Die Schlacht hat begonnen |
02.02.2004 00:00 Uhr |
Längst ist die anstehende Fusionsschlacht um den deutsch-französischen Pharmakonzern Aventis ein Politikum. An zahllosen Schrauben wird gedreht, um die Übernahme durch Sanofi-Synthélabo abzuwenden.
Kein Tag vergeht, an öffentliche Unterstützung für einen Erhalt einer selbstständigen Aventis. Gerade aus Deutschland sind die Rufe laut. Denn bei einer feindlichen Übernahme laufe Aventis Gefahr, komplett zu einem französischen Konzern zu mutieren. Die ohnehin finanziell klamme Kommune Frankfurt am Main befürchtet ebenso wie das Land Hessen fatale Auswirkungen auf die Arbeitsplätze im Rhein-Main-Gebiet. Aventis gehört zu den weitaus größten Arbeitgebern und Investoren. Bei einer Fusion fürchtet man um den Wegfall von Jobs und einen Investitionsstopp.
Sanofi gelang es bislang nicht, diese Einwände zu zerstreuen. Mit der versuchten feindlichen Übernahme trägt der französische Konzern, der nach eigenen Angaben nicht nur einen der größten Pharmahersteller der Welt schaffen möchte, sondern ein wirklich europäisches Unternehmen, trägt Sanofi den Makel des Bösewichts.
Profil schärfen, Portfolio bereinigen
Aventis will unterdessen nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) kleinere Bereiche seiner Pharmasparte veräußern. Darüber werde mit einem amerikanischen Finanzinvestor verhandelt, berichtete die FAZ am Dienstag unter Berufung auf Finanzkreise. Der Straßburger Pharmakonzern wolle so sein Profil schärfen und sein Portfolio bereinigen. Das Transaktionsvolumen könnte sich auf bis 1,5 Milliarden Euro belaufen.
Bei dem Käufer könnte es sich dem Bericht zufolge um die Blackstone Group handeln, der die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) das Übernahmeangebot für den Chemiekonzern Celanese (Kronberg/Taunus) am Montag genehmigt hat. Wie es weiter hieß, laufen die Gespräche mit Blackstone seit mehreren Wochen und haben mit dem feindlichen Übernahmeversuch durch Sanofi-Synthélabo nichts zu tun.
Möglicherweise werde Aventis die Verhandlungen nun aber beschleunigen, um schneller Geld in die Kasse zu bekommen, auch um damit für den Konkurrenten an Attraktivität zu verlieren. Dass Blackstone hingegen für den ganzen Aventis-Konzern als „weißer Ritter“ auftreten könnte, werde in Branchenkreisen für äußerst unwahrscheinlich gehalten.
Aventis bestätgte am Montag, man halte den Plan aufrecht, bis Ende des laufenden Jahres nicht zum Kerngeschäft gehörende Aktivitäten zu verkaufen. Wie das Unternehmen weiter mitteilte, hat die Europäische Kommission am 30. Januar beschlossen, dass Aventis statt des 15,3-prozentigen Anteils an der Rhodia SA auch die 49-prozentige Beteiligung an der Wacker-Chemie GmbH verkaufen darf, um die Auflagen aus der Fusion von Hoechst und Rhone-Poulenc zur Aventis SA zu erfüllen. Ursprünglich sollte Aventis den Anteil an Rhodia bis April 2004 unter 5 Prozent reduzieren, nun hat der Pharmakonzern mehrere Jahre Zeit, alternativ die Wacker-Beteiligung zu verkaufen. Auch die US-Behörde Federal Trade Commission hatte ihre Frist für den Rhodia-Verkauf bis April kommenden Jahres verlängert.
Gegenangebot nicht ausgeschlossen
Aventis kann sich im Abwehrkampf gegen die feindliche Übernahme europäische und amerikanische Konzerne als Verhandlungspartner vorstellen. Der Vorstand habe als Kandidaten unter anderem die Novartis AG, die GlaxoSmithKline plc, Johnson & Johnson sowie die Pfizer Inc. genannt, sagte ein Teilnehmer einer gemeinsamen Sitzung von Vorstand und Aufsichtsrat.
Wie es hieß, gibt es noch keine konkreten Gespräche mit Konzernen, die mit einem Gegenangebot den unerwünschten Übernahmebewerber ausstechen und damit in die Rolle eines so genannten Weißen Ritters schlüpfen könnten.
Fusionsverhandlungen mit einem dritten Unternehmen seien die zweitbeste Lösung. „Das ist etwas, was Aventis nur dann verfolgt, wenn es verfolgt werden muss“, sagte der Sitzungs-Teilnehmer. Ihm zufolge wäre Pfizer wohl die letzte Lösung.
Aventis kommentierte die Namen zunächst nicht. „Stand-alone ist das, was Aventis bevorzugt. Aber wir prüfen verschiedene Szenarien”, sagte ein Sprecher lediglich. Die Aventis-Führung zieht auch eine Gegenofferte für Sanofi in Betracht. Aus dem Management verlautete, dahinter stecke in erster Linie eine Drohung. „Der Vorteil wäre, dass wir dann das Sagen hätten, aber die Risiken des Sanofi-Geschäfts wären dann ja immer noch da.“
Sanofi zieht Werbung zurück
Nach heftigen Protesten zieht der französische Pharmakonzern
Sanofi-Synthélabo in Deutschland seine Werbung mit einem kranken Kind für
die feindliche Übernahme des Konkurrenten Aventis zurück. „Wollen sie Jan
etwa sagen, dass seine Medizin erst in 20 Jahren erfunden wird?“, fragt
Sanofi in der Anzeige suggestiv. Der Deutsche Werberat hatte dies als
Verstoß gegen die guten Sitten verurteilt. Die Werbeagentur Publicis hatte
die Anzeige auch in der französischen, britischen und spanischen Presse
geschaltet. Publicis-Chef Eric Giuily erklärte am Montag in Paris, der
Verzicht auf die Fortführung der Kampagne in Deutschland sei freiwillig
erfolgt. In den anderen Staaten laufe die Kampagne weiter.
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