindung ist wichtig
In Erprobungsmodellen wird gleichfalls die Kundenbindung wichtig. Der Kunde muß
wissen "in dieser Apotheke muß ich nicht warten". Denn Zeit und der relevante
Nutzen spielen eine immer stärkere Rolle. Schließlich heißt es ja auch: "...fragen Sie
Ihren Arzt und Apotheker!" - erinnert Oberender. Dies richtig positioniert, lassen
Versandhandel oder Angebote über Internet unwichtig werden. Denn dort findet
kein Kontakt mit den Menschen statt - ein Trumpf der Apotheken. Überhaupt
kommt es letztendlich darauf an, ob die Patienten solche von den Krankenkassen ins
Spiel gebrachten Angebote mitmachen. Schafft es der Apotheker, seine Kunden zu
überzeugen, kann nichts anbrennen, ist sich der Professor sicher.
Gute Chancen haben die Apotheken laut Oberender, weil Arzneimittel als
Regelleistung der GKV künftig immer schwieriger zu haben sind und die
Wahlleistung für apothekenpflichtige aber beratungsbedürftige Präparate interessant
wird. Allerdings erfolgt die Zunahme der Selbstmedikation bei sinkenden Preisen
und mehr Wettbewerb. Viel können die Apotheken hier vom Konsumgütermarkt
übernehmen, wo nach wie vor Marken eine wichtige Rolle spielen. Der Umbruch im
Gesundheitswesen wird nach Oberenders Dafürhalten auch zu einem
Verdrängungswettbewerb im Verordnungsmarkt auf Herstellerebene führen.
Innovative, patentgeschützte Arzneimittel werden Patienten künftig ohne
Zuzahlungsmodelle nicht mehr bekommen. Besondere Therapieformen bedingen
dann eben eine höhere Selbstbeteiligung.
Angesagt sind Kostenmanagement, Beratung und Außenaktivitäten
Der wachsende Druck auf die Apotheken in Zeiten des stärkeren Wettbewerbs
führt bereits heute zu Unzufriedenheit. Des Professors dringender Rat: es dabei nicht
zu belassen, sondern dem Druck Kostenmanagement, zeitgemäßen Wareneinsatz,
betriebswirtschaftliches Handeln, Beratung, Außenaktivitäten - mit mobiler
Apotheke - entgegenzusetzen. Es gilt, immer darauf zu achten, was die anderen
machen - um konsequent einen anderen Weg im Persönlichkeits-, Apotheken- und
Teammangement einzuschlagen. Der Apothekenleiter muß dabei die Interdependenz
der Aktionsparameter beachten: Weg vom Preis zur Qualität, zu Service, Werbung
(= Profilierung) und Information. Er sollte sich fragen, ob er lieber mehr
Besuchsapotheke oder Mobilapotheke ist, ob er seinen Kunden lieber
Systemangebote im Bereich Pharmaceutical Care, für chronisch Kranke oder
Pflegefälle anbietet und hierzu medizinische Versorgungskonzepte entwickelt. Auf
keinen Fall sollte er etwas machen, wozu er nicht begabt ist. Es kommt auf die
eigenen Fähigkeiten und den Bedarf an. Unterscheiden können sich Apotheken auch
durch Spezialisierung auf bestimmte Indikationen - Riesenpotentiale haben sie bei
Rheumapatienten, Diabetikern, Schmerzpatienten, Inkontinenz-Zielgruppen et
cetera.
Aber auch mit der Familienapotheke oder der Arbeit mit Selbsthilfegruppen "hat die
Apotheke sehr wohl eine Zukunft", wie Oberender darlegte. Es gilt, sich an die Zeit
anzupassen, Umbrüche im Gesundheitswesen als neue Herausforderungen mit neuen
Konzepten anzunehmen und sich nicht auf "Bestandsschutz" zu verlassen. Die Devise
muß sein: "Der Apotheker ist Ökonom und Heiler". Seine Stärken sind die Qualität,
Beratung und kein Preiswettbewerb. Es gilt, mit Marketingmaßnahmen das Feld zu
bestellen, das man nutzen kann.
PZ-Artikel von Erdmuthe Arnold, Frankfurt am Main
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