»Wir brauchen Nachwuchs für die Standesvertretung« |
Bei einer Veranstaltung sensibilisierte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening jüngere Apothekerinnen und Apotheker für die Besonderheiten der berufspolitischen Arbeit. Rechts ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz. / Foto: PZ/Anne Orth
Fingerspitzengefühl und Beharrlichkeit sind wichtig, um in der berufspolitischen Arbeit für die Apothekerschaft etwas zu erreichen – das machte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening am heutigen Freitag während einer ABDA-Veranstaltung für jüngere Apothekerinnen und Apotheker deutlich. »Wir brauchen Nachwuchs für die Standesvertretung«, sagte Overwiening. Ziel der Veranstaltung sei es daher, jüngeren Apothekerinnen und Apothekern die berufspolitische Arbeit nahezubringen und »Appetit« darauf zu machen, sich selbst in den Gremien zu engagieren. »Wir haben viele tolle Kolleginnen und Kollegen. Diese Talente müssen wir entdecken und sie zu Wort kommen lassen.«
Die ABDA-Präsidentin skizzierte die Besonderheiten und Herausforderungen der berufspolitischen Arbeit. Im Vergleich zu den rund 550.000 Ärztinnen seien die Apotheker mit etwa 70.000 Köpfen ein kleiner Berufsstand. »Wir wollen aber genauso viel Gehör finden«, betonte Overwiening. Um das zu erreichen, müssten die Apotheker wie in der Auseinandersetzung zwischen David und Goliath kreativer und besser vernetzt sein. »Wenn wir geschlossen auftreten, können wir durchaus Erfolg haben«, erläuterte Overwiening.
Dabei sei ihr eine demokratische Streitkultur sehr wichtig. Allerdings sollte die Auseinandersetzung intern stattfinden und nicht öffentlich, sonst schwäche dies die Position der Apothekerschaft. Die ABDA biete allen Apothekerinnen und Apothekern den Dialog an. »Lasst uns gerne intern fetzen und uns so lange auseinandersetzen, bis wir Mehrheiten finden«, bot Overwiening an.
»Machen Sie Vorschläge. Sie sind ja die Experten«, appellierte Professor Andrew Ullmann bei einer berufspolitischen Veranstaltung der ABDA. / Foto: PZ/Anne Orth
Sie warb auch um Verständnis dafür, dass die ABDA nicht alles öffentlich kommunizieren könne. Grund dafür sei der Wunsch mancher Politikerinnen und Politikern nach Vertraulichkeit; dem müsse die Standesvertretung Rechnung tragen. So könne der Eindruck entstehen, dass sich die ABDA-Spitze nicht genügend einsetze, während sie in Wirklichkeit kontinuierlich intensive Kontakte schmiede.
»Die Arbeit mit den Politikerinnen und Politikern erfordert viel Sensibilität«, verdeutlichte Overwiening. Durch pauschale Kritik und »Shitstorming« könne ein mühsam aufgebautes Vertrauensverhältnis beschädigt werden. Zudem sei zu bedenken, dass die Politikerinnen und Politiker auch die Belange anderer Akteure im Gesundheitswesen im Blick haben müssten.
Doch wie können die Apothekerinnen und Apotheker ihre Interessen am erfolgversprechendsten einbringen? Rückmeldung zur Wirkung der Lobbyarbeit der Apothekerschaft gab Professor Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, der als Gast eingeladen war. »Machen Sie konkrete Vorschläge. Sie sind ja die Experten«, appellierte er an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung.
Am besten sei es, auf »seriöse Art und Weise« an die Politikerinnen und Politiker heranzutreten. »Pauschales Bashing« einzelner Parteien sei hingegen kontraproduktiv. »Durch Ihre Persistenz und die Diskussionsrunden haben Sie viel erreicht«, sagte Ullmann an die Adresse der ABDA-Präsidentin. Auf diese Weise sei der Wegfall der Nullretaxation in vielen Fällen und die Streichung der Präqualifizierung bei apothekenspezifischen Hilfsmitteln im Entwurf des Lieferengpass-Gesetzes zustande gekommen, über das der Bundestag heute noch abstimmt. Dies sehe er als großen Erfolg für die Apothekerschaft, so Ullmann.
Auf die Frage, wie der Protesttag am 14. Juni in der Politik wahrgenommen wurde, äußerte sich der Gesundheitspolitiker kritisch. »Das kam nicht so gut an«, so Ullmann. Bei vielen Kolleginnen und Kollegen, die sich weniger intensiv mit apothekenspezifischen Themen befassten als er, sei der Eindruck entstanden, dass die Apothekerinnen und Apotheker nur wieder mehr Geld wollten. Seiner Ansicht nach hätten die Apotheker aber durch das Recht, öffentlich zu protestieren. »Es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen«, sagte Ullmann.
Der Politiker äußerte sich auch zu weiteren Themen. So sei er »für gleich lange Spieße«. »Wer nicht am Notdienst teilnimmt, sollte einen Malus erhalten«, forderte Ullmann. Das gelte beispielsweise für Versandapotheken. Wichtig sei auch, dass die Versender die Arzneimittelsicherheit einhielten. Ob dies beim Versand von Arzneimitteln bei hohen Temperaturen gewährleistet sei, sei fraglich. Darüber hinaus forderte der FDP-Politiker, dass pharmazeutische Dienstleistungen besser bezahlt werden müssten. »Da müssen noch viele dicke Bretter gebohrt werden«, sagte Ullmann.
Der 60-Jährige war lange als Universitätsprofessor für Infektiologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg tätig. Er ist außerdem Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie, internistische Onkologie und Infektiologie. Erst mit 55 Jahren sei er zur Politik gekommen, erzählte er. Seit 2017 sei er nun Mitglied des Deutschen Bundestages. »Politik ist nicht einfach«, sagte Ullmann, »aber mittlerweile habe ich Geschmack daran gefunden.«