Wirtschaft & Handel
Berater oder Verkäufer?
In der Apotheke bedeutet Verkaufen auch Beraten, und gut gemacht führt
dies zu entsprechenden Verkäufen. Wer möchte nicht seinen Erfolg als
Berater oder Verkäufer vergrößern? Grundsätzlich sind dazu zwei Ansätze
denkbar. Sie versuchen, einzelne Tips zum Beratungsgespräch einzuüben
und zu übernehmen. Oder Sie hinterfragen Ihre eigene Position und Rolle
als Verkäufer, definieren sie neu und leiten daraus eine Grundeinstellung
ab. Fast zwangsläufig führt dies zu einer angenehmen Gesprächshaltung.
Beraten steht immer auch für Beeinflussung. Meint man damit den kurzfristigen
Triumph über seinen Kontrahenten, den verbalen Sieg der eigenen Argumente, vor
denen der Beratende die Waffen strecken muß? Oder zielt es auf etwas
Längerfristiges ab, nämlich mit motivierenden Argumenten das Handeln anderer zu
beeinflussen? Manipulation hat in der Apotheke ebensowenig eine Berechtigung wie
ein offenes Streitgespräch über verschiedene Standpunkte.
Die komplexe Interaktion persönlichen Verkaufens ist zwar von beiden Partnern
abhängig, sie kann jedoch vom Verkäufer gesteuert werden. Der Verkaufsvorgang
wird zum Problemlösungsprozeß, in dessen Verlauf der Austausch von sozialen
Belohnungen und Bestrafungen erfolgt: Dies geschieht auf kommunikativem Weg.
Zum Abschluß möchte der Berater ein Produkt mit Gewinn verkaufen, der Kunde
möchte als Belohnung einen möglichst hohen Produktnutzen wahrnehmen.
Integrativ und zielorientiert handeln
Bereits in den 40er Jahren haben Pädagogen die integrativen und dominanten Anteile
in der Schüler-Lehrer-Interaktion verschiedener Erziehungsstile quantifiziert. Auf
einer ähnlichen Grundlage hat Professor Dr. Werner Correll, Universität Gießen,
einen für ein Verkaufsgespräch optimalen IDQ-Wert ermittelt, der für den
Quotienten aus integrativen und dominativen Aktionen steht. Durch Beobachtung
besonders erfolgreicher Verkäufer hat er festgestellt, daß integrative Elemente beim
Verkäufer deutlich überwiegen sollten. Integratives Handeln bedeutet, sich von den
Zielen des anderen leiten zu lassen. In seiner extremen Form kann dabei das
ursprüngliche Ziel, nämlich das Angebot und der Verkauf eines Produkts, ganz
vergessen werden. In einer schwächeren Variante forscht der Verkäufer aktiv nach
Kundeneinwänden und berücksichtigt gezielt die Vorstellungen des Kunden.
Ein rein integratives Verkäuferverhalten führt aber nicht zum Ziel. Vielmehr kann so
die eigentliche Problemlösung aus den Augen verloren werden. Dies hilft weder dem
Berater noch dem Kunden. Der Verkäufer muß aufgrund seiner Sach- und
Produktkenntnis sowie einer möglichst zutreffenden Einschätzung der
Verkaufssituation das Gespräch zielorientiert führen, ohne es zu dominieren.Für
Correll ist der IDQ-Wert 1,9 optimal. Hier muß die Summe der integrativen
Aktionen knapp doppelt so hoch sein wie die der dominativen Aktionen des
Verkäufers. Dieses Verhältnis gelte auch für das Überzeugungsgespräch von Chef zu
Mitarbeiter. Eine zu autoritativ-dominative Einstellung führt nicht zu einem optimalen
Ergebnis.
Von ähnlichen Beobachtungen geht das Modell von Blake/Mouton aus. Die Autoren
haben das Verhalten von Verkäufern in einem Koordinatensystem beschrieben,
dessen x-Achse das Bemühen um einen Verkaufsabschluß von gering bis groß
abbildet. Die y-Achse gibt das Bemühen um den Kunden in den Dimensionen von
gering bis groß wieder. Beim sogenannten hardselling ist das Bemühen um den
Kunden gering, um den Verkaufsabschluß aber groß. Umgekehrt führt das reine
Bemühen um den Kunden unter wirtschaftlichen Aspekten nicht zu befriedigenden
Ergebnissen. Die Autoren bezeichnen diese Art des Verkaufens als Auftragsverkauf,
bei dem der Verkäufer nur die Rolle des Warenverteilers übernimmt. Ihre
Schlußfolgerung: Für jeden Kundentyp kann ein bestimmter Verkaufstyp empfohlen
werden. Hier liegt die große Stärke des persönlichen Verkaufs. Die Präsentation der
Ware erfolgt auf den einzelnen Kunden abgestimmt und nicht nach einer
Schrotschußmethode, die auf einen zwar in der Vorstellung der Marketingleute
existierenden, faktisch aber unbekannten Kunden abzielen muß.
Beraterverhalten ist erlernbar
Von Alfred Adler stammt das Zitat: "Der erfolgreiche Mensch beschäftigt sich mit
den Interessen des anderen, der erfolglose und gewöhnliche Mensch vorwiegend mit
seinen eigenen Interessen." Ist es gelungen, eine langfristige Bindung auf dieser Basis
herzustellen, kann ein Mitbewerber diesen Wettbewerbsvorteil nicht einfach
kopieren, schon gar nicht mit platter Werbung oder Sonderangeboten.
Die geringe Akzeptanz der Verkäuferrolle durch die Apotheker beruht vielleicht auf
früheren Vorstellungen vom Verkäufer. Man verknüpfte die Verkäufereigenschaft
mit a priori nicht als erstrebenswert geltenden Eigenschaften, wie zur Überredung
neigender Beredsamkeit, Geringschätzung des dummen Käufers und einem an
Arroganz grenzenden Auftreten. Die moderne Verkaufspsychologie stellt an einen
Berater nicht nur deutlich höhere Anforderungen, sie ermutigt ihn auch, er selbst zu
sein.
PZ-Artikel von Thomas Wurm, Passau
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