Wirtschaft & Handel
Mit der Ankündigung, Schering wolle für 500 Millionen DM eigene
Aktien zurückkaufen, hatte Finanzvorstand Klaus Pohle der
Hauptversammlung des Pharmakonzerns Ende April 1997 den Stempel
aufgedrückt. Mitten in der öffentlichen Diskussion über das Für und Wider
feindlicher Übernahmen in Deutschland wollte das Berliner Unternehmen
seine Aktionäre beeindrucken und bei der Stange halten. An der Börse
wurde der Schering-Vorstoß mit kräftigen Kurssprüngen honoriert. Die
Sache hat aber einen Haken.
In Deutschland ist der Erwerb eigener Aktien grundsätzlich verboten. Zwar wird seit
langem über eine Änderung des seit Jahrzehnten geltenden Gesetzes diskutiert. Doch
über einen Referentenentwurf im Bundesjustizministerium hinaus ist die Debatte noch
nicht gekommen. Der von den Schering-Managern schon für diesen Herbst erhoffte
Rückkauf dürfte sich um Monate verschieben.
Schering ist nur eine der 30 größten Börsengesellschaften in Deutschland, die ihre
Aktien lieber heute als morgen zurückkaufen würden. Manager wie
BASF-Finanzchef Max Dietrich Kley wollen die milliardenschwere Liquidität ihrer
Unternehmen besser nutzen und den nach ihrer Ansicht unterbewerteten Kurs
beflügeln. Die Rechnung ist einfach: Schering etwa sammelte bis Ende 1996 eine
überschüssige Liquidität von rund 1,76 Milliarden DM an. Auf der Bank warf das
Vermögen allerdings nur magere 6 Prozent Zinsen ab. Im laufenden Jahr dürften es
noch weniger sein. Im Pharmageschäft dagegen erwirtschaftete Schering eine
Rendite von 10 Prozent.
Nicht nur die meisten Dax-Unternehmen fordern eine Liberalisierung des
Aktiengesetzes. Auch die Bonner Koalition will die Vorschriften lockern und sich
dabei an EG-Richtlinien aus den 70er Jahren orientieren. In Deutschland sei bisher
einseitig das Prinzip der Kapitalerhaltung betont worden, und zwar aufgrund der
Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren, wie der Münchener
Börsenexperte Ulrich Wastl kritisiert. Über Jahrzehnte sei damit die äußerst
restriktive Haltung gerechtfertigt worden. Dabei gebe es eine ganze Reihe positiver
Aspekte für solche Rückkaufprogramme, wie die Reformer meinen. Außer einer
Abwehr feindlicher Übernahmen könnte auch der Kurs gestützt werden, wenn die
Börse gute betriebswirtschaftliche Zahlen nicht honoriere. Nach Meinung von Wastl
könnte auch das in der deutschen Wirtschaft bestehende Problem wechselseitiger
Beteiligungen etwas eingedämmt werden. Bei Reakquisition eigener Aktien wäre
zudem die Gefahr gering, "den Liquiditätsüberhang durch irgendwelche Firmenkäufe
als eine Art Prestige-Investition" abzubauen. Schließlich komme eine höhere Rendite
auch den Aktionären zugute.
Kritiker meinen unter anderem, daß bei einem Aktienrückkauf und einem dann
entsprechend geringeren Grundkapital Gläubiger sich mit weniger Haftungsmasse
begnügen müßten. Durch gezielte Aktienrückkäufe könnten Gruppen benachteiligt
oder begünstigt werden. Zudem könne der Vorstand als Insider solche Geschäfte
nicht abwickeln. Diese Nachteile, meint Wastl, ließen sich durch gesetzliche
Regelungen innerhalb der EU-Vorgaben in den Griff bekommen. Also sollten nicht
mehr als 10 Prozent des Grundkapitals zurückgekauft werden dürfen. Zum Erwerb
eigener Aktien, die nicht mit Stimmrechten ausgestattet sein dürfen, müßten auch
Rücklagen gebildet werden.
Das geplante Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich
(KonTraG) und damit die Neuregelungen zum Aktienrückkauf muß noch sämtliche
parlamentarische Hürden nehmen. Frühestens im kommenden Frühjahr könnte es
soweit sein, heißt es im Bonner Justizministerium. "Der Rückerwerb ist nicht das
Problem", sagt Ministeriumssprecher Bernhard Böhm. Knackpunkt sei die im
KonTraG vorgeschlagene Reduzierung des Aufsichtsrates.
PZ-Artikel von Andre Stahl, Berlin
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