»Wir hätten uns mehr Studienplätze gewünscht!« |
Ev Tebroke |
23.11.2022 12:00 Uhr |
Große Nachfrage, wenig Studienkapazitäten: Pharmazeutischer Nachwuchs wird bundesweit händeringend gesucht. Doch beim geplanten Neubau des Pharmazeutischen Instituts in Jena soll es bei den bisherigen 75 Studienplätzen bleiben. Kammerpräsident Schreiber hätte sich mehr gewünscht. / Foto: PZ/Christina Hohmann-Jeddi
Das Pharmaziestudium in Thüringen soll ab 2027 zentral in modernen, neuen Räumlichkeiten erfolgen können. Nach jahrelangen Bemühungen der Apothekerschaft ist der Neubau des Pharmazeutischen Instituts der Friedrich-Schiller-Universität in Jena beschlossene Sache. Dies bestätigte die Landesapothekerkammer Thüringen (LAKT) auf Anfrage der PZ. Demnach hat Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) vergangene Woche eine Neuansiedlung des Instituts für Pharmazie im Bachstraßenareal final bewilligt und die Finanzierung zugesichert. Insgesamt 80 bis 90 Millionen Euro sind somit für den Neubau veranschlagt, der bis 2027 fertiggestellt sein soll. Die Finanzierung erfolgt dabei sowohl aus Landesmitteln als auch aus Fördertöpfen der EU, sprich dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).
Seitens der Kammer ist die Freude über die Zusage naturgemäß groß. Denn das Pharmaziestudium in Thüringen erfolgt seit 30 Jahren in Jena unverändert an vier dezentralen Standorten und unter mittlerweile »unhaltbaren baulichen Zuständen«, so die Kammer. Ein Neubau war demnach überfällig. Gleichzeitig hofft man in Thüringen auf die Strahlkraft für Ausbildung und Lehre, die mit einem modernen Studienstandort einhergehen.
»Der Neubau, also ein neues, modernes Pharmazeutisches Institut, bedeutet verbesserte Bedingungen für Studenten und für die Lehre und Forschung. Darüber freuen wir uns sehr«, so der Präsident der LAKT, Ronald Schreiber. Bedauern äußerte er aber darüber, dass es auch im neuen Institut bei den bisherigen 75 Studienplätzen bleiben soll. Die Kammer habe explizit auf eine deutliche Erhöhung der Kapazitäten gedrängt. »Wir haben uns eine Erhöhung auf 100 Studienplätze gewünscht«, so Schreiber. Denn Fakt sei, dass diese auch dringend gebraucht würden, angesichts des eklatanten Nachwuchsmangels in den Apotheken. Wenn das Institut weiterhin nur Platz für 75 Studierende pro Studienjahr habe, dann reichten die Absolventenzahlen hinten und vorne nicht, hatte Schreiber noch vergangene Woche im Vorfeld der entscheidenden Gespräche mit Tiefensee und Finanzministerin Heike Taubert (SPD) unterstrichen. »Im Grunde ist ein zu kleines Institut ein politisch herbeigeführter Mangel, gerade weil es viel mehr Bewerbungen als Studienplätze gibt.«
Angesichts der Personalnot in den Apotheken und der großen Nachfrage auch in Industrie und Krankenhäusern nach Pharmazeutinnen und Pharmazeuten wäre eine Ausweitung der Studienkapazitäten sehr wünschenswert, betonte Schreiber gegenüber der PZ. Bereits jetzt gebe es in Thüringen auf acht freie Stellen nur eine Bewerbung.
Hinzu kommt, dass sich der Personalmangel in den Apotheken weiter verschärfen wird, da immer mehr Pharmazieingenieure in Rente gehen. Allein in den vergangenen zehn Jahren (2001 bis 2021) mussten nach Kammerangaben mehr als 400 dieser leitungsbefugten Fachkräfte ersetzt werden. Derzeit gibt es in Thüringen noch knapp 600 Pharmazieingenieure, bis spätestens 2036 müssten alle diese Stellen neu besetzt sein. »Wir brauchen dreistellige Absolventenzahlen, um das zu kompensieren«, so auch Kammer-Geschäftsführer Danny Neidel gegenüber der PZ.
Unterstützung für die Forderung der Apothekerschaft nach mehr Studienplätzen kommt vonseiten des Landesgesundheitsministeriums. Die thüringische Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) habe eine Vergrößerung des Instituts ausdrücklich begrüßt, so Schreiber. Zuletzt hatten er und der Vorsitzende des Thüringischen Apothekerverbands (ThAV), Stefan Fink, noch vergangenen Freitag mit Ministerin Werner über das Thema gesprochen.
Der Grund für die Beibehaltung der bisherigen Studienplatzzahl dürfte finanzieller Natur sein. Schreiber vermutet, dass es auch um die laufenden Kosten geht, die mit einer Ausweitung der Studienkapazitäten steigen würden. So habe etwa eine Kostenkalkulation der Friedrich-Schiller-Universität ergeben, dass ein Ausbau der Kapazitäten um einige Studienplätze mehr zu erheblichen dauerhaften jährlichen Mehrkosten führen würde. Mit Blick auf den Haushalt scheint das Land da offensichtlich keinen Spielraum zu sehen. Auch der Hinweis, dass es in anderen Bundesländern zu geringe (Sachsen) oder keine Studienkapazitäten für Pharmazie (Brandenburg) gebe, brachten nichts. Trotz angespannter Lage bei der Suche nach pharmazeutischem Nachwuchs hat die Apothekerschaft hier vergeblich an die Regierung appelliert.
Aber ein neues Institut ist besser als keins. Nun will die Thüringer Apothekerschaft den Planungs- und Bauprozess konstruktiv begleiten, so Schreiber. Und hofft, dass alles wie geplant läuft und das Institut dann 2027 steht. Denn es gelte, Förderzeiträume einzuhalten, gleichzeitig sei aber derzeit in der Baubranche krisenbedingt mit Verzögerungen zu rechnen. »Nach Aussage des Wissenschaftsministeriums muss der komplette Bau im Förderzeitraum abgeschlossen und abgerechnet sein.«
Mit dem Start der Bauphase endet nun ein Jahrzehnte währender Kampf um eine bessere Ausbildungssituation für Pharmaziestudierende in Thüringen. Bereits im Jahr 2000 hatte es eine Zusage vom damals CDU-geführten Wirtschaftsministerium für ein neues Pharmazeutisches Institut in Jena gegeben. Diese Zusage war jedoch kurzfristig aus finanziellen Gründen wieder von der Landesregierung kassiert worden.