Wohlriechende Wundbehandlung |
Annette Rößler |
20.01.2025 10:30 Uhr |
Viele ätherische Öle sind wegen ihres Duftes beliebt. Darüber hinaus weisen sie häufig auch pharmakologische Wirkungen auf. / © Adobe Stock/Tatyana Lavrova/Stocksy
Belege für die breite antimikrobielle Wirkung von verschiedenen ätherischen Ölen gebe es aus zahlreichen In-vitro-Studien, schreibt Dr. Jürgen Reichling, pensionierter Professor für Pharmazeutische Biologie an der Universität Heidelberg, in der Ausgabe 6/2024 der DPhG-Mitgliederzeitschrift »Pharmakon«. Diese Eigenschaft lasse sich jedoch nicht verallgemeinern: Während etwa Gewürznelken-, Oregano-, Teebaum-, Thymian- und Zimtrindenöl gut antibakteriell wirksam seien, verfügten beispielsweise Anis-, Bitterfenchel, oder Kümmelöl lediglich über eine eingeschränkte Wirkung nur gegen bestimmte Bakterien.
Ätherische Öle und ihre bioaktiven Bestandteile wirkten oft gleichzeitig gegen verschiedene bakterielle Zielstrukturen (Multi-Target-Prinzip) und dabei anders als Antibiotika. Sie störten etwa die Integrität, Fluidität und Permeabilität der Zytoplasmamembran sowie die Funktion der Membrantransportproteine. Darüber hinaus beeinflussten sie unter anderem die Zellatmung, die Proteinsynthese und den Energiehaushalt der Bakterienzelle.
»Pharmakon« erscheint sechsmal jährlich. Jede Ausgabe hat einen inhaltlichen Schwerpunkt, der aus unterschiedlichen Perspektiven aufbereitet wird. / © Avoxa
Eine Eigenschaft bestimmter ätherischer Öle macht sie für den Einsatz in der Wundbehandlung besonders geeignet: Sie stören die Bildung von Biofilmen beziehungsweise unterbinden die bakterielle Kommunikation in Biofilmen (Quorum Sensing) oder töten Bakterien in Biofilmen ab. Biofilme sind organisierte Lebensgemeinschaften von Bakterien, die diese auf synthetischen oder biologischen Oberflächen bilden und in denen sie eine erhöhte Resistenz gegen Umwelteinflüsse aufweisen. Sie beeinflussen die Wundheilung negativ, insbesondere bei chronischen und infizierten Wunden.
Laut Reichling werden ätherische Öle im Management von übelriechenden Wunden, etwa bei primären Hauttumoren, Tumorexulzerationen, Metastasen oder chronischen Wunden, empfohlen und eingesetzt. Hierbei kommen nicht nur die antimikrobiellen Eigenschaften der Öle zum Tragen, sondern auch ihr angenehmer Geruch. Es gebe verschiedene Fallstudien mit positiven Daten zu Ölmischungen aus Lavendel- und Teebaumöl, teilweise auch plus Patchouliöl.
Ätherische Öle besitzen zudem eine antimykotische Wirkung, die ebenfalls auf verschiedenen Mechanismen beruht. So seien auch hier die Biofilm-störenden Eigenschaften beteiligt, daneben unter anderem eine zytotoxische Wirkung, eine Synthesehemmung von Ergosterol und die Inhibition diverser Pilz-Enzyme. Bei Candida albicans gebe es positive In-vitro-Daten zur Wirksamkeit von Lemongras-, Kamillen- und Rosengeranienöl; bei Tinea corporis (Ringelflechte, ausgelöst durch Trichophyton- und Microsporum-Arten) habe sich in einer klinischen Beobachtungsstudie eine 1-prozentige Salbe mit Curcuma-longa-Blattöl (CLBÖ) als wirksam erwiesen.
Trotz zahlreicher Wirksamkeitsbelege stellten ätherische Öle derzeit sicherlich keinen Ersatz für indizierte Antibiotika und Antimykotika dar, konstatiert Reichling zusammenfassend. Es gebe zwar teilweise vielversprechende In-vitro-Daten, bedauerlicherweise aber nur wenige klinische Studien. Für eine versuchsweise Anwendung zum Beispiel bei unkomplizierten bakteriellen Hautinfektionen, verschiedenen Hautmykosen, bakteriell infizierten, schlecht heilenden Wunden und fauligen, übelriechenden Tumorulzerationen gebe es aber genügend plausible Argumente.