»Wir sind bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen« |
Lukas Brockfeld |
14.05.2025 10:46 Uhr |
Hans-Peter Hubmann sprach beim DAV-Wirtschaftsforum. / © DAV-Wirtschaftsforum / André Wagenzik
»Es ist mir eine große Freude, Sie auch in diesem Jahr wieder zum DAV-Wirtschaftsforum begrüßen zu dürfen. Die Zeit dafür könnte kaum besser sein, denn die neue Bundesregierung hat gerade ihre Arbeit aufgenommen«, sagte Hans-Peter Hubmann zur Eröffnung des DAV-Wirtschaftsforums in Berlin. Im Anschluss sprach er ausführlich über die großen Herausforderungen, mit denen die Politik und die Apothekerschaft konfrontiert seien.
Der 6. November 2024 war für den DAV-Vorsitzenden ein Wendepunkt. An diesem Tag wurde Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt und in Deutschland platzte die Ampelkoalition. Für die Apothekerschaft sei der Tag auch das Ende der »herausfordernden« Jahre mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gewesen.
»Anstatt die Apotheken als wesentlichen Teil der ambulanten Gesundheitsversorgung zu stärken, blieben die von uns immer wieder vorgetragenen Probleme weitgehend unberücksichtigt. Und das groß angekündigte Apothekenreformgesetz hätte durch die Einführung der Apotheke ohne Apothekerinnen und Apotheker die bewährte Struktur der Arzneimittelversorgung in unserem Land unwiederbringlich zerstört. Glücklicherweise erreichte dieser Entwurf aufgrund unserer gemeinsamen Proteste und des Widerstands der FDP keine Gesetzesreife«, so Hubmann.
Die neue Bundesregierung und ihren Koalitionsvertrag, der konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Apotheken beschreibt, beurteilte Hubmann positiver. »Das ist aus unserer Sicht ein guter Anfang, eine solide Grundlage, auf der wir gemeinsam mit den neuen politischen Verantwortlichen die Arzneimittelversorgung durch Vor-Ort-Apotheken für die Menschen in unserem Land für die Zukunft sicher aufstellen wollen«, so der DAV-Vorsitzende. Er blicke freudig und optimistisch auf die Zusammenarbeit mit der neuen Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU).
Doch im Augenblick sei die Lage der Apotheken unverändert ernst. Noch immer kämpften die Offizinen mit Lieferengpässen, Bürokratie und Relaxationen. Auch das Apothekensterben setze sich ungebremst fort. »Immer mehr Apotheken müssen schließen – und das nicht, weil es an Patientinnen und Patienten, Kunden oder an Arbeit mangelt. Im Gegenteil, viele Kolleginnen und Kollegen arbeiten bereits am Limit und mit jeder Apotheke, die schließen muss, steigt die Arbeitsbelastung in den verbleibenden Apotheken weiter an. Im vergangenen Jahr wurde ein neuer trauriger Rekord erreicht – 530 Apotheken mussten für immer schließen. So kann es, so darf es nicht weitergehen«, rief Hubmann.
Die Apothekerinnen und Apotheker hätten aufgrund dieser Missstände in den vergangenen Jahren immer wieder das Gespräch mit der Politik gesucht. Das habe etwas bewirkt. Es sei ein Erfolg, dass der Koalitionsvertrag ein klares Bekenntnis zum Apothekerberuf als Heilberuf und konkrete Maßnahmen zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage der Apotheken enthalte. Auch Pläne wie die Abschaffung von Nullretaxationen aufgrund von Formfehlern und bürokratische Erleichterungen wurden von Hubmann begrüßt.
»Aus unserer Sicht längst überfällig ist der Aufbau von Strukturen für Präventionsleistungen in den Vor-Ort-Apotheken. Lange ist dies insbesondere von den Krankenkassen äußerst kritisch gesehen worden. Auch hier dürfte die Pandemie zu einem Umdenken beigetragen haben«, freute sich Hubmann. Die Apotheken seien aufgrund ihrer Kompetenz und ihrer Erreichbarkeit für solche Angebote prädestiniert.
»Es ist gut, dass der Koalitionsvertrag sehr konkrete Maßnahmen zur Stabilisierung und Weiterentwicklung der Vor-Ort-Apotheken vorsieht. Das ist ein gemeinsamer Erfolg aller Kolleginnen und Kollegen und der vielen Menschen, die mit großer Leidenschaft in unseren Apotheken arbeiten und sich für die Versorgung ihrer Kundinnen und Kunden vor Ort einsetzen«, sagte der DAV-Vorsitzende in Richtung des Publikums. »Wir alle – Sie alle haben in den vergangenen Jahren viel Aufklärungsarbeit geleistet und die Menschen und viele Politikerinnen und Politiker haben verstanden!«
Der DAV-Vorsitzende sprach im Anschluss über die Digitalisierung und über die elektronische Patientenakte (EPA), die aktuell in ganz Deutschland eingeführt wird. Auch hier seien die Apotheken für viele Menschen der erste Ansprechpartner. »Um es klar zu sagen: Apotheken können durch Patientennähe für die Akzeptanz und die Nutzung digitaler Anwendungen im Gesundheitswesen einen wesentlichen Beitrag leisten – wenn der damit verbundene Aufwand angemessen vergütet wird. Sie alle erinnern sich sicher an die COVID-19-Impfzertifikate, die millionenfach in Apotheken ausgestellt wurden«, sagte Hubmann.
Die Digitalisierung der Apotheken müsse auch weitere Bereiche betreffen. Man müsse auch Angebote für Menschen schaffen, die ihre Medikamente bevorzugt online bestellen – auch wenn diese nicht immer sofort von den Patienten angenommen würden. »Wer, wenn nicht wir Apothekerinnen und Apotheker sollten definieren, welche unserer Tätigkeiten digital delegiert werden können und welche Leistungen auch in Zukunft – gegebenenfalls mit digitaler Unterstützung – zwingend von Menschen für Menschen erbracht werden müssen«, fragte der DAV-Vorsitzende.
Abschließend kam Hubmann auch auf das kürzlich vorgestellte Konzept der »Apotheke der Zukunft« zu sprechen. Das Papier sei ein »Angebot an die Gesellschaft«, mit dem die Apotheken deutlich sagten, dass sie bereit seien mehr Verantwortung zu übernehmen. »Wir sehen jeden Tag, wo es brennt: überfüllte Notaufnahmen und Bereitschaftspraxen, anhaltende Lieferengpässe, eine alternde Bevölkerung, die auf eine verlässliche Versorgung angewiesen ist. Und wir wissen: Wir können helfen. Aber wir müssen es auch dürfen«, erklärte der DAV-Vorsitzende.
Die Apotheken bräuchten dafür allerdings eine faire und leistungsorientierte Honorierung. »Gemeinsam mit politischen Entscheidungsträgern, anderen Gesundheitsprofessionen und Patientinnen und Patienten wollen wir eine patientengerechte Gesundheitsversorgung gestalten. In eine gesunde Zukunft mit der Apotheke – das ist unser Weg. Und wir laden Sie alle ein, ihn mit uns zu gehen«, so Hubmann.
Der DAV-Vorsitzende sprach auch über die angespannte finanzielle Situation im Gesundheitswesen und das Milliardendefizit der Krankenkassen. Die Apotheken könnten dabei helfen unnötige Ausgaben zu vermeiden. »Mithilfe pharmazeutischer Betreuung und pharmazeutischen Dienstleistungen können Apotheken vor Ort dazu beitragen, unnötige Arztkontakte zu vermeiden. Durch präventive Angebote werden Erkrankungen frühzeitig erkannt, was Folgekosten an anderer Stelle vermeidet«, erklärte Hubmann.
Neben den bereits beschriebenen Problemen sei das Gesundheitswesen außerdem mit der schwierigen geopolitischen Lage bedroht, insbesondere durch die Zollpolitik der USA. Angesichts der Unsicherheit seien die Apotheken jetzt gefragt. »Als wichtige Grundpfeiler unseres Gesundheitswesens können wir Apothekerinnen und Apotheker dazu beitragen, das Vertrauen in die soziale Sicherheit in unserem Land zu stärken. Was wir in erster Linie dafür brauchen, sind verlässliche politische Rahmenbedingungen. Wir sind bereit, mehr Verantwortung für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu übernehmen«, sagte der DAV-Vorsitzende.
»Deutschland braucht ein starkes und verlässliches Gesundheitssystem! Und dafür braucht es starke Apotheken. Gehen wir es zusammen an! Die Zeit dafür ist jetzt!«, sagte Hubmann am Ende seiner Rede.