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»Wir wollen nicht mehr nur übers Sparen sprechen«

Deutschlands Schlüsselindustrien kriseln. Massiver Jobabbau droht in der Autobranche, auch der Stahlsektor schwächelt. Wie es der Pharmaindustrie geht und worauf eine neue Bundesregierung besonderes Augenmerk legen sollte, erklärt Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin von Deutschlands mitgliederstärkstem Pharmaverband Pharma Deutschland, im PZ-Interview.
Cornelia Dölger
04.12.2024  14:50 Uhr

PZ: Verschärfter internationaler Wettbewerb, Exportschwäche, hohe Energiepreise, Inflation, Fachkräftemangel – für die Krise der Schlüsselindustrien Automobil und Stahl gibt es viele Ursachen. Wie steht es um die Pharmabranche?

Brakmann: Die Situation der Branche lässt sich als Kette ungenutzter Chancen beschreiben. Die vor einem Jahr vorgestellte Pharmastrategie hat viele richtige Ansätze formuliert, um die Bedingungen für Pharma am Standort Deutschland zu verbessern. Der Prozess ist jetzt durch das Ampel-Aus vollständig zum Erliegen gekommen.

PZ: Mit welchen Folgen für die Pharmabranche?

Brakmann: Unsere größte Sorge ist, dass eine neue Bundesregierung und neue Hausspitzen im Gesundheits- und Wirtschaftsministerium vor lauter Problemen die Chancen nicht sofort erkennen, die eine konsequente Umsetzung der Pharmastrategie bieten würden, und stattdessen wieder in den Reflex kurzfristiger Sparmaßnahmen verfallen.

PZ: Zentrales Ziel der Pharmastrategie ist, Deutschland als Pharmastandort attraktiver zu machen und die Rahmenbedingungen für die Industrie zu verbessern. Der Plan ist langfristig und sollte über eine Legislatur hinaus Bestand haben.

Brakmann: Ja, wir gehen wir davon aus, dass die Stärkung der Pharmabranche als Wirtschaftsfaktor für die Einnahmenseite der Gesetzlichen Krankenversicherung  ein überparteiliches Interesse sein wird und das Thema hoch auf der Agenda jeder neuen Bundesregierung stehen müsste – gerade in der aktuellen Situation, in der die anderen Leitbranchen einbrechen.

PZ: An welchen Stellschrauben müsste die neue Bundesregierung sofort drehen?

Brakmann: Das Bild von den Stellschrauben unterstellt ein mehr oder weniger geschlossenes System, das sich über mehrere Parameter beeinflussen lässt. Wenn dieses Bild für das Gesundheitssystem überhaupt noch zutrifft, dann sollten zumindest nicht die üblichen Stellschrauben gedreht werden.

PZ: Wo sollte stattdessen angesetzt werden?

Brakmann: Wir wollen zum Beispiel nicht mehr nur darüber sprechen, wie man an Arzneimitteln sparen kann. Wir wollen das Thema Selbstmedikation stärker betonen und zeigen, dass es hier einen Weg gibt, mit Arzneimitteln zu sparen und die Kassen zu entlasten.

PZ: An welche Stellschrauben denken Sie noch?

Brakmann: Im Zusammenhang mit dem AMNOG-Verfahren (Anm. d. Redaktion: Gemeint ist das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsverfahren, in dem die frühe Nutzenbewerbung neuer Arzneimittel im Zentrum steht) würden wir gerne mal über den Innovationsbegriff reden. Gut möglich, dass wir als Pharmabranche mitunter etwas inflationär mit dem Begriff Innovation umgehen. Andererseits halte ich es nicht für sehr sinnvoll, nur das als medizinische Innovation anzuerkennen, was ein kompliziertes Verfahren wie das AMNOG mit Tendenz zur sektoralen Kostenoptimierung als Innovation erkennt und welches seit Jahren nicht mehr an den Fortschritt angepasst wurde.

PZ: Wie sollte Innovation stattdessen definiert werden?

Innovationen, die einen zusätzlichen Nutzen bringen, beziehen sich bei immer präziser ansetzenden Therapien auf immer kleinere Patientengruppen. Das AMNOG-Verfahren braucht eine Stellschraube, um auch auf solche Fortschritte fokussieren zu können.

PZ: Welche Risiken sehen Sie für die Pharmabranche?

Brakmann: Gut möglich, dass wir uns in zehn Jahren die Geschichte erzählen, dass die Ende 2024 eingeführte europäische umweltpolitische Richtlinie die Pharmabranche und damit das Gesundheitssystem, wie wir es kennen, umgekrempelt hat.

PZ: Sie meinen die Umsetzung der Kommunalen Abwasserrichtlinie?

Brakmann: Genau. Wenn sie so kommt, wie sie derzeit geplant ist, verteuern sich Arzneimittel der Grundversorgung schlagartig. Nach allem, was wir wissen, geht es jährlich um einen zusätzlichen Kostenfaktor in Milliardenhöhe, der auf die Branche zukommt.

PZ: Die Richtlinie bittet die Verursacher zur Kasse. Zu denen zählt die Pharmaindustrie doch zweifellos.

Brakmann: Aber nicht alleine. Die Gefahr, die Spurenstoffe im Abwasser darstellen, geht weit darüber hinaus, dass Arzneimittelrückständige besser aus dem Abwasser entfernt werden müssen. Wenn es also gut läuft,  erkennt die Politik die Unzulänglichkeit der aktuellen Richtlinie und beendet den Versuch, für die Beseitigung von schädlichen Spurenstoffen aus den Kommunalen Abwässern hauptsächlich die Pharmaindustrie verantwortlich zu machen.

PZ: Wie sähen die Pläne stattdessen aus?

Brakmann: Man wäre dann möglicherweise zu einem Umlagesystem für die zusätzliche Kosten der Abwasserreinigung gekommen, an dem sich alle Verursacher von Spurenstoffeinträgen beteiligen. Das wäre ein Segen für die Wasserqualität, ohne ein Fluch für einzelne Branchen zu sein.

PZ: Ihr Wunsch für die Versorgung der Zukunft?

Brakmann: Was die Versorgung angeht, stehen wir vor medizinischen Durchbrüchen bei neuen Therapien – wenn wir sie denn reinlassen. Mein Wunsch wäre, in zehn Jahren auf Krankheiten zu schauen, die wir dann nicht mehr als Bedrohung wahrnehmen, da sie geheilt werden können oder aber bei guter Lebensqualität chronifiziert wurden.

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