»Wir sitzen in der Warteschleife!« |
Ev Tebroke |
26.06.2025 10:00 Uhr |
Bei der Mitgliederversammlung der Landesapothekerkammer Brandenburg in Potsdam zog Kammerpräsident Jens Dobbert unter anderem Bilanz über die Arbeit der ABDA. / © PZ/Tebroke
Die wirtschaftliche Not der Vor-Ort-Apotheken ist mittlerweile politischer Konsens. Erhöhung und Dynamisierung des Apothekenhonorars sowie bessere Rahmenbedingungen sind als Vorhaben im Koalitionsvertrag verankert. Die Politik hat die Nöte der Apotheken verstanden, jetzt will sie liefern. Dass sie dies verstanden hat, dafür gab es von Kammerpräsident Jens Dobbert großes Lob für die politische Arbeit von Ex-ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening.
»Das, was jetzt im Koalitionsvertrag steht, ist der Großverdienst der intensiven Arbeit von Gabriele Overwiening«, stellte Dobbert bei der Delegiertenversammlung in Potsdam am 25. Juni gleich zu Beginn klar. Er wolle ihr »an dieser Stelle ausdrücklich danken, für ihren unermüdlichen Einsatz für unseren Berufsstand, für ihr Engagement und die unzähligen Gespräche, die sie während ihrer Amtszeit geführt hat. Sie hat unsere Themen in die Bundespolitik getragen, sie hat die Apothekerschaft im politischen Berlin sichtbar gemacht und die Themen, die uns unter den Nägeln brennen, bei der Politik wirkungsvoll platziert. Sie hat der Bundespolitik klar verdeutlicht, wohin die Reise in der Arzneimittelversorgung gehen wird, wenn die Politik jetzt nicht handelt.«
Gleichzeitig kritisierte Dobbert den »innerpolitischen Scherbenhaufen« der ABDA, der am 11. Dezember 2024 aufgrund der Abwahl von Overwiening entstanden war, weil einige Mitglieder gemeint hätten, Overwiening »trotz ihrer erfolgreichen politischen Arbeit einen Denkzettel verpassen zu müssen«. Im Nachgang des Desasters, so Dobbert, sollten sich alle Beteiligten fragen, ob das richtig und fair gewesen sei, was sich vor dem 11. Dezember hinter den Kulissen abgespielt habe.
Der neue ABDA-Präsident Thomas Preis und die neue Vize-Präsidentin Ina Lucas müssten erst einmal beweisen, dass während ihrer Präsidentschaft der von ihnen ausgerufene Neuanfang eintrete. Der innerpolitische Scherbenhaufen müsse von diesem Führungsteam geordnet werden. »Ich habe da meine Zweifel«, so Dobbert. Denn um den Scherbenhaufen wieder zu richten und neue Geschlossenheit zu formen, brauche es mehr, als »schöne Fotos und Kommentare mit Herzchen« auf Social-Media-Plattformen zu posten.
Die Politik habe verstanden, dass es im Bereich der Apotheken mittlerweile 5 nach 12 sei. »Dass das politische Berlin dies verstanden hat, ist der Verdienst einer harten Arbeit der letzten vier Jahre«, so Dobbert.
Bundespolitisch wartet die Apothekerschaft auf die mit dem Koalitionsvertrag angekündigte Apothekenreform. Die Zeit drängt, denn das Apothekensterben der letzten Jahre geht ungebremst weiter. Ende 2024 war die Zahl der Apotheken bundesweit um weitere 530 Apotheken auf dann rund 17.000 Offizinen gesunken, im ersten Quartal 2025 liegt die Zahl bereits unter 17.000. Das sei der stärkste Rückgang seit zwei Jahrzehnten und der niedrigste Stand seit 1978.
In Brandenburg schlossen 2024 insgesamt 15 Apotheken für immer die Tore, damit sank die Zahl Ende 2024 auf 529 Apotheken. Im ersten Quartal 2025 kam eine weitere Schließung hinzu, ab 1.Juli würden noch zwei weitere vom Netz gehen, dann sind es laut Dobbert nur noch 526 Apotheken.
Der Kammerpräsident betonte: Mit jeder Schließung verlängerten sich im ländlichen Raum die Wege, steige die Belastung der verbleibenden Teams, verschlechtere sich insgesamt die Versorgung. »Und es ist keine Besserung in Sicht.«
Die Hoffnung liegt nun auf dem Vorhaben im Koalitionsvertrag, der eine einmalige Honoraranpassung des Fixums auf 9,50 Euro (derzeit 8,35 Euro) vorsieht sowie eine Dynamisierung ab 2027, deren Höhe Vertreter der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und des Deutschen Apothekerverbands (DAV) jährlich aushandeln sollen. Dobbert sieht die Verhandlungslösung als Chance, aber auch als Risiko. Denn zu oft, zuletzt bei der Vergütungsfrage der Pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL), musste die Schiedsstelle entscheiden. Weitere Vorhaben der Koalitionäre sind unter anderem Aufhebung der Skonto-Deckelung, Stärkung der heilberuflichen Kompetenz, Abbau von Bürokratie und ein Verbot von Nullretaxationen.
Die Frage ist nur, wann kommt die Apothekenreform? Zuletzt hatte auch die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) auf eine schnelle Umsetzung der Apothekenreform gedrängt. Und Brandenburgs Gesundheitsministerin Britta Müller (parteilos) hatte einen GMK-Beschluss für einen Antrag zur besseren Finanzierung von pDL erwirkt. Aber wie die konkrete Umsetzung der Reformpläne aussehen wird, wann sie kommt, ist noch unklar. Dobbert unterstreicht, der Koalitionsplan stehe explizit »unter Finanzierungsvorbehalt«. Und wieviel Geld wohin fließen wird, bleibe auch mit dem nun vorgelegten Haushaltsentwurf zur Verteilung des Sondervermögens Infrastruktur derzeit noch »Kaffeesatzleserei«. »Wir sitzen in der Warteschleife«, so das Resümee des Kammerpräsidenten.
Viel Geduld braucht es seit Jahren auch beim Thema Pharmaziestudium in Brandenburg. Landespolitisch hofft die Apothekerschaft nach wie vor auf die Umsetzung eines Studienstandorts Pharmazie an der BTU Cottbus. Seit mehr als 13 Jahren steht das Vorhaben auf der Agenda der Apothekerkammer. Im vergangenen Jahr hatte es dann endlich Hoffnung auf eine baldige Umsetzung gegeben. Eine länderübergreifende Fachgruppe hatte ein Konzept zur Umsetzung eines Studiengangs Pharmazie an der BTU Cottbus erarbeitet und den Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg als Entscheidungshilfe vorgelegt. »Die zehn Seiten liegen in den Staatskanzleien«, so Dobbert. Gehört habe man vom Brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) diesbezüglich nichts.
Ein entsprechender Antrag der CDU zur Umsetzung, der den Start für einen entsprechenden Studiengang an der BTU zum Wintersemester 2028/2029 vorsah, sei im Landtag mit den Stimmen von SPD und BSW abgelehnt worden – obwohl die Vorgespräche mit Vertretern aller Parteien durchweg positiv gewesen seien, so Dobbert. »Das ist leider Politik.«
Bislang habe die SPD außer den in Koalitionsverträgen der zurückliegenden Landeregierungen verankerten Prüfaufträgen für einen möglichen Pharmaziestandort im Land Brandenburg keine klare Position bezogen. Der Prüfauftrag stehe auch aktuell im Koalitionsvertrag von SPD und BSW. Zudem sei erstmals eine Wertschätzung des apothekerlichen Berufsstands enthalten. »Das ist prima und freut uns!«, so Dobbert. »Aber es ist Zeit, dass die Landesregierung endlich mal Farbe bekennt, bekennen muss: Wollen wir politisch einen Studiengang Pharmazie in Brandenburg, oder wollen wir diesen nicht.«
Was die Kammerarbeit betrifft, so erinnerte Dobbert an die im nächsten Jahr anstehenden Neuwahl der Kammerversammlung. Er bat die Anwesenden, sich umzuhören, wer sich unter den Kolleginnen und Kollegen in der nächsten Kammerperiode von 2026 bis 2031 um die Belange der Apothekerschaft kümmern möchte. »Es braucht engagierte Kollegen«, schloss der Kammerpräsident.