Wirtschaft & Handel
Erstmals präsentierte der Vorstand der Hoechst AG seinen
Konzernabschluß 1997 in der Bilanzpressekonferenz am 12. März 1998 in
der neuen Holdingstruktur. Die acht Gesellschaften hatten hierzu ihre
eigene Bilanz aufgestellt. Um einen Vergleich zu ermöglichen, wurden die
Darstellungen des Geschäftsjahres 1996 entsprechend angepaßt. Wie der
Vorstandsvorsitzende Jürgen Dormann betonte, greift das Konzept. Die
Geschäftsbereiche behaupteten sich im Wettbewerb.
Die großen Konzerngesellschaften hätten alle ihr vergleichbares operatives Ergebnis
steigern können. Der Konzernertrag sei um 22 Prozent auf 3,65 Milliarden DM
gewachsen. Berücksichtigt worden seien die Sonderfaktoren wie
Strukturaufwendungen und erstmalige Goodwill-Abschreibungen. Erhebliche
Rückgänge waren jedoch beim Gewinn und Jahresüberschuß hinzunehmen.
Dennoch schlagen Aufsichtsrat und Vorstand eine Dividendenerhöhung um 10
Pfennig auf 1,50 DM je 5-DM-Aktie vor. Die Ausschüttungssumme, die höchste in
der Unternehmensgeschichte, wie Dormann betonte, steigt auf 1 047 Milllionen DM.
Davon erhalten die Aktionäre der Hoechst AG 882 Millionen DM.
Die Bilanzzahlen belegten, daß die Umgestaltung von Hoechst, der in der
Hauptversammlung 1997 nach ausführlicher Diskussion das Placet gegeben worden
sei, im vergangenen Geschäftsjahr vorankam. Die notwendigen Strukturmaßnahmen
seien in Deutschland sozialverträglich ohne betriebsbedingte Kündigungen umgesetzt
worden. Wirtschaftlich wie sozialpolitisch, so Dormann, werde Kurs gehalten, "trotz
der notwendigen tiefgreifenden Modernisierungs- und Umbauarbeiten in unserem
Unternehmen". Dies erfordere auch weiteren Aufwand, der das Ergebnis von
Hoechst 1998 belasten werde.
Ausrichtung auf Life Science
Auf die massive öffentliche Kritik an der Unternehmenspolitik der Hoechst AG
eingehend, sagte Dormann, "das Ziel war und bleibt es, den einzelnen
Arbeitsgebieten markt- und wettbewerbsgerechte Wachstumschancen zu eröffnen,
ihren Wert langfristig zu steigern und so Beschäftigung zu sichern". Um
Spitzenpositionen am Weltmarkt zu erreichen, würden die Unternehmensressourcen
auf wachstumstarke Märkte konzentriert, und zwar auf Pharma (Hoechst Marion
Roussel), Diagnostika, Impfstoffe, Blutplasmaprodukte (Chiron Behring und Dade
Behring) sowie Pflanzenschutz, Saatgut, Lebensmittelvorprodukte (Hoechst
Schering AgrEvo) und Tiergesundheit (Hoechst Roussel Vet). Die unternehmerische
Führung unter dem Namen Hoechst werde aber beibehalten. Ohne einen Ausbau
der vor 1995 unzureichenden Infrastruktur auf dem US-amerikanischen Markt, der
einen Weltanteil von 40 Prozent halte, wäre der hohe Forschungsaufwand
insbesondere im Pharmabereich (17 Prozent der Forschungskosten) nicht mehr zu
rechtfertigen gewesen. Die unternehmerische Führung von Hoechst Marion Roussel
(HMR) erlaube deren weltweite bessere Integration. Ein Programm zur
Effizienzsteigerung solle im wesentlichen 1998 umgesetzt werden. Dies werde einen
Strukturaufwand (schwerpunktmäßig in USA, Japan, Frankreich und Deutschland)
von bis zu 750 Millionen DM erfordern. Für 1999 rechnet Dormann jedoch bereits
mit einer Kostensenkung um 460 Millionen DM.
Zum zweitgrößten Life-Science-Arbeitsgebiet bei Hoechst ist inzwischen die
Landwirtschaft - AgrEvo - avanciert, und zwar durch den Erwerb 1996 von Plant
Genetic Systems in den USA. Hoechst hat so Zugang zu Innovationen der
Biotechnologie erhalten und will die Produktpalette durch weitere Akquisitionen auf
dem Saatgutsektor erweitern. Stärkung soll AgrEvo insbesondere auf dem
asiatischen und amerikanischen Markt erhalten.
Auf die Umstrukturierung der industriellen Chemie eingehend, stellte Dormann die
erfolgreiche Ausgliederung von beispielsweise Clariant, DyStar, SGL Carbon,
Uhde, Targor und Wacker-Chemie heraus. Die Mitarbeiter identifizierten sich mit
ihren neuen Unternehmen, auch seien ihre Zukunftsperspektiven besser als die im
Rahmen des Konzerns, "weil wir Ausbildung von Kernkompetenzen ...nicht den
Anforderungen entsprechend hätten begleiten können". An verschiedenen
ausgegliederten Firmen hält Hoechst nicht unerhebliche Beteiligungen, so daß sie für
das Konzernergebnis Bedeutung haben. Die weiter zum Konzern gehörenden
Arbeitsgebiete der industriellen Chemie sind: Celanese (Chemikalien,
Celluloseacetat), Treviara (Polyester-Produkte), Ticona (technische Kunststoffe),
Messer (Industriegase) und Herberts (Lacke). Sie sollen im Zuge der weiteren
Konzentration auf Life Science zum Teil aus dem Konzern ausgegliedert werden.
Dies sei jedoch nicht mit einem Personalabbau verbunden, sondern gehe mit einem
Wechsel in neue Gesellschaften einher, wie Dormann sagte. An die Adresse der vor
der Jahrhunderthalle protestierenden HMR-Mitarbeiter gerichtet, war die Aussage:
Man werde sich bemühen, für alle 600 in Forschung und Entwicklung
einzusparenden Arbeitsplätze neue innerhalb des Konzerns zu finden - konkrete
Gespräche seien bereits zwischen dem Betriebsrat, der Geschäftsführung und dem
Vorstand angelaufen.
Die Veränderungen im Hoechst Konzern spiegeln sich deutlich in der
Beschäftigtenzahl wider. Durch die Ausgliederungen von Beteiligungen hat sich der
Stand um 24000 verringert. Insgesamt ging die Zahl um 29 650 auf 118 212
Mitarbeiter zurück, ein Teil ist Pension gegangen, andere sind mit einer Abfindung
entlassen worden. In Deutschland wurden 38 218 Mitarbeiter Ende 1997
beschäftigt, vergleichbar seien das 4 Prozent weniger gewesen als ein Jahr zuvor.
Ausblick 1998
Für das laufende Geschäftsjahr rechnet Dormann mit einem weiteren
Umsatzrückgang auf 40 bis 45 Milliarden DM. Dies sei abhängig vom Fortgang der
Desinvestitionen im Industriegeschäft. Insgesamt stellt sich der Vorstand auf ein
schwieriges Jahr ein aufgrund der Restrukturierungsmaßnahmen, glaubt aber
dennoch, mit einem nochmals verbesserten operativen Ergebnis um 20 Prozent
rechnen zu können.
PZ-Artikel von Erdmuthe Arnold, Frankfurt am Main
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