»Wir werden nicht lockerlassen« |
Laura Rudolph |
15.06.2023 09:00 Uhr |
Dr. Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein (links) und Thomas Preis, Präsident des Apothekerverbands Nordrhein, stellten klare Forderungen bei der bundesweit größten Apothekenprotestaktion. / Foto: AVNR/Alois Müller
Mit Trillerpfeifen, kreativ bemalten Kitteln, Plakaten, musikalischer Unterstützung und sogar einem fliegenden Banner machten die mehr als 7500 demonstrierenden Apothekenteammitglieder beim bundesweiten Protesttag am Mittwoch auf dem Burgplatz in der nordrheinwestfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf auf sich aufmerksam.
Die Großdemo ist damit die größte Aktion des bundesweiten Protesttags, zu der der Apothekerverband Nordrhein (AVNR) gemeinsam mit der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) aufgerufen hatten.
»Ich danke Ihnen, dass Sie heute nach Düsseldorf gekommen sind, um unseren berechtigten Forderungen deutlichen Nachdruck zu verleihen«, eröffnete Thomas Preis, Präsident des AVNR, seine Protestbotschaft bei der Kundgebung der Demonstration. »20 Jahre Honorarstillstand – das gibt es in keiner anderen Branche in Deutschland«, betonte Preis. Die Arzneimittelpreisverordnung reiche längst nicht mehr aus, um die Kosten in der Apotheke zu decken und sei mittlerweile als antik zu bezeichnen.
Mehr als 7500 Menschen nahmen an der Protestaktion teil. / Foto: AVNR/Alois Müller
»Mit einer Preisverordnung und Honorierung von gestern können die Apotheken die Herausforderungen von heute kaum bewältigen«. Das sei äußerst kritisch – vor allem aufgrund des demografischen Wandels, der zu immer mehr pharmazeutisch zu versorgenden Patienten führt.
Die zunehmenden Apothekenschließungen und der Fachkräftemangel verstärkten das Problem, wie Preis verdeutlichte: »Die Apothekendichte ist derzeit auf einem Stand wie vor 40 Jahren. Jede Schließung bedeutet mehr Arbeit für die verbleibenden Apotheken – bei faktisch nicht wachsendem Personalstand.« Der deutliche Appell von Preis lautete: »Die rasante Entwicklung der Apothekenschließungen muss beendet werden – und zwar sofort.«
Man kämpfe überdies gegen die mangelnde Wertschätzung seitens der Politik, unangemessene Retaxationen und den »Präqualifizierungswahnsinn« – für eine bessere Patientenversorgung ohne Lieferengpässe.
Zur im Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) vorgesehenen Lieferengpasspauschale von 50 Cent – umgerechnet die Vergütung von etwa einer halben Minute Arbeitszeit einer pharmazeutischen Fachkraft – hat Preis eine klare Meinung: »In welcher Welt leben unsere Politiker in Berlin denn? Herr Lauterbach, gehen Sie endlich in eine Apotheke und lassen Sie sich erklären, was wir tagtäglich leisten müssen.«
Thomas Preis bei der Kundgebung der Großdemonstration / Foto: AVNR/Alois Müller
Bei dem vorgesehenen 50-Cent-Betrag wisse man nicht, ob man lachen oder weinen solle, findet auch Dr. Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR). Er richtete zunächst seine Grußworte an die Demonstranten: »Ich freue mich, dass Sie so zahlreich der Aufforderung zum heutigen Protest nachgekommen sind. Es kann nicht sein, dass die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung immer mehr kaputtgespart wird – deshalb ist es nötig und lohnt sich, laut zu protestieren.«
Die Politik in Berlin müsse endlich verstehen, dass mehr Geld ins System fließen muss. »Lieferengpässe bedeuten etwa, dass hustenden Kindern nicht geholfen werden kann oder lebenswichtige Antibiotika nicht verfügbar sind – und das nur, weil Krankenkassen und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sparen, sparen und sparen wollen.« Wenn es sich für Arzneimittelhersteller nicht mehr lohne, Arzneimittel in Deutschland zu vertreiben, riskiere das Menschenleben.
Hoffmann kritisierte in seiner Protestbotschaft insbesondere die mangelnde Wertschätzung durch die Politik: »In den vergangenen drei Jahren Pandemie haben wir in den Vor-Ort-Apotheken stets gezeigt, dass auf uns Verlass ist – und nun werden wir verlassen.« Es sei an der Zeit, der Bevölkerung und vor allem der Politik klar zu machen, welche Auswirkungen dies auf die Zukunft der Vor-Ort-Apotheken und die Versorgung der Bevölkerung hat.
Trotz ihrer wichtigen Funktion würden die Apotheken weiter finanziell belastet, sei es durch die Inflation, gestiegene Energiekosten oder die Sparpolitik der Bundesregierung. »Alles steigt. Das einzige, das stagniert und sogar sinkt, ist die Honorierung der Apotheken.«
Bezüglich des Faktenblatts, das das BMG am 05. Juni zur »Situation der Apotheken 2023 – Auf einen Blick« veröffentlicht hatte, hat der Kammerpräsident eine klare Meinung: »Wer den Unterschied zwischen Ertrag und Umsatz nicht kennt, dem ist nicht zu helfen. Das BMG nennt es Faktenblatt – ich nenne es ein Armutszeugnis.« Unter den aktuellen Rahmenbedingungen sei es wenig verwunderlich, dass es für Apothekeninhaber immer schwieriger werde, einen Nachfolger zu finden.
Unterstützung erhielt die Protestaktion nicht nur von Apothekenteams, sondern auch von Vertretern der Hausärzte, Patienten und Arzneimittelhersteller, dem pharmazeutischen Großhandel und aus der Landespolitik.
In einer Diskussionsrunde bei der Kundgebung bedauerte Margareta Ewers, Vorsitzende des Bundesverbands der PTA (BVpta), etwa die derzeit schlechten Aufstiegschancen von PTA. Frank Dieckerhoff, Vizepräsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, brachte seine Freude über die hohe Protestbeteiligung der Apothekenteams zum Ausdruck.
Mit allerlei kreativen Plakaten demonstrierten die Apothekenteams. / Foto: AVNR/Alois Müller
Dr. Michael Kuck, Vorstandsvorsitzender des Pharmagroßhändlers Noweda, beleuchtete die Probleme von Pharmagroßhändlern. So sorgten die Lieferengpässe bei diesen etwa zu einem enormen Kommunikationsaufwand, um Apotheken über die Lieferfähigkeit von Arzneimitteln zu informieren.
Dr. Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH), bezeichnete die Lieferengpasssituation als fatal. Die bereits lange geforderte Diversifizierung der Arzneimittelherstellung sei nicht geschehen und resultiere in immer weniger (Generika-)Präparaten auf dem Markt.
Auf den Aspekt des Fachkräftemangels gingen Michelle Pohst, Apothekeninhaberin aus Düsseldorf, und Agah Tzavit-Oglou, angestellter Apotheker aus Köln, ein. Sie betonten, dass der bürokratische Aufwand in Apothekern dringend verringert werden müsse und bessere politische Rahmenbedingungen geschaffen werden müssten, um den Beruf des (selbstständigen) Apothekers wieder attraktiver zu machen.
Auch seitens der Ärzteschaft erhielt der Protest Unterstützung. Dr. Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbands Nordrhein, betonte: »Die Vor-Ort-Apotheken sind Teil eines ganzen Systems, das bei ihrem Zusammenbruch mit ihnen zusammenbrechen würde.« Überdies bedeuteten die andauernden Lieferengpässe auch für Ärzte eine Mehrarbeit und die notgedrungene Umstellung von Medikamenten für den Patienten ein Risiko.
Sabine Härter von der Deutschen Diabetes-Hilfe und Professor Dr. Gaby Flösser, Vorsitzende des Kinderschutzbunds NRW, betonten als Patientenvertreterinnen die Relevanz der Vor-Ort-Apotheken für die Versorgung der Bevölkerung, vor allem mit lebenswichtigen Medikamenten und für Kinder.
Den Optimismus dämpften die gesundheitspolitischen Sprecher Marco Schmitz (CDU) und Thorsten Klute (SPD) von der Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen dezent. Fazit: Man bekomme mit, mit welchen Problemen die Apotheken derzeit zu kämpfen hätten, sei aber nicht in der Position, Versprechungen zu machen beziehungsweise halte es zunächst für unwahrscheinlich, dass das Apothekenhonorar auf 12 Euro erhöht wird. Man bleibe aber im Dialog.
Dies reicht Preis und Hoffmann nicht aus, wie diese in ihren Schlussworten klarstellten. Folgeproteste seien demnach nicht ausgeschlossen. Preis betonte: »Wir brauchen jetzt massive Unterstützung. Wir werden nicht lockerlassen.«