Wissenswertes zu Scharlach & Streptokokken |
Christina Hohmann-Jeddi |
23.02.2023 18:00 Uhr |
Die sogenannte Himbeerzunge, eine intensiv rot gefärbte Zunge mit Stippen, ist ein typisches Zeichen für Scharlach, das aber auch fehlen kann. / Foto: Adobe Stock/Lukassek
Neben den viralen Atemwegserregern grassieren derzeit auch einige Bakterien, die die Atemwege befallen, in Deutschland. Darauf macht heute das Robert-Koch-Institut (RKI) im »Epidemiologischen Bulletin« aufmerksam. Vor allem Streptokokken der Gruppe A (Streptococcus pyogenes) verbreiten sich derzeit stark. Man beobachte »einen Anstieg an Nachweisen nicht invasiver Gruppe-A-Streptokokken-Infektionen und von Scharlach-Erkrankungen, insbesondere in den Altersgruppen unter 15 Jahre und zwischen 25 und 44 Jahre«, heißt es vom RKI. Genaue Zahlen nennt das Institut nicht; Streptokokken-Infektionen sind nicht meldepflichtig.
Scharlach wird durch A-Streptokokken ausgelöst, die zur Gattung Streptococcus gehören, eine Gruppe grampositiver Kokken, die sich in Ketten oder Paaren zusammenlagern. Streptokokken sind an sich ein Teil der normalen Schleimhautmikrobiota und haben überwiegend positive Eigenschaften für ihren Träger. A-Streptokokken können aber auch – je nach Stamm und dessen Virulenzgenen – eine Reihe von unterschiedlichen Erkrankungen im Rachen und an der Haut hervorrufen.
Die Virulenzgene der Bakterien stammen von Bakteriophagen, also von Viren, die Bakterien befallen. Während die meisten Bakteriophagen lytisch sind und ihr Wirtsbakterium nach der eigenen Reproduktion zerstören, gibt es bei Streptokokken auch Bakteriophagen mit lysogenem Zyklus. Das bedeutet, dass die Viren die Kokken befallen und statt sie zu zerstören, stabil ihr Genom in das Bakteriengenom integrieren. Durch die auf diese Weise erhaltenen Virulenzgene werden Streptokokken von einem harmlosen zu einem virulenten Bakterienstamm.
Ein Beispiel ist der Bakteriophage T12, der das SpeA-Gen, das für das Scharlach-Toxin A kodiert, auf Streptokokken übertragen kann. Stämme, die dieses Gen enthalten, sind die Erreger von Scharlach. Neben SpeA gibt es auch noch die Toxine SpeB und SpeC, weshalb Menschen mehrmals an Scharlach erkranken können. Zudem hält eine Immunität gegen A-Streptokokken nicht lebenslang.
Von den Streptokokken-assoziierten Erkrankungen ist Scharlach die häufigste. Sie tritt vor allem bei Kindern im Alter von sechs bis zwölf Jahren auf. Die Erreger werden über direkten oder indirekten Kontakt mit Infizierten, seltener über Aerosole übertragen. Nach einer Inkubationszeit von ein bis drei Tagen treten Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Erbrechen und eine Rachenentzündung (Pharyngitis) zusammen mit dem charakteristischen Hautausschlag auf. Es können auch Bauch- oder Kopfschmerzen hinzukommen.
Das Scharlach-Exanthem besteht aus kleinfleckigen Papeln, beginnt meist am Oberkörper und breitet sich zentrifugal unter Aussparung der Handinnenflächen und Fußsohlen aus, informiert das Robert-Koch-Institut im Ratgeber »Streptococcus pyogenes-Infektionen«. Das Exanthem verschwindet nach sechs bis neun Tagen. Einige Tage danach kommt es zu einer Abschuppung der Haut, insbesondere der Handinnenflächen und Fußsohlen.
Weitere charakteristische Symptome sind die Blässe um den Mund herum und die Himbeerzunge. Letztere kommt dadurch zustande, dass sich die Papillen der Zunge vergrößern und sich die zunächst belegte Zunge schält, wodurch sie himbeerrot erscheint. Der Verlauf der Erkrankung kann mild oder schwer sein. Zum Teil können die Himbeerzunge und der Ausschlag fehlen, wodurch Scharlach nicht immer diagnostiziert wird.
Mittel der Wahl bei der Behandlung von A-Streptokokken-Infektionen ist laut RKI die zehntägige Gabe von Penicillin beziehungsweise Amoxicillin oder Ampicillin (oral oder parenteral). Einige Veröffentlichungen empfehlen kürzere Therapiedauern; ein auf fünf Tage verkürztes Regime mit oralen Cephalosporinen sei für Kinder gleichwertig. Cotrimoxazol und Chinolone (außer Moxifloxacin) sollten nicht eingesetzt werden, da sie nicht zuverlässig wirkten. Eine Behandlung der Infektionen ist vor allem wichtig, um potenziellen Komplikationen vorzubeugen.
Als Komplikationen kann es zu Streptokokken-Folgeerkrankungen kommen, darunter das rheumatische Fieber, die rheumatische Endokarditis oder die Poststreptokokken-Glomerulonephritis. Diese immunologischen Erkrankungen sind eine Folge der Immunreaktion auf die Erreger.
In seltenen Fällen können A-Streptokokken auch in die Blutbahn gelangen und invasive Infektionen auslösen. Diese gehen mit einer Sterblichkeit von 30 bis 60 Prozent einher, vor allem bei Sepsis, Streptokokken-Toxic-Shock-Syndrom oder nekrotisierender Fasziitis.
Anfang Dezember hatte eine ungewöhnliche Häufung von Todesfällen durch invasive A-Streptokokken-Infektionen in Großbritannien für Schlagzeilen gesorgt. Auch aus Frankreich, Irland und Griechenland wurden in der Folge Fälle gemeldet, heißt es in einem Bericht der Europäischen Gesundheitsbehörde ECDC vom 17. Februar.
In Deutschland sei im vierten Quartal 2022 ebenfalls ein ungewöhnlich früher und starker Anstieg von invasiven Infektionen durch Gruppe-A-Streptokokken, aber auch durch Pneumokokken und Haemophilus influenzae zu beobachten gewesen, teilt das RKI mit. Dabei seien teilweise neue saisonale Spitzenwerte erreicht worden. Invasive bakterielle Infektionen seien in allen Altersgruppen beobachtet worden, aber am stärksten bei Personen über 65 Jahre. Nach einem Rückgang der Infektionszahlen um den Jahreswechsel herum träten seit Januar 2023 wieder mehr invasive A-Streptokokken-Infektionen auf.
Das RKI vermutet, dass der starke Anstieg der bakteriellen Infektionen durch die gleichzeitige weite Verbreitung von Atemwegsviren begünstigt sein könnte, die auch das Risiko von invasiven bakteriellen Infektionen erhöhen können. Da sich solche invasiven Streptokokken-Infektionen rasch zu sehr schweren Verläufen entwickeln können, sollten gerade Eltern auf bestimmte Anzeichen bei ihren Kindern achten. Weder die Himbeerzunge noch der Hautausschlag sind hierbei maßgeblich.
Ärztliche Hilfe ist zu suchen, wenn das Kind als sehr krank empfunden wird, sich der Zustand verschlechtert, das Kind nicht trinkt und isst, Zeichen von Dehydrierung zu erkennen sind oder es sehr müde oder reizbar ist. Bei Säuglingen unter drei Monaten gilt auch eine Körpertemperatur über 38 °C beziehungsweise bei älteren Babys und Kindern ab 39 °C als Warnsignal. Der Notruf ist zu wählen, wenn das Kind Schwierigkeiten beim Atmen oder Atemaussetzer hat, sich Haut, Zunge oder Lippen blau färben, das Kind schlaff ist oder sich nicht aufwecken lässt.