Wöchentliche Faktor-VIII-Prophylaxe im Handel |
Kerstin A. Gräfe |
31.07.2024 09:00 Uhr |
Kleinere Unfälle zählen zum Großwerden dazu. Bei Hämophilie-Patienten ist eine Prophylaxe von potenziellen Blutungen besonders wichtig. Seit Juli ist mit Altuvoct ein neues Präparat im Handel. / Foto: Getty Images/AJ_Watt
Hämophilie A ist eine genetisch bedingte Blutgerinnungsstörung. Ursächlich ist ein Mangel des Gerinnungsfaktors VIII, infolgedessen die Betroffenen eine erhöhte Blutungsneigung haben. Bei Patienten mit schwerer Ausprägung äußert sie sich in spontanen Blutungen, vor allem in den Gelenken und der Muskulatur. Die Standardbehandlung besteht in der Gabe von Faktor-VIII-Präparaten, um den fehlenden Blutgerinnungsfaktor zu ersetzen.
Mit Efanesoctocog alfa (Altuvoct™ Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung, Sobi) ist seit Juli ein weiteres Medikament zur Behandlung und Prophylaxe von Blutungen bei Hämophilie A im Handel. Es darf bei Patienten aller Altersgruppen zum Einsatz kommen. Erhältlich ist das Präparat in folgenden Dosierungen: 250 I. E., 500 I. E., 750 I. E., 1000 I. E., 2000 I. E., 3000 I.E. und 4000 I. E.
Efanesoctocog alfa ist ein neuartiges Fusionsprotein, das so konzipiert wurde, dass es den endogenen von-Willebrand-Faktor (vWF) nicht bindet. Diese Interaktion limitiert unter anderem die Halbwertszeit von Faktor VIII und somit bisheriger Faktor-VIII-Präparate. Zum Hintergrund: Faktor VIII selbst hat etwa eine Halbwertszeit von zwei Stunden. Unter physiologischen Bedingungen interagiert er mit vWF, der den Faktor stabilisiert und vor Proteasen schützt (Chaperon-Effekt). So gebunden hat er eine Halbwertszeit von etwa 15 Stunden. Die Bindung erfolgt dabei nicht kovalent über die D′D3-Domäne von vWF.
Bei Efanesoctocog alfa hat man nun eine D′D3-Domäne von vWF kovalent mit dem rekombinanten Faktor VIII verknüpft. Dadurch verhindert man die endogene vWF-Bindung und entkoppelt somit von der Komplex-vorgegebenen Halbwertszeit, behält aber zugleich die vWF-stabilisierenden Eigenschaften bei. Um darüber hinaus die Halbwertszeit von Altuvoct zu verlängern, ist Efanesoctocog alfa zudem mit der Fc-Region von IgG1 und zwei XTEN-Polypeptiden fusioniert. In Studien zeige Altuvoct im Vergleich zu Faktor-VIII-Präparaten mit Standardhalbwertszeit eine circa 4-fach längere Halbwertszeit und im Vergleich zu Faktor-VIII-Präparaten mit verlängerter Halbwertszeit eine etwa 2,5- bis 3-fach längere Halbwertszeit.
Altuvoct wird intravenös verabreicht. Die empfohlene Dosierung für die Routineprophylaxe beträgt 50 I. E./kg Körpergewicht einmal wöchentlich. Nach einer Schulung zur korrekten Injektionstechnik kann das Präparat vom Patienten selbst oder einer Betreuungsperson injiziert werden. Für die Bedarfsbehandlung sowie für die Kontrolle von Blutungsepisoden und das perioperative Management finden sich in der Fachinformation Dosisangaben in Abhängigkeit vom Schweregrad der Blutung und der Art des chirurgischen Eingriffs.
Unter Efanesoctocog alfa können allergische Überempfindlichkeitsreaktionen auftreten. In einem solchen Fall sollten die Patienten angewiesen werden, die Anwendung sofort zu unterbrechen und einen Arzt aufzusuchen. Zudem sollten sie über frühe Anzeichen von Überempfindlichkeitsreaktionen wie Nesselsucht, Engegefühl in der Brust und Giemen aufgeklärt werden.