Wirtschaft & Handel
Tumorerkrankungen/Endokrinologie, Atemwegserkrankungen/Allergien
und Zentrales Nervensystem/Epilepsie - auf diese drei Gebiete konzentriert
die Frankfurter Asta Medica ihre Forschungsbemühungen zur Auffindung
und Entwicklung neuer Wirkstoffe. Darüber hinaus laufen Bestrebungen,
ausgehend von schon existierenden eigenen Wirkstoffen neue
Medikamente zu entwickeln und bereits vermarktete Produkte
weiterzuentwickeln. Insgesamt 239 Millionen DM wurden für die Forschung
und Entwicklung (F&E) bei Asta Medica im vergangenen Jahr aufgewendet.
Entscheidend für die Forschungserfolge sei ein Netz von international ausgerichteten
Kooperationen mit Arbeitsgruppen von Universitäten, Großforschungseinrichtungen
und Max-Planck-Instituten, sagte Professor Dr. Axel Kleemann, Vorstand F&E, bei
der Pressekonferenz in Frankfurt am Main. Auf dem Gebiet der Krebsforschung
arbeite Asta mit der US-Biotechnologiefirma Sugen zusammen, zur Entwicklung von
Peptid-Arzneistoffen kooperiere das Unternehmen mit der französischen Firma
Europeptides und zur Entwicklung gentherapeutischer Methoden in der Onkologie
wurde zusammen mit Wissenschaftlern der Frankfurter Uniklinik die MainGen
Biotechnologie GmbH gegründet.
LHRH-Antagonist als Hoffnungsträger
Als derzeit größtes Forschungssrojekt stellten Professor Dr. Jürgen Engel, Leiter des
Zentralbereichs F&E, und Dr. Hilde Riethmüller-Winzen, Leiterin der Medizinischen
Forschung, den LHRH-Antagonisten Cetrorelix vor (LHRH:
Gonadotropin-Releasinghormon). Von der Substanz erhofft das Unternehmen
therapeutische Einsatzmöglichkeiten sowohl bei Krebserkrankungen als auch bei
endokrinen Störungen. Für die Indikation kontrollierte Ovulationsinduktion zur
In-vitro-Fertilisation sei bereits die europäische Zulassung bei der EMEA beantragt.
Der Antrag für die US-Zulassung soll noch in diesem Jahr folgen.
Die bisherigen Studien mit dem LHRH-Antagonisten an rund 2000 Frauen mit
Kinderwunsch lieferten nach Aussage von Riethmüller-Winzen vielversprechende
Ergebnisse. Die Wirkung sei vergleichbar mit der der LHRH-Agonisten, die bisher
für die kontrollierte ovarielle Stimulation vor In-vitro-Befruchtung eingesetzt werden.
Allerdings sei die Behandlungsdauer unter Cetrorelix deutlich kürzer (Einfachgabe
von 3 mg oder Mehrfachgabe von 0,25 mg), die Hormondosis und die
Nebenwirkungsrate seien niedriger. Die unter den LHRH-Agonisten oft zu
beobachtenden Wechseljahrsymptome traten unter Cetrorelix nicht auf.
Die Schwangerschaftsrate lag bei den mit dem LHRH-Antagonisten behandelten
Frauen bei 25 Prozent (in der Normalbevölkerung rund 20 Prozent). Mißbildungen
seien bei den anschließend geborenen Babies nicht beobachtet worden, so die
Referentin.
Auch in der Behandlung der benignen Prostatahyperplasie (BPH) zeigte der
LHRH-Antagonist in einer kontrollierten Phase-II-Studie Vorteile gegenüber der
gängigen Therapie mit LHRH-Agonisten wie Buselin, berichtete Engel. Bei raschem
Wirkeintritt und langer Wirkdauer hätten sich unter Cetrorelix weniger
Nebenwirkungen gezeigt; das Prostatavolumen sei unabhängig von der
Ausgangsgröße deutlich reduziert worden. Angestrebt ist aus Sicht des
Unternehmens eine intermittierende Cetrorelix-Behandlung von BPH-Patienten ein-
bis zweimal jährlich über jeweils vier Wochen. Ebenfalls in Phase-II-Studien wird
der Einsatz des LHRH-Antagonisten derzeit bei Uterus-Myom, Eierstock- und
Prostatakrebs geprüft.
Multidose-Pulverinhalator vor der Markteinführung
Als technologische Innovation bezeichnete Dr. Elisabeth Wolf-Heuss, Leiterin
Pharmazeutische Entwicklung bei Asta, einen in Zusammenarbeit mit der
niederländischen Universität Groningen und der Degussa AG entwickelten
wiederverwendbaren Multidose-Pulverinhalator. Das Gerät soll voraussichtlich 1999
auf den Markt kommen. Obwohl primär für die Inhalation von Asthmatherapeutika
entwickelt, sei auch die Applikation anderer Wirkstoffe mit dem Gerät vorstellbar.
Das Gerät gibt eine erfolgreiche Inhalation akkustisch zu erkennen; in einem Display
wird die Restdosismenge angezeigt, in einem anderen die Funktionsbereitschaft des
Inhalators. Die Applikation einer zweiten Dosis sei erst nach erfolgter Inhalation
möglich, hob Wolf-Heuss hervor. Man wolle so panikartige Mehrfachdosierung im
Asthmaanfall vermeiden. Neben der Wiederverwendbarkeit und der Umgehung von
Treibgas nannte sie als weitere Vorteile die geringe Größe des Inhalators und seine
einfache Handhabung.
Glufosamid bei Krebs, Miltefosin bei Leishmaniasis in Prüfung
In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg
entwickelte Asta das Zytostatikum Glufosfamid, das derzeit in ersten Studien bei
therapierefraktären Tumorpatienten geprüft wird. Dr. Peter Hilgard, Leiter
Tumorforschung, stellte die Substanz in Frankfurt vor, räumte aber gleichzeitig ein,
daß die bisherigen Erkenntnisse im wesentlichen auf experimentellen Daten beruhen.
Das "neuartige Targeting-Konzept" von Glufosfamid soll eine weitestmögliche
Tumorselektivität gewährleisten. Die alkylierende Substanz werde, gebunden an
Glucose, gezielt über Glucosetransporterkanäle in die Zelle eingeschleust. Asta gehe
davon aus, daß diese Kanäle überwiegend tumorspezifisch sind. Zusätzlich soll der
erhöhte Glucosebedarf von Krebszellen zur Tumorselektivität des Wirkstoffes
beitragen.
Zur Behandlung der dritthäufigsten Tropenerkrankung, der Leishmaniasis, prüft Asta
derzeit das Zytostatikum Miltefosin. Zur Behandlung von Hautmetastasen bei
Brustkrebspatientinnen hat das Asta-Präparat (Miltex®)bereits eine Zulassung. Das
Forschungsprojekt für die Indikation Leishmaniasis erfolge in Kooperation mit der
WHO, erklärte Dr. Andreas Voss, Leiter Tumorforschung. Miltefosin sei das erste
peroral wirksame Therapeutikum gegen die Protozoenerkrankung. In den USA
habe der Wirkstoff für diese Indikation Orphan-Drug-Status.
Mit dem Ergebnis einer indischen Pilotstudie mit Miltefosin ist Voss sehr zufrieden.
Nach 28 Tagen seien die Patienten aller Dosisgruppen vorläufig geheilt gewesen,
endgültige Heilung (über sechs Monate) habe man dann in den höher dosierten
Gruppen (100, 150, 200 oder 250 mg täglich) erzielt; auch bei ansonsten
therapierefraktären Patienten sei es zur Heilung gekommen. Neben der gegenüber
Standardtherapeutika wie Antimon offenbar besseren Wirksamkeit hofft Asta auch
auf eine bessere Verträglichkeit von Miltefosin. Einen Abschluß der Studien erwartet
das Unternehmen im Jahr 2000.
PZ-Artikel von Bettina Neuse-Schwarz, Frankfurt am Main
© 1997 GOVI-Verlag
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