»Wir brauchen unsere Struktur« |
Annette Rößler |
07.11.2024 16:18 Uhr |
Thomas Benkert, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK). / © BLAK
Der 6. November 2024 wird vielen Menschen als der Tag in Erinnerung bleiben, an dem die zweite Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident besiegelt wurde. Abends folgte dann in Berlin der Paukenschlag: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entließ Finanzminister Christian Lindner (FDP) und beendete damit die Ampel-Koalition. Zwischendrin fand in München die Delegiertenversammlung der BLAK statt, bei der aber natürlich andere Themen diskutiert wurden.
Thomas Benkert, Präsident der BLAK und der Bundesapothekerkammer (BAK), ließ in seinem Bericht die vergangenen Monate Revue passieren, die berufspolitisch stark von der Debatte um das geplante Apotheken-Reformgesetz (Apo-RG) geprägt waren. Dass die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgesehenen Apotheken ohne zwingende Anwesenheit einer Apothekerin oder eines Apothekers für die Apothekerschaft ein absolutes No-Go sind, ist hinlänglich bekannt. »Das ist für uns der wichtigste Punkt: So lange dieser Passus drinsteht, müssen wir den Reformentwurf ablehnen«, stellte Benkert klar. »Wir brauchen unsere Struktur: In jeder Apotheke muss eine Apothekerin oder einen Apotheker anwesend sein.«
Dass die FDP und Teile der SPD das geplante Gesetz aus diesem Grund ablehnen, sei das Verdienst des gesamten Berufsstands. Die Apothekerinnen und Apotheker hätten in sehr vielen Gesprächen politische Entscheidungsträger sachlich informiert und mit ihren Argumenten überzeugt. Das vorzeitige Aus der Ampel-Koalition lässt es nun noch unwahrscheinlicher erscheinen, dass das Apo-RG noch kommt. Damit scheint allerdings auch eine wie auch immer geartete Honorarerhöhung und der angekündigte Bürokratieabbau in weite Ferne gerückt zu sein.
Benkert verwies auf eine aus seiner Sicht »sensationelle« Resolution der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag vom 17. Oktober, in der diese sich zentrale Forderungen der Apothekerschaft wie die Ablehnung der sogenannten Apotheke light, aber auch das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zu eigen gemacht hatte. »Die bayerische Regierung steht komplett hinter uns und unterstützt uns«, sagte der Kammerpräsident. Sollte die CSU an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein, könnte die Gesetzgebung daher womöglich mehr im Sinne der Apotheker sein.
Eine längere Diskussion löste der Ad-hoc-Antrag von Dr. Matthias Schneider aus Dillingen aus. Dieser bezog sich ebenfalls auf einen Ad-hoc-Antrag, aber einen beim Deutschen Apothekertag (DAT) 2024 in München. Dort hatten mehrere Delegierte gefordert, die beschlossenen Satzungsänderungen der ABDA in bestimmten Punkten zu revidieren, die die Rolle der Hauptversammlung betreffen.
Die entscheidenden Paragrafen der ABDA-Satzung sind hier § 2, der die Hauptversammlung als ein Organ der ABDA nennt, und § 4 Absatz 2, der bislang lautete: »Beschlüsse der Hauptversammlung sind für das Handeln der Bundesvereinigung und ihrer Organe verpflichtend, soweit nicht die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliederversammlung nach § 3 Abs. 2 gegeben ist.« Durch die Satzungsänderung verliert die Hauptversammlung ihren Status als Organ der ABDA und § 4 Absatz 2 wird geändert in: »Beschlüsse der Hauptversammlung sind bei den jeweiligen Entscheidungsfindungen der Organe der Bundesebene sachgerecht zu berücksichtigen.«
Kritiker dieser Änderung fürchten eine Entmachtung der Hauptversammlung und forderten daher in dem Ad-hoc-Antrag beim DAT die ABDA-Mitgliederversammlung auf, dies zu revidieren. Dieser Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen. In Schneiders Antrag, der nun bei der BLAK-Delegiertenversammlung gestellt wurde, wird der Kammervorstand aufgefordert, in der ABDA-Mitgliederversammlung den DAT-Beschluss umzusetzen. »Wir delegitimieren uns selbst, wenn die Hauptversammlung kein Organ der ABDA mehr ist und ihre Beschlüsse nicht mehr bindend sind«, begründete Schneider seinen Antrag unter Applaus.
Benkert und auch Dr. Hans-Peter Hubmann, der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), erklärten den Delegierten die Position der ABDA zu dieser Frage. »Der Umstand, dass die Hauptversammlung nicht mehr ein Organ der ABDA ist, ist praktisch ohne jede Relevanz«, so Benkert. Viel wichtiger sei, dass die Beschlüsse der Hauptversammlung für die berufspolitische Arbeit der ABDA wegweisend seien – und weiterhin blieben. Dies sei der Fall: »Kein Antrag des DAT bleibt unberücksichtigt, wir müssen sie alle behandeln.«
Tatsächlich hätten die Entscheidungen der Hauptversammlung nach der Satzungsänderung sogar mehr politisches Gewicht als zuvor, da sie häufig Bereiche beträfen, für die die Mitgliederversammlung zuständig sei – und damit laut bisheriger Satzung eigentlich hinfällig wären. Für die politische Arbeit im schnellebigen Berlin sei es aber nicht praktikabel, wenn die Beschlüsse der Hauptversammlung für ein Jahr bindend seien. »Es muss eine gewissen Entscheidungsfreiheit geben«, sagte Benkert.
Hubmann ergänzte, dass vonseiten der ABDA kein Interesse daran bestehe, die Hauptversammlung zu entmachten. »Im Gegenteil, es ist das zentrale Gremium der politischen Willensbildung.« Da die ABDA ein eingetragener Verein ist, sei es allerdings bereits heute so, dass die Mitgliederversammlung aus juristischer Sicht der Hauptversammlung übergeordnet sei, weil sie das beschlussfassende Gremium sei. »Nach der alten Rechtslage war teilweise eine Bindungswirkung gegeben, die politisch wirklichkeitsfern war. In den Augen unserer Juristen und auch in meinen ist die Änderung eine Stärkung der Hauptversammlung und keine Schwächung«, sagte der DAV-Vorsitzende.
Sowohl Hubmann als auch Benkert räumten jedoch ein, dass die Hintergründe der Satzungsänderung dem Berufsstand gegenüber »nicht glücklich« kommuniziert worden seien. Letztlich überzeugten die beiden Entscheidungsträger aber offenbar die Delegierten mit ihren Ausführungen, denn der Ad-hoc-Antrag von Schneider wurde schließlich mit knapper Mehrheit abgelehnt.
Bei der BAK steht Ende November die Neuwahl des Geschäftsführenden Vorstandes an. Benkert bestätigte erneut, keine weitere Amtszeit anzustreben. Kandidat für seine Nachfolge im Amt des BAK-Präsidenten ist laut dem kürzlich bekannt gewordenen Wahlaufsatz Dr. Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR).
Hoffmann ist als Head Global Quality Assurance Operations Leverkusen bei Bayer tätig und Vorstandsvorsitzender des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL). Er hielt in der Delegiertenversammlung einen Vortrag über die gegenwärtigen Aufgaben und die Zukunftsperspektiven des ZL. Zu seinen Vorhaben als künftiger BAK-Präsident befragt, sagte er: »Wir müssen die Veränderungen unserer Gesellschaft in die Apothekerschaft hineinbringen.« Der demografische Wandel mit absehbar steigenden Patientenzahlen, gleichzeitig aber weniger berufstätigen Kolleginnen und Kollegen sei eine große Herausforderung für den Berufsstand. Berufspolitisch müssten die Apotheker »schneller werden in unseren Reaktionen«. Hierbei könne die geänderte, verschlankte Struktur der ABDA hilfreich sein.
Weitere Kandidaten für das BAK-Präsidium sind Dr. Hannes Müller (Apothekerkammer Westfalen-Lippe), Dr. Maike Fedders (Apothekerkammer Sachsen), Ina Lucas (Apothekerkammer Berlin) und Franziska Scharpf (Vizepräsidentin der BLAK).
Thomas Benkert (rechts) und Dr. Hans-Peter Hubmann (links) zeichneten Dr. Franz Bracher, emeritierter Professor für Pharmazeutische Chemie an der LMU München, mit dem Ehrenzeichen der Bayerischen Apotheker aus. / © BLAK
Scharpf berichtete über die Kampagne der BLAK zur Nachwuchsgewinnung. Diese habe zwei Ziele: einerseits Schüler für Apothekenberufe zu begeistern und andererseits PTA-Auszubildende und Studierende für die Arbeit in der öffentlichen Apotheke. Sie solle keine Konkurrenz zur ABDA-Kampagne »How to sell drugs offline (fast)« darstellen, sondern diese ergänzen – und bayernspezifisch sein. Das geplante Motto laute daher »Du machst Bayern gesund«. Jedes Apothekenteam sei gefordert, diese Botschaft mitzutransportieren und die Apotheke als Arbeitsplatz attraktiv zu machen.
Apotheken, die bei der Ausbildung von Pharmazeuten im Praktikum (PhiP) bestimmte Standards erfüllen, können sich seit 2022 als »Bayerische Ausbildungsapotheke« zertifizieren lassen. Wie Kathrin Koller, Geschäftsführerin der BLAK, berichtete, tragen zurzeit 148 Apotheken im Freistaat dieses Zertifikat. Da die Zertifikate drei Jahre gültig sind, ist bei denen, die als erste zertifiziert wurden, im kommenden Jahr das erste Update fällig.
»Wir haben das zum Anlass genommen, die betreffenden Apotheken zu befragen, um das Konzept zu evaluieren«, sagte Koller. Es habe zahlreiche positive Rückmeldungen gegeben, etwa, dass das Konzept mehr Struktur in die Ausbildung der PhiP bringe. Allerdings sei die Zertifizierung auch kein »Allheilmittel«, denn die teilnehmenden Apotheken hätten rückgemeldet, dass es dadurch nicht unbedingt leichter geworden sei, Nachwuchs zu finden.
Gleichwohl soll das Konzept jetzt ausgeweitet werden: Die Delegierten nahmen den Antrag an, das Zertifikat »Bayerische Ausbildungsapotheke« künftig auch an Krankenhausapotheken zu vergeben. Es wurden die Mitglieder eine Arbeitsgruppe benannt, die ein entsprechendes Curriculum erarbeiten soll.