»Wir müssen etwas tun, um die Versorgung zu sichern« |
Georg Engel, Präsident der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, begrüßte die Teilnehmer des Apothekertages Mecklenburg-Vorpommern in Warnemünde und skizzierte die Probleme der Apothekerschaft. / Foto: PZ/Anne Orth
In seiner Rede zur Eröffnung des Apothekertages Mecklenburg-Vorpommern lobte Kammerpräsident Georg Engel den Einsatz der Kolleginnen und Kollegen während der Pandemie. Sie hätten es geschafft, die Betriebe offenzuhalten. Sie hätten ad hoc Desinfektionsmittel hergestellt, Masken verteilt, Testzentren aufgebaut und betrieben sowie Impfzertifikate digitalisiert. »Dafür haben wir Dank und Lob von der Bevölkerung und der Regierung bekommen. Darüber freuen wir uns«, sagte Engel.
Der Kammerpräsident wies darauf hin, dass auf das Gesundheitswesen in den nächsten Jahren große Probleme zukämen und erhebliche Defizite zu erwarten seien. Angesichts des Ärztemangels sei zu überlegen, ob Apotheken in der Fläche nicht noch stärker unterstützen und weitere Aufgaben übernehmen könnten. »Apotheker sind die akademischen Heilberufler, die von der Bevölkerung zeitnah und niederschwellig erreicht werden können«, betonte Engel. Sie könnten beispielsweise eine aktive Rolle bei der Prävention zur Förderung gesunder Verhaltensweisen übernehmen und Wiederholungsverordnungen für chronisch Kranke ausstellen. Vorstellbar sei auch, dass Apotheker in Abstimmung mit dem Hausarzt im Rahmen definierter Handlungsvorgaben insbesondere bei Versorgungsengpässen geeignete Medikamente auswählen und abgeben könnten.
Das zweite große Problem sei die Finanzierung der Kosten. »Wenn es um Einsparungen geht, dann fallen der Politik immer als Erstes die Pharmahersteller und die Apotheker ein«, kritisierte Engel. Dabei sei der Anteil der Apotheken an den Arzneimittelkosten gering. Außerdem brauche jeder Arzneimittelhersteller und auch jede Apotheke eine gewisse Rendite. In diesem Zusammenhang ging der Kammerpräsident auf die finanziellen Rahmenbedingungen der Apotheken ein. Seit Jahren bleibe die Vergütung hinter allen Messzahlen zurück. Gleichzeitig müssten die Inhaber höhere Tariflöhne und gestiegene Energiekosten bewältigen.
Engel kritisierte, dass nun mit dem GKV-Spargesetz auch noch der Apothekenabschlag zwei Jahre lang von 1,77 auf 2 Euro erhöht wird. Das bedeute in der Summe eine Kürzung des Honorars um etwa 140 Millionen Euro. »Die Apotheker haben sich in der Pandemie krumm gemacht, und jetzt müssen sie Einbußen hinnehmen«, bemängelte Engel. Die Diskrepanz zwischen gesunkenen Einnahmen und höheren Belastungen führten dazu, dass immer weniger Pharmazeuten Lust hätten, eine Apotheke zu eröffnen oder zu leiten. Die Folge sei, dass die Zahl der Apotheken auf unter 380 gesunken sei. »Wir sind in einer Situation, in der wir etwas tun müssen, um die Versorgung mit Arzneimitteln in Mecklenburg-Vorpommern weiterhin zu sichern«, betonte der Kammerpräsident.
Dass es zunehmend schwierig ist, die Versorgung der Bevölkerung in der Fläche sicherzustellen, wurde auch in den anschließenden Impulsvorträgen der gesundheitspolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen sowie während der Podiumsdiskussion deutlich. Dabei unterschieden sich die Lösungsansätze der eingeladenen Politiker.
»Alle Menschen in Mecklenburg-Vorpommern sollen sich auf eine gute Versorgung verlassen können«. Mit diesen Worten machte Christine Klingohr, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD im Landtag, zu Beginn ihres Impulsvortrags ihren Anspruch deutlich. Diesen einzulösen, sei allerdings schwierig, da das Land vor gewaltigen Herausforderungen stehe. Auch die Apotheken blieben davon nicht unberührt. Die Probleme seien auch strukturell bedingt. So habe Mecklenburg-Vorpommern eine der geringsten Bevölkerungsdichten in Deutschland. Der demographische Wandel und der Geburtenrückgang träfen das Land daher besonders hart. »Wir müssen dem Fachkräftemangel mit aller Kraft entgegenwirken und eine gute Versorgung mit Arzneimitteln sichern«, betonte Klingohr.
Christine Klingohr, Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion für Senioren-, Sozial- und Gesundheitspolitik, bei ihrem Impulsvortrag. / Foto: Armin Noeske
Wie die übrigen Politiker, die an der Veranstaltung teilnahmen, bedankte sie sich für das große Engagement und die wichtige Rolle der Apothekerinnen und Apotheker in der Pandemie. »Es hat sich sehr deutlich gezeigt, dass Pharmazeuten mehr Aufgaben übernehmen können und wollen«, so Klingohr. Sie könne sich beispielsweise vorstellen, dass Apotheker ihre Beratungstätigkeit noch weiter ausbauen könnten. Dadurch könnten sie gerade in ländlichen Gegenden das hausärztliche Angebot ergänzen. Entscheidend sei dafür, das notwendige Fachpersonal zu gewinnen. So müsse dafür gesorgt werden, dass mehr Pharmazeutisch-technische Angestellte ausgebildet würden. Sie versprach, sich dafür einzusetzen, dass angehende PTA künftig kein Schulgeld mehr zahlen müssten.
»Wir müssen neue Wege gehen und neue Strukturen ausprobieren«, hob Klingohr hervor. So wolle das Land regionale Gesundheitszentren aufbauen, in denen »wir auch mit den Apotheken in den Austausch gehen wollen«, kündigte sie an. Die SPD-Politikerin appellierte an die Apotheker, sich daran zu beteiligen. »Letztendlich sind wir alle in einem Boot. Ich würde gerne zusammen mit Ihnen einen gemeinsamen Weg finden.«
Als Vertreter der AfD nahm Thomas de Jesus Fernandes am Apothekertag teil. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecher für Sport, Soziales, Medien und Gesundheit kündigte an, er wolle sich dafür einsetzen, dass die Arzneimittelproduktion wieder nach Deutschland geholt werde. Zudem sei es wichtig, die Ausbildung von Pharmazeuten und PTA zu fördern, um den nötigen Nachwuchs auszubilden und so dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Harry Glawe, sozialpolitischer Sprecher der CDU in Schwerin. / Foto: Armin Noeske
Die Versorgung in ländlichen Regionen in Mecklenburg-Vorpommern könne bereits jetzt nicht mehr rund um die Uhr sichergestellt werden – diese Ansicht äußerte Harry Glawe, sozial- und pflegepolitischer Sprecher der CDU. »Wir brauchen die Apotheken, auch, um die Notfallversorgung sicherzustellen«, betonte Glawe und sprach sich für eine bessere Entlohnung der Pharmazeuten aus. Die Vergütung müsse auskömmlich sein. In seinem Vortrag befasste sich Glawe auch mit der Ausbildung und forderte, für die Fächer Pharmazie und Medizin mehr Studienplätze bereitzustellen. Um die Versorgung zu sichern, müsse zudem geprüft werden, welche Aufgaben die Apotheken noch übernehmen könnten. Prävention und Vorsorge müssten einen höheren Stellenwert erhalten. Darüber hinaus setzte sich der CDU-Politiker dafür ein, mehr in die Forschung zu investieren und dafür zu sorgen, dass auch in Deutschland Antibiotika hergestellt würden.
Torsten Koplin, parlamentarischer Geschäftsführer sowie Sprecher für Finanz-, Gesundheits- und Steuerpolitik der Linken, sprach sich in seinem Impulsvortrag dafür aus, das System der solidarischen Krankenversicherung auf »neue Füße« zu stellen. Er schlug vor, die Einnahmesituation der Krankenkassen zu verbessern, indem Selbstständige mit einbezogen würden. Lediglich bei den Apothekern etwas einzusparen, greife zu kurz. »Wir müssen die Unternehmen mit ins Boot holen, um die gesetzliche Krankenversicherung zu stabilisieren.« Alle Einkunftsarten müssten herangezogen werden. Zudem müssten für die Bezieher von Arbeitslosengeld-2 die tatsächlichen Kosten übernommen werden.
Koplin ging auch auf den Fachkräftemangel ein. Das sei auch eines der Handlungsfelder, mit denen sich derzeit eine Expertenkommission der Landesregierung befasse. Erste Ergebnisse will die Kommission, in der sich etwa 60 Experten engagieren, im Februar 2023 präsentieren. Nach Ansicht des Linken-Politikers sind 408 Studienplätze für Humanmedizin nicht ausreichend. Dass junge Menschen für eine Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin Geld auf den Tisch legen müssten, sei ein »Widersinn«. »Wir werden Überlegungen vorstellen, wie wir diese Situation ändern können«, kündigte Koplin an.
»Die Honorare der Apotheker entsprechen nicht mehr der aktuellen Entwicklung« – das machte Dr. Harald Terpe in seinem Vortrag deutlich. Nach Ansicht des Fraktionsvorsitzenden und gesundheitspolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen müsse darüber diskutiert werden, wie die Honorare der Apotheker steigen könnten. Schließlich seien Apotheker Heilberufler, und das Honorar sei ihre Haupteinnahmequelle. Die Situation in Mecklenburg-Vorpommern sei besonders, beschrieb Terpe; aufgrund des hohen Altersdurchschnittes im Land gebe es eine hohe Nachfrage nach Medikamenten.
Der Grünen-Politiker formulierte die These, dass die Gesundheitsversorgung – auch mit Arzneimitteln – eine Frage der Daseinsvorsorge sei. Zugleich gelte für Apotheker die Niederlassungsfreiheit. »Wir werden erleben, dass wir aus Gründen der Daseinsvorsorge darüber sprechen müssen, dass wir künftig inhabergeführte Sicherstellungszuschläge für Apotheken zahlen.« Außerdem sprach sich Terpe dafür aus, die Zahl der Studienplätze zu erhöhen, um den demographischen Wandel auszugleichen, und die pharmazeutische Herstellung wieder nach Europa zu holen.
Barbara Becker-Hornickel, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern. / Foto: Armin Noeske
»Es wird immer ein Ärztemangel beklagt. Dabei gibt es auch einen Apothekermangel«, betonte Barbara Becker-Hornickel, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP. Das Schulgeld für angehende PTA müsse abgeschafft werden. Auch über das Honorar der Apotheker müsse gesprochen werden. Die FDP wolle allen Menschen im Land eine wohnortnahe Versorgung bieten, auch mit Arzneimitteln. Lieferengpässe bei Arzneimitteln machten ihr große Sorgen. Becker-Hornickel begrüßte, dass Apotheker durch die pharmazeutischen Dienstleistungen ihr Geschäftsfeld erweitern könnten. Für die Patienten sei es einfacher, in die Apotheke zu gehen, als einen Arzt aufzusuchen.
In Bezug auf die geplante Legalisierung von Genusscannabis, die ihre Partei befürwortet, sagte die FDP-Politikerin: »Wir können uns vorstellen, dass man Apotheken in das Verkaufsnetz einbezieht.« An die Apotheker appellierte sie, offen dafür zu sein. »Wir stehen vor großen Herausforderungen. Wenn wir mutig sind, wenn wir die Digitalisierung und Entbürokratisierung vorantreiben, offen für neue Möglichkeiten sind, können wir die wohnortnahe Versorgung sichern«, schloss Becker-Hornickel ihre Ausführungen ab.
In der anschließenden Podiumsdiskussion erörterten die gesundheitspolitischen Sprecher ebenfalls die Frage, wie die Versorgung im Land auch künftig gesichert werden könne. An welchen Stellschrauben muss gedreht werden, um die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung zu stabilisieren? Wie lässt sich Bürokratie abbauen? Wie wichtig ist Selbstverantwortung der Patienten? Auch zu diesen Fragen äußerten sich die Landespolitiker und machten ihre Vorstellungen deutlich.