Wirtschaft & Handel
Schon 1996 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) es abgelehnt,
über eine Verfassungsbeschwerde zu entscheiden, die sich gegen die
Gewerbesteuerpflicht von Apotheken richtete. Dies hielt eine selbständige
Apothekerin nicht davon ab, erneut - allerdings erfolglos - die
Rechtmäßigkeit der Gewerbesteuererhebung überprüfen zu lassen mit der
Begründung, die Heranziehung der Gewerbesteuer stelle ein Sonderopfer
eines eng begrenzten Unternehmerkreis dar.
Andere Berufsgruppen blieben von der Gewerbesteuer verschont. Eine steuerliche
Gleichbehandlung sei somit nicht gegeben, so die Argumentation der Apothekerin.
Sie vertrat den Standpunkt, der Beruf des Apothekers sei den freien Berufen im
Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) zuzuordnen. So habe das BVerfG
bereits 1964 entschieden, das Berufsbild des Apothekers trage überwiegend die
Züge eines freien Berufes. In einem späteren Urteil habe das
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ähnlich entschieden. Es stellte fest, der
Apotheker stehe den freien Berufen zumindest nahe, er sei möglicherweise sogar als
freier Beruf zu bezeichnen.
Der Einspruch war erfolglos und führte zu einer Klage vor dem Finanzgericht.
Ergänzend verwies die Apothekerin vor dieser Instanz auf die Präambel der
Berufsordnung der für sie zuständigen Landesapotheker. Danach erfülle der
Apotheker eine öffentliche Aufgabe und übe seiner Natur nach einen freien Beruf
aus. Ebenso stelle der Gesetzgeber in § 203 Strafgesetzbuch (StGB) den Apotheker
ausdrücklich auf eine Stufe mit dem Arzt, Zahnarzt, Tierarzt und Angehörigen
anderer Heilberufe. Im Wege einer verfassungskonformen Auslegung müsse daher
der Apotheker dem freien Beruf steuerrechtlich zugeordnet werden.
Leistungsmerkmal ist entscheidend
Das Finanzgericht wies die Klage ebenso zurück wie danach der Bundesfinanzhof
(BFH). Er stufte den Betrieb einer Apotheke als Handelsgewerbe ein. In der
Urteilsbegründung bestätigten die BFH-Richter zwar die Aussagen des BVerfG,
wonach der Beruf des Apothekers zu den höheren freien Berufen des
Gesundheitswesen zähle. Doch habe das BVerfG zugleich stets den selbständigen
Apotheker als gewerbetreibenden Kaufmann angesehen.
Tatsächlich betreibe der Apotheker ein gewerbliches Unternehmen und nicht eine
selbständige Tätigkeit im Sinne des EStG. Dies sei für die Gewerbesteuerpflicht
entscheidend. Selbständig tätig und daher von der Gewerbesteuer befreit seien
grundsätzlich die Angehörigen der freien Berufe, die selbständig wissenschaftliche,
künstlerische, schriftstellerische, unterrichtetende, erzieherische oder ähnliche
Tätigkeiten ausübten.
Zu den im EStG näher aufgezählten Berufen zähle nicht der Beruf des Apothekers.
Er setze zwar eine wissenschaftliche Ausbildung voraus, auch sei der Apotheker wie
der Arzt auf dem Gebiet des Gesundheitswesens tätig. Dies begründe jedoch nicht
die gesetzlich erforderliche "Ähnlichkeit" zwischen dem Beruf des Apothekers und
dem des Arztes.
Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Berufen bestehe darin, daß der
Arzt die Gesundung und Heilung des Patienten durch eine Leistung herbeiführe,
während die Tätigkeit des Apothekers in der Lieferung von Heilmitteln bestehe.
Auch die Leistungsmerkmale der anderen im EStG als freie Berufe genannten
Tätigen im Gesundheitswesen - etwa Heilpraktiker, Zahnärzte und
Krankengymnasten - prägten nicht das Berufsbild des Apothekers.
Dies hat zu der ablehnenden Entscheidung des BFH geführt. Er verkennt in seiner
Urteilsbegründung nicht die freiberuflichen Elemente des Apothekerberufs bezüglich
der Ausbildung, Zulassung und Beachtung öffentlich-rechtlicher Standespflichten.
Für das Steuerrecht seien jedoch diese strengen, berufs- und standesrechtlichen
Besonderheiten von untergeordneter Bedeutung. Der Apothekenbetrieb selbst, also
der Verkauf der zumeist vorgefertigten Arzneimittel, sei dagegen Gewerbe.
Ausschließlich daran knüpften die steuerrechtlichen Vorschriften an.
Das BVerfG hat die gegen das BFH-Urteil erhobene Verfassungsbeschwerde (AZ.
1 BvR 450/98) nicht zur Entscheidung angenommen.
Anmerkung: Mit diesen niederschmetternden Entscheidungen für den Berufsstand
des Apothekers ist der Streit um die Rechtmäßigkeit der Gewerbesteuerpflicht noch
nicht zu Ende. Der IV. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat dem BVerfG
(Az. 1 BvL 10/98) die Frage vorgelegt, ob die Gewerbeertragsteuer
verfassungswidrig ist? Er meint, das Gewerbesteuergesetz verletze den allgemeinen
Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), weil nur
Gewerbetreibende, aber nicht andere Selbständige (übrigens auch Land- und
Forstwirte) mit Gewerbesteuer belastet werden. Beim BFH ist zudem ein Verfahren
zur Verfassungsmäßigkeit des Gewerbesteuergesetzes (Az. XI R 12/98) anhängig.
Die obersten Finanzbehörden haben aufgrund dieser Revisionsverfahren in einem
gleichlautenden Erlaß vom 1. Juli 1998 die Finanzämter angewiesen,
Gewerbesteuermeßbescheide ab sofort in vollem Umfang für vorläufig zu erklären,
um damit einer Flut von Einsprüchen vorzubeugen.
PZ-Artikel von Reinhard Garbe, Hannover
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