Wirtschaft & Handel
Die europäische Organisation der Anbauer von Arznei- und Heilpflanzen
EUROPAM hat kürzlich auf einem Londoner Seminar ihre Empfehlungen
zur guten Anbaupraktik von Arzneipflanzen vorgelegt. Nach Meinung
internationaler Experten sind die Richtlinien dringend nötig, da mehr als 150
europäische Heil- und Arzneipflanzen bedroht sind. Zeitgleich wurde von der
britischen Organisation Traffic die Studie "Europas Wirkstoffpflanzen -
Verwendung, Handel und Schutz" präsentiert.
Die Guidelines for Good Agricultural Practice of Medicinal and Aromatic Plants von
EUROPAM haben lediglich Empfehlungscharakter und wurden zwischenzeitlich der
Ad-hoc-Arbeitsgruppe Pflanzliche Arzneimittel der Europäischen
Arzneimittelagentur (EMEA) in London zugeleitet. Wie zu erfahren war, wird sie
sich im Herbst 1998 näher mit dem Thema beschäftigen.
Unkontrollierte Erntemethoden
Unterstützt wird die Traffic-Studie "Europas Wirkstoffpflanzen - Verwendung,
Handel und Schutz" vom Worldwide Fund for Nature (WWF) und von der
Weltnaturschutzorganisation World Conservation Union (IUCN). Traffic-Sprecherin
Bobbie Jo Kelso warnte bei Präsentation der Studie eindringlich vor weiteren
unkontrollierten Erntemethoden. Für viele Heilpflanzen sei es "fünf Minuten vor
zwölf". Der WWF habe 150 bereits als vom Aussterben bedroht eingestuft. Kelso
zur PZ in London: "Der Boom bei alternativen homöopatischen
Behandlungsmethoden hat dazu geführt, daß vielerorts Raubbau an der Natur
betrieben wird. Die Pflanzen werden von Geschäftemachern einfach aus der Erde
gerissen, ohne dafür zu sorgen, daß im nächsten Jahr neue Pflanzen nachwachsen."
Von den europäischen Wildpflanzen werden laut Studie insgesamt 1300 für
kommerzielle Zwecke in Medizin, Kosmetika und Haushalts- und Reinigungsmitteln
benutzt. 70 bis 90 Prozent dieser Produkte kommen, so die Autorin Dr. Dagmar
Lange von der IUCN, nicht ohne Wildpflanzen aus.
Arnica Montana ein Renner
Ganz oben auf der Liste der schutzbedürftigen Pflanzen stehen etwa der Gelbe
Enzian, die Paternostererbse, der Fieberklee, die Bärentraube und Arnika. Ein
Beispiel: Viele Sportler schwören auf Arnikasalbe zur Behandlung von Prellungen
und blauen Flecken. Der europäische Jahresbedarf an Arnica montana liegt laut
Traffic bei rund 50 Tonnen. Dafür müssen fünf- bis sechsmal mehr frische Blüten
geerntet werden als noch vor einigen Jahren. Sowohl in Deutschland, als auch in
Rumänien, Ungarn und der Ukraine sei diese Pflanze vom Aussterben bedroht.
Immer mehr Bergwiesen und Felder sähen wie gerodetes Brachland aus, meinte
Kelso.
Wie in London weiter zu erfahren war, gilt Deutschland als die europäische
Drehscheibe im Handel mit Arzneipflanzen, so auch von und nach Osteuropa. Mehr
als ein Drittel des europäischen Imports und rund ein Fünftel des Exports entfallen
auf Deutschland. Im Handel zwischen Ost und West würden jährlich mehrere
Millionen DM umgesetzt. Die Beliebtheit pflanzlicher Arzneimittel soll mittlerweile
auch in anderen europäischen Ländern zunehmen. Wie Kelso darlegte, verordnen
inzwischen rund 50 Prozent der britischen Primärärzte diese Arzneimittel und dies
mit steigender Tendenz.
Anbau der Pflanzen empfohlen
In Seminaren etwa im Londoner Botanischen Garten, der 500 zum Teil sehr seltene
Heilpflanzen beherbergt, setzt sich die Traffic-Organisation verstärkt für eine
rücksichtsvolle Ernte der Arzneipflanzen ein, um die Wildbestände zu erhalten und
durch Anbau von Pflanzenkulturen den Bedarf der Hersteller zu decken. Die
Autoren der Traffic-Studien räumen in diesem Zusammenhang ein, daß die große
Mehrheit der deutschen Hersteller pflanzlicher Arzneimittel ihre eigenen
Pflanzenkulturen ziehen und pflegen und keinen Raubbau an der Natur betreiben.
PZ-Artikel von Arndt Striegler, London
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