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Infectopharm

»Wir mussten ein Zeichen setzen«

Bei einigen Antibiotika-Präparaten für Kinder der Firma Infectopharm müssen Eltern in der Apotheke jetzt Aufzahlungen leisten. Der Hersteller hatte die Preise über Festbetrag erhöht, um ein politisches Zeichen zu setzen. Im PZ-Interview erläutert Geschäftsführer Philipp Zöller, warum das Festbetragssystem aus seiner Sicht dringend reformiert werden müsste.
AutorKontaktBenjamin Rohrer
Datum 15.12.2022  10:30 Uhr

PZ: Herr Zöller, auf der Versorgung mit Kinderarzneimitteln und dort vorkommenden Engpässen liegt derzeit ein Fokus. Einer der Schwerpunkte von Infectopharm sind pädiatrische Präparate. Sind die Kinderarzneimittel wirklich besonders schwer von Lieferausfällen betroffen?

Zöller: Ja, aber nicht zwangsläufig schwerer als andere Arzneimittel Alle thematisieren derzeit die mangelnde Lieferfähigkeit von Fiebersäften, dabei haben wir bei so vielen Substanzen große, systematische Probleme, die derzeit alle aufeinandertreffen.

PZ: Was meinen Sie?

Zöller: Es wäre leicht, wenn ich mich jetzt ausschließlich auf die Kostenstruktur und Preisbildung im Generikabereich berufe, die teils ruinös ist und zu einer immer stärker ausgeprägten Marktkonzentration geführt hat. Es gibt noch viel mehr Gründe für die derzeitige Situation. Beispielsweise müssen wir mit volatilen Bedarfen leben. In der Pandemie waren die Bedarfe – insbesondere im Antibiotikabereich – niedriger. Jetzt werden die Präparate häufiger nachgefragt als vor der Pandemie. Hinzu kommen gestiegene Produktionskosten – auch bei Zulieferern. Wir bekommen derzeit nur schwer Blister-Material, Papier für die Umkartons, bedruckte Tuben oder Flaschen – all das führt zu Wartezeiten, schlimmstenfalls auch dazu, dass Anbieter sich aus dem Markt zurückziehen.

Antibiotika-Wirkstoffe werden verlässlich geliefert

PZ: Das klingt aber nicht so, dass Sie Probleme damit hätten, ausreichend Wirkstoff zu bekommen…

Zöller: Ein Arzneimittel besteht aus mehr als nur dem Wirkstoff. Gerade in der Antibiotikaversorgung haben wir zuverlässige Lieferanten, die sogar größtenteils in Europa produzieren. Aber auch die dahinterstehenden Konzerne kommunizieren inzwischen, dass sie mit Blick auf die Kostenentwicklung die Produktion nicht mehr wirtschaftlich darstellen können.

PZ: Viele von Ihren Präparaten sind durch Festbeträge, die vom GKV-Spitzenverband eigenhändig angepasst werden, im Preis reguliert. Sie haben sich kürzlich dazu entschlossen, die Preise aller antibiotischen Präparate über Festbetrag anzuheben. Viele Eltern müssen in der Apotheke nun aufzahlen. Gab es schon Reaktionen?

Zöller: Bislang haben wir ausschließlich verständnisvolle Reaktionen erhalten. Tatsächlich ist es für die Kinderärzte, Apotheken und Familien viel wichtiger, dass ein Arzneimittel überhaupt verfügbar ist. Die Aufzahlung von weniger als vier Euro ließe sich abwägen mit den Kosten, die aktuell dadurch verursacht werden, dass Familien kilometerweit verschiedene Apotheken anfahren, um ein notwendiges Antibiotikum zu erhalten. Auch erheblich ist der Mehraufwand in den Apotheken, die Alternativen prüfen, bei Herstellern anrufen und eventuell mit dem Arzt die Therapie auf umstellen müssen. Aber natürlich bedauern wir die nun notwendige Aufzahlung für Familien. Diese Entscheidung haben wir uns nicht leicht gemacht, sie war aber unumgänglich. Bei Amoxicillin ist der Festbetrag beispielsweise schon viermal abgesenkt worden. Hinzu kommt der Generika-Abschlag von 10 Prozent, den wir zahlen müssen. Letztlich bleibt ein Herstellerabgabepreis von netto 1,65 Euro für einen Saft mit der geringsten Wirkstärke für Kinder. In der Summe haben wir mit unserer Entscheidung in einigen Bereichen Selbstmord begangen.

»Wir werden bei einigen Produkten keine Packungen mehr verkaufen«

PZ: Wie meinen Sie das?

Zöller: Die Preiserhöhung betrifft 15 Produkte. Elf davon sind durch Präparate von anderen Herstellern austauschbar. Sollten die aufzahlungsfreien Produkte lieferfähig sein, werden diese präferiert – wir werden dort keine Packung mehr verkaufen. Unabhängig von diesen Umsätzen sind und bleiben wir dennoch ein hoch profitables Unternehmen. Wir verdienen unser Geld mit OTC-Produkten, Innovationen und der Internationalisierung. Die Preiserhöhung unserer Antibiotika ist ein Zeichen, damit die Politik und der GKV-Spitzenverband verstehen, dass das Festbetragssystem so nicht weiter betrieben werden kann und dass mehrere Preisregulierungsmaßnahmen gleichzeitig dafür sorgen, dass gefährliche Preisspiralen entstehen.

PZ: Welche sind das?

Zöller: Es gibt beispielsweise die Regel, dass ein Präparat zuzahlungsfrei abgegeben werden kann, wenn der Hersteller es mindestens 30 Prozent unter Festbetrag anbietet. Das führt dazu, dass immer mindestens ein Hersteller unter dieser Marke liegt, um bevorzugt abgegeben zu werden. Das wiederum interpretiert der GKV-Spitzenverband als Wirtschaftlichkeitsreserve und senkt den Festbetrag weiter ab. Diese Regelung ist desaströs.

Aufhebung der Festbeträge wäre auch gefährlich

PZ: Also wünschen Sie sich die komplette Aufhebung des Festbetragssystems?

Zöller: Nein, hier entstünde sonst das nächste Problem. Inzwischen haben alle Hersteller Angst davor, dass Festbetragsgruppen aufgelöst werden, weil dann automatisch das Preismoratorium greift und somit die Preise umgesetzt werden, die 2009 galten. Als Hersteller hätte man dann gar nicht mehr die Möglichkeit, den Preis anzuheben. Zusätzlich müssten wir dann auch noch den Herstellerabschlag bei solitären Präparaten zahlen, der gerade von 7 auf 12 Prozent angehoben wurde. Unsere Antibiotika sind aber generisch, daher zahlen wir aktuell schon einen Generikarabatt von 10 Prozent, im Falle der Aufhebung des Festbetrags würden weitere 6 Prozent sprich dann 16 Prozent erhoben. Aber auch der Rahmenvertrag zwischen Apotheken und der GKV ist ein Problem.

PZ: Warum?

Zöller: Apotheken müssen bei Arzneimitteln, die nicht in Rabattverträgen geregelt sind, immer eines der vier preisgünstigsten abgeben müssen. Das führt dazu, dass in einer Festbetragsgruppe immer ein Unternehmen den Preis senkt. Der GKV-Spitzenverband sieht auch das als Wirtschaftlichkeitsreserve und passt den Preis auf das Niveau des günstigsten Anbieters an – und schon geht die Abwärtsspirale von vorne los.

Zöller fordert Inflationsausgleich

PZ: Sollten die Festbeträge einfach eingefroren werden? Oder was schlagen Sie vor?

Zöller: Arzneimittel können nicht zu Preisen unter drei Euro angeboten werden. Bei diesen Beträgen sieht man seit Jahren, dass alle Anbieter auf oder über Festbetrag liegen und sich schließlich aus dem Markt zurückziehen. Das Mindeste wäre ein Inflationsausgleich für alle Festbetragsgruppen. Preise, die niemals nach oben korrigiert werden, sind irgendwann nicht mehr auskömmlich. Wenn Hersteller Präparate unterhalb des Festbetrags anbieten, dann entstehen der GKV auch keine Mehrkosten, wenn der Festbetrag um wenige Prozent angehoben wird.

PZ: Der Gesetzgeber hat zuletzt neue und höhere Preisrabatte für den Pharma-Bereich beschlossen. Sehen Sie überhaupt Gesprächsbereitschaft seitens der Politik?

Zöller: Ja, wir sprechen mit dem Gesetzgeber und auch mit den Kassen. Prof. Lauterbach hat die Situation trefflich beschrieben, indem er sagte, dass die Ökonomie bei generischen Wirkstoffen zu weit getrieben wurde. Wir hoffen, die Politik bezieht beim geplanten Generika-Gesetz auch die Industrie mit ein.

»Wir müssen auch Überregulierung abbauen«

PZ: Nach der Pandemie stehen die Zeichen aber auf Sparen. Warum sollte die Politik gerade im Pharma-Bereich finanzielle Zugeständnisse machen?

Zöller: Es geht nicht immer nur ums Geld. Es wäre auch wichtig, Überregulierung abzubauen. Ein Beispiel: Wir produzieren und vertreiben als einziges Unternehmen in Deutschland ein Produkt, das aktuell nicht verfügbar und als versorgungskritisch eingestuft ist. Durch den Wegfall eines Zulieferers musste ein Aroma ausgetauscht werden. Die inzwischen produzierte neue Ware dürften wir aber eigentlich drei Monate lang nicht verkaufen, so lange, bis sicher ist, dass das Produkt stabil bleibt. Eine sinnvolle Regelung, die im Akutfall aber hinderlich ist. Mit den Behörden konnten wir aber immerhin eine Lösung finden, die uns ermöglicht, das Präparat zur Verfügung zu stellen und die Qualität sicherzustellen.

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