Worauf es bei der Pflege ankommt |
Narben können aus verschiedenen Gründen störend sein. / © Adobe Stock/wutzkoh
Ob eine Narbe entsteht, hängt vor allem von der Tiefe der Verletzung ab. Unsere Haut ist aus drei Schichten aufgebaut. »Wenn wir nur eine kleine Abschürfung haben, also einen Hautdefekt in der obersten Hautschicht, dann heilt der folgenlos wieder ab«, sagt Professor Dr. Steffen Emmert, Direktor der Klinik für Dermatologie und Venerologie der Universitätsmedizin Rostock . Anders ist das, wenn die Verletzung in die zweite oder sogar dritte Hautschicht reicht. »Dann kommt es immer zur Narbenbildung.«
Die Wundheilung verläuft dabei nach einem festen Schema. Unmittelbar nach der Verletzung verschließen sich die Gefäße. Es kommt zu einer Entzündungsreaktion. »Das hat sich unser Körper ziemlich sinnvoll überlegt«, sagt Nils Bringeland, Physiotherapeut und Autor (»Narben selbst behandeln«). Hinter der Entzündung steckt nämlich keine Infektion. Stattdessen dient sie dem Zweck, es Keimen möglichst ungemütlich zu machen. Im nächsten Schritt wird das zerstörte Gewebe abgebaut und abtransportiert.
Ab Tag drei oder vier nach der OP oder der Verletzung beginnt der Körper, Gewebe wieder aufzubauen, was ebenfalls ein paar Tage dauern kann. Ist die Wunde dann verschlossen, »geht es in die finale Remodellierungsphase über, in der das Narbengewebe dann an die Bedürfnisse des normalen Alltags angepasst wird«, sagt der Narbenexperte. Heißt: Unser Körper ersetzt das Gewebe, das im Zuge der Wundheilung entstanden ist, nach und nach durch stabileres Gewebe.
Ja. Wunden sind jedoch individuell. Daher ist es sinnvoll, das Gespräch mit Arzt oder Ärztin zu suchen, um zu klären, was genau es zu beachten gibt, damit alles gut heilen kann. Und das möglichst früh: Emmert rät dazu, vor geplanten Eingriffen mit dem Operateur über die Narbenbildung zu sprechen.
Denn an einigen Körperstellen ergeben sich Herausforderungen. Ein Beispiel: Jugendliche haben am Oberkörper eine besonders hohe Hautspannung. »In dem Hautareal gibt es einfach ein größeres Risiko, dass die Narbe nicht so gut wird oder dass sogar eine überschießende Narbenbildung stattfindet, ein sogenanntes Keloid«, sagt Emmert.
Generell ist wichtig, den Heilungsprozess des Körpers nicht zu stören. Eine Narbe am Fuß sollte man also nicht zu früh durch Laufen belasten. Dadurch entsteht Spannung auf der Narbe, die die Wundheilung beeinträchtigt.
»Ganz wichtig ist das Thema Stress, weil sich die Stresshormone negativ auf die Wundheilung auswirken können«, sagt Bringeland. Das Risiko für eine pathologische Narbenbildung sei dadurch erhöht. Ein Grund mehr, sich selbst nun Gutes zu tun und einen Gang herunterzuschalten.
Auf Rauchen und Alkohol sollte man lieber verzichten. »Alles, was den Körper irgendwie beeinträchtigt in seinen Prozessen, kann sich potenziell störend auswirken«, sagt der Experte.
Weitere Probleme bringen Bringeland zufolge eine zu starke Kühlung mit Eis und entzündungshemmende Medikamente. »Es ist gut, dass wir diese Medikamente haben, aber sie können die Wundheilung massiv beeinträchtigen, gerade bei inadäquater Dosierung.«
Ein bekannter Tipp ist auch die Vermeidung von UV-Strahlung. Sie kann unerwünschte Auswirkungen haben: »Bei einer frischen Narbe kann es zu Pigmentverschiebungen kommen«, sagt Steffen Emmert. Die Narbe wird dann etwas bräunlicher oder heller. »Wenn sich die obere Haut wieder gebildet hat, kann man auch ganz normal über Sonnencreme arbeiten«, sagt Bringeland.
Nach einer Operation oder bei Verletzungen kommt es auf eine Sache besonders an: Die Spannung an der Hautoberfläche sollte so gering wie möglich gehalten werden. »Dann wird die Narbe am schönsten«, sagt Steffen Emmert.
Das kann beispielsweise durch einen Kompressionsverband oder durch Pflaster geschehen. »Nach der OP kleben wir häufig Streifenpflaster im 90-Grad-Winkel zur Narbe.« Diese sogenannten Wundnahtstreifen bleiben für 14 Tage auf der Haut.
Die Wunde ist vollständig geschlossen und es ist keine Kruste mehr auf der Haut? Dann kann man die Narbe mit speziellen Gels oder Gelkissen behandeln. Sie wirken Juckreiz und Spannungsgefühlen entgegen und sollen das Narbenbild verbessern.
Gut ist auch, die Narbe zu massieren. »Einfach vorsichtig leichten Druck auf die Narbe geben und vorsichtig spannungsfrei bewegen. Das unterstützt die Reifung des neuen Gewebes und wirkt sich positiv auf den Schmerz aus«, sagt Bringeland. Auch Massageroller, die für die Behandlung von Narben gedacht sind, können zum Einsatz kommen.
Jucken, Brennen und Narbenschmerz bei älteren Narben sind Hinweise darauf, dass etwas nicht stimmt. Treten die Beschwerden immer wieder auf, sollte man sie lieber ärztlich abklären lassen. Das gilt auch für Narben, die besonders wulstig erscheinen.
Womöglich kann eine Narbenbehandlung beim Physiotherapeuten oder der Physiotherapeutin helfen, »durch Massage und andere spezifische Techniken«, sagt Bringeland.
Bei wulstigen Narben etwa arbeitet Dermatologe Emmert gern mit der Kältebehandlung. »Wir machen eine Kryotherapie, da sprühe ich zweimal für zehn Sekunden mit flüssigem Stickstoff über die Narbe.« Das Gewebe wird kurz eingefroren und taut dann wieder auf. »Durch diese Effekte wird die Narbe weicher und damit werden auch die Beschwerden wie zum Beispiel Schmerzen weniger«, erklärt der Mediziner.
Tipp: Sich vorab bei der Krankenkasse erkundigen, ob sie die Kosten dafür übernimmt.
Ob im Gesicht oder auf der Hand: Wer mit auffälligen Narben durchs Leben geht, hat das Gefühl, dass alle dorthin schauen – das kann belasten. Was dann hilft.
Besonders groß, wulstig oder an prominenter Stelle: Narben können die Seele belasten. Ein Gefühl, das man Betroffenen nicht absprechen sollte. »Die Empfindung ist grundsätzlich erstmal gerechtfertigt«, sagt Bringeland. Immerhin: Betroffene finden ihre Narbe in aller Regel problematischer als Außenstehende. Doch was hilft?
Für den Umgang damit gebe es mehrere Strategien: »Eine Möglichkeit ist natürlich, sich über kognitive Strategien damit auseinanderzusetzen«, sagt Bringeland. Heißt: zu lernen, mit der Narbe zu leben – und sie zu akzeptieren. Wer alleine nicht weiterkommt, könne sich von einem Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin begleiten lassen.
Zudem gibt es die Möglichkeit, chirurgisch nachzubessern. »Häufig gehen optisch auffällige Narben auch mit Funktionsstörungen einher, aber nicht immer«, sagt Bringeland. Eine Funktionsstörung liegt zum Beispiel dann vor, wenn die Narbe spannt und die Beweglichkeit einschränkt. Im Zweifel gilt: im Gespräch mit Fachleuten abklären lassen. Narben können im Zuge einer Korrektur zum Beispiel ausgeschnitten und mit einer feineren Naht wieder verschlossen werden.
Vorab ist aber etwas Geduld gefragt. »Die Narbenbildung braucht ein bis zwei Jahre«, sagt Emmert. Erst danach könne man über eine Operation entscheiden.
Ist das Problem rein kosmetisch, lassen sich womöglich andere Lösungen finden. »Es gibt Möglichkeiten, über Make-up oder sogar Tätowierungen die Hautfarbe anzupassen«, sagt Bringeland. »In den letzten 15 Jahren hat sich sehr viel getan. So kann den Betroffenen inzwischen gut geholfen werden.«