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Celesio und Phoenix kaufen Anteile an Anzag

Datum 22.09.2003  00:00 Uhr

Großhandel

Celesio und Phoenix kaufen Anteile an Anzag

von Thomas Bellartz, Berlin

Die Gerüchte auf der Expopharm und am Rande des Apothekertages waren am Wochenende kaum mehr zu überhören. Seit Dienstag steht fest: Nun sind auch die beiden international agierenden Großhändler Celesio AG und Phoenix AG an der Frankfurter Anzag beteiligt. Wenn auch unter Vorbehalt.

Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Seit Tagen hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass sich die beiden Anzag-Konkurrenten an der Nummer drei im deutschen Großhandelsmarkt beteiligen wollen. Knapp teilte die DZ Bank, Frankfurt, am Dienstagnachmittag mit, dass das Finanzunternehmen mit Wirkung vom 23. September 2003 seinen knapp 25-prozentigen Anteil an der Anzag veräußert habe. Über den Kaufpreis und die Vertragsparteien sei mit den Käufern Stillschweigen vereinbart worden.

Die DZ Bank begründete den Verkauf des Pakets damit, dass man sich im Zuge einer Portfoliobereinigung von nicht-strategischen Beteiligungen trenne. Die Aktien habe man seit Beginn der 90er-Jahre geführt. Und: „Die Veräußerung findet unter Wahrung der Interessen der Sanacorp statt, die eine Kaufoption auf das Paket hat.“ Die Anteile der Bank betrugen 24,99 Prozent, ebenso wie die Anteile der Sanacorp und der Noweda.

Erst im letzten Satz der Mitteilung deutet sich das wahre Problem der Angelegenheit an. Denn die Sanacorp hielt bislang eine so genannte Call-Option auf den Anteil der DZ Bank. Das führte unter anderem dazu, dass die Sanacorp den Aufsichtsrat der Anzag dominiert und auf der vergangenen Hauptversammlung im März die bisherigen beiden Aufsichtsratsmitglieder der Noweda „entsorgte“. Den Vorsitz im Aufsichtsrat der Anzag führt Sanacorp-Vorstandschef Manfred Renner. Der setzt weiterhin, und betont dies bei jeder Gelegenheit, auf das strategische Engagement, das mit der Anzag verbunden ist.

Wenige Alternativen

Am Dienstag machte Renner im Gespräch mit der PZ klar, dass es wenige andere Möglichkeiten gegeben habe, das Paket zu verwerten. Die DZ-Bank habe eine „kluge Entscheidung getroffen, das Paket derart zu splitten“. Die Call-Option der Sanacorp habe weiterhin Bestand. Renner wollte nicht spekulieren, warum die DZ Bank die Option nicht noch weiter verlängert habe. Die Gebühren, die mit dem Engagement verbunden sind, bleiben in einem Rahmen, der erträglich sei, sagte der Sanacorp-Chef.

Fraglich scheint die Zusammensetzung des Aufsichtsrates, in dem nicht unerhebliche Entscheidungen des Vorstandes zur Kenntnis genommen oder auch abgesegnet werden müssen. Renner ist allerdings der Ansicht, dass der Aufsichtsrat „gerade erst frisch gewählt sei“ und insoweit kein Bedarf für Neuwahlen bestehe. Das sehen nicht nur die neuen Anteilseigner und auch die Noweda möglicherweise anders.

In jedem Fall hat die Option mindestens so lange Bestand, bis das Verfahren um eine Mehrheitsbeteiligung der Sanacorp an der Anzag beendet ist. Es ist schwer abzuschätzen, wie lange das Verfahren, das nun vor dem Bundesgerichtshof (BGH) anhängig ist, noch dauern wird. Experten meinen, dass eine Entscheidung nicht vor dem Frühjahr 2004 getroffen wird. Und auch dann könnte der BGH das Verfahren noch einmal an das Oberlandesgericht Düsseldorf verweisen. Das Bundeskartellamt jedenfalls will eine Übernahme der Anzag durch die Sanacorp verhindern. Und das Sanacorp-Management seinerseits setzt alles daran, dieses Verfahren zu gewinnen.

Sollte die Sanacorp vor dem BGH gewinnen, dann könnte man die Call-Option ziehen und die Mehrheit erwerben. Allerdings benötigt auch der Renner-Konzern dafür einiges an Kapital. Man darf gespannt sein, wie sich die Dinge dann finanziell weiter entwickeln. Juristisch jedenfalls ist das Verfahren in Bewegung gekommen, denn die Schriftsätze der beiden Partien sind ausgetauscht und beim BGH eingereicht.

Positive Betrachtung

Bei der Frankfurter Anzag wird, auch wenn sich dies Vorstandschef Dr. Thomas Trümper wünscht, nicht so schnell Ruhe einkehren. Das ist nach der Nachricht vom Dienstag klarer denn je. Schließlich ist es mehr als bemerkenswert, dass mit der Phoenix und der Celesio gleich zwei Anzag-Konkurrenten einsteigen. Offiziell habe er am Dienstag vom Haniel-Konzern und der Phoenix erfahren, dass diese jeweils mehr als 10 Prozent der Anteile an der Anzag halten. „Wir sehen das positiv“, kommentierte Trümper unverdrossen. Die Diskussionen und Unsicherheiten, die es in den vergangenen Wochen und Monaten gegeben habe, seien damit vom Tisch, meint der Anzag-Chef. Schließlich werde die Sanacorp weiterhin ihr Optionsrecht behalten, und dies könne, wann immer es die Sanacorp wolle, ausgeübt werden. Wie sich „das alles“ zu einem späteren Zeitpunkt, also nach einer Entscheidung der Gerichte, entwickelt, stehe auf einem anderen Blatt. Das sieht auch Renner so. Er wolle zu Spekulationen jedenfalls keine Stellung nehmen, sagte er der PZ.

Das Problem sei, so Trümper, dass man sich in einem Markt befinde, in dem sich zurzeit sehr viel bewege. Die Anzag befinde sich in einer Lage, die dafür sorge, dass sich bei den Mitarbeitern des Unternehmens sehr viel Unsicherheit einstelle. Es sei aus seiner Sicht besser, Nägel mit Köpfen zu machen.

Und Trümper lässt keinen Zweifel: „Unsere Geschäftspolitik wird nicht vom Aufsichtsrat, sondern vom Vorstand betrieben.“ Der Aufsichtsrat habe darauf keinen Einfluss.

Es sei aber klar, dass man auch seitens der Anzag eine enge Zusammenarbeit mit der Sanacorp wolle. Das war vor dem Verkauf der Pakete am Dienstag so, und daran habe sich nichts geändert. Diese Zusammenarbeit sei „sachlich sinnvoll“. Bekanntlich ist die Sanacorp aber nicht die einzige Genossenschaft im Großhandelsmarkt. Die andere, die bei den Marktanteilen den fünften Platz einnimmt, ist die Noweda eG; sie wurde im März aus dem Aufsichtsrat katapultiert. Kaum zu glauben, dass es derzeit ernsthafte Kooperationsbemühungen zwischen allen Beteiligten gibt. Nach Informationen der PZ soll die Noweda offiziell von den Gesprächen zwischen den Beteiligten nichts gewusst haben.

Keine Berührungsängste

Allerdings stellt Trümper klar, dass es keine Berührungsängste zwischen Noweda und Anzag gebe. Wenn die Zusammenarbeit sachlich sinnvoll sei, dann stehe dieser nichts im Weg.

Bei der Mannheimer Phoenix wie bei der Celesio AG in Stuttgart hielt man sich am Dienstagabend bedeckt. Unmittelbare Reaktionen oder Mitteilungen auf die Meldung der DZ Bank gab es nicht.

Überraschend war die Mitteilung auch, weil es in den vergangenen Wochen zeitweise Spekulationen gab, die in einen vollkommen andere Richtung deuteten. So ergaben PZ-Nachfragen bei der britischen Alliance Unichem, dass man Gespräche über ein größeres Engagement bei der Anzag führe. Die Lösung dürfte ähnlich ausgesehen haben, wie jene, die nun zwischen DZ Bank, Phoenix, Celesio und Sanacorp gefunden wurde. Allerdings konnte man sich, trotz langer Verhandlungen, bei einem Treffen in Deutschland nicht auf die letzten Details verständigen.

Die Alliance Unichem hält bereits gut 10 Prozent an der Anzag, hätte möglicherweise über dieses Engagement einen Einstieg in den deutschen Markt schaffen können. Zur Unterschrift war es aus „verschiedenen Gründen“ nicht gekommen, hieß es. So könnte die nun gefundene Konstellation auch nichts anderes sein, als die Abwehr der Alliance Unichem. Schließlich haben die im Oligopol agierenden deutschen Großhandlungen, von denen lediglich zwei, nämlich Celesio AG und Phoenix, international positioniert sind, kein wirkliches Interesse daran, einen neuen „Großen“ in den mitunter harten Kampf um Marktanteile treten zu lassen. Ein Wettbewerb um Preise und Rabatte könnte einigen Großhändlern das Genick brechen.

Der Schulterschluss von genossenschaftlichen Großhandlungen und den multinational erfahrenen Konzernen unter dem Dach der Anzag könnte eine wegweisende Wirkung haben, die der Sanacorp nicht gefallen kann. Denn das Bild, das die Anteilseigner nun abgeben, zeugt von den Kräften, die – neben den „kleinen“ Privaten – auf dem deutschen Pharmagroßhandelsmarkt wirken. Und so ist die Einschätzung eines Juristen möglicherweise mehr als nur eine Variante. Er meint, dass nicht nur das Kartellamt, sondern auch der BGH mit dieser Aufteilung mehr als zufrieden sein könnten. Bleibt alles so, wie es jetzt ist, dann besteht jedenfalls nicht die bei der Behörde vermutete Gefahr einer marktbeherrschenden Stellung.

Mit Spannung dürfte der Sanacorp-Vorstand der nächsten Vertreterversammlung entgegensehen, bei der sicherlich das Engagement bei der Anzag und die jüngsten Entwicklungen zur Diskussion gestellt werden.

 

Kommentar: Goldenes Kalb Man wird den Eindruck nicht los, die Anzag sei das Goldene Kalb des Pharmagroßhandels. Die durchaus guten Zahlen des im Frühjahr geschassten Vorstandsvorsitzenden und die Restrukturierung und Wiederbelebung des Konzerns haben das Unternehmen attraktiver gemacht denn je.

Die gewünschte Schärfung des genossenschaftlichen Profils allerdings bleibt weiter aus. Da nützen auch Absichtsbekundungen zurzeit nichts. Die Sanacorp hat eine derbe Schlappe einstecken müssen. Man fühlt sich an Herba Chemosan erinnert, nun in Hand der Celesio.

Eine Niederlage für Sanacorp - das ist zunächst die erste Schlussfolgerung, die aus der Nachricht vom Dienstag gezogen werden muss. Fast mutet es an, dass Phoenix und Celesio, die oftmals gescholtenen Konkurrenten, dem genossenschaftlichen Großhändler aus der Patsche geholfen haben. Kaum vorstellbar, dass dies uneigennützig ist. Zumal längst nicht mehr hinter vorgehaltener Hand die Frage gestellt wird, wie denn nun im Falle eines positiven Urteils die Sanacorp überhaupt den Zukauf an Mehrheiten und die Angebote für die übrigen Anteile finanzieren will.

Mancher Genosse wird sich die Augen gerieben haben, dass nun ausgerechnet die beiden Erzfeinde aus Stuttgart und Mannheim das Paket der DZ Bank übernehmen. Dabei war der Öffentlichkeit bis zuletzt versichert worden, mit der DZ Bank sei alles im Reinen. Und die von manchen eingeforderte „deutsche Lösung“ ist dies auch. Aber ist es eine glückliche Lösung?

Mit einem weinenden genossenschaftlichen Auge, aber auch mit dem lachenden Auge des Konkurrenten wird man bei der Essener Noweda diesem Treiben zuschauen. Aus dem Aufsichtsrat war der Großhändler, der immerhin ebenso viele Anteile hält wie die Sanacorp, im März vertrieben worden. Den Essenern zu unterstellen, wie nun gerne kolportiert, es bestehe die Gefahr, dass sich die Noweda von ihren Anteilen irgendwann trenne, ist vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen ein schlechter Witz.

Wer den genossenschaftlichen Gedanken wirklich fördern und stärken will, der kann kaum eine Freude an dem haben, was sich in diesen Tagen im Großhandelsmarkt abspielt. Einen anderen großen Player vom Markt fern zu halten ist die eine Sache. Zu welchem Preis dies geschieht, die andere. Die Meinung, dass sich einfach nichts geändert habe im Markt und bei der Anzag, ist auch deshalb falsch.

Thomas Bellartz
Leiter der Hauptstadtredaktion

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