»Wir brauchen mehr Beispiele wie das E-Rezept« |
Jennifer Evans |
20.10.2022 11:00 Uhr |
Der Digitalexperte aus dem Bundesministerium für Gesundheit, Thomas Renner (links), verspricht, Patienten und Heilberufler künftig stärker vom Nutzen digitaler Anwendungen überzeugen zu wollen. / Foto: BMC
Es ist kein Geheimnis, dass bei der Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems viel schiefgelaufen ist. Oder, wie Thomas Renner, Leiter der Unterabteilung Digitalisierung und Innovation im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), es am gestrigen Mittwoch bei der BMC-Fachtagung zum Thema »Konnektivität für die Gesundheit« in Berlin treffend formulierte: »Wir sind gefangen in einem Dilemma.« Ein Problem sieht er unter anderem darin, dass in der Vergangenheit niemand die Nutzerorientierung der digitalen Anwendungen konsequent mitgedacht hat. Auch das soll sich nun ändern. Denn wie der Digitalexperte während der Podiumsdiskussion berichtete, besitzt das BMG eine Prioritätenliste für die nächsten Digitalisierungsschritte.
Darauf steht laut Renner zum Beispiel: »Klare Verantwortlichkeiten schaffen, wer im digitalen Prozess für was zuständig ist und welche strukturellen Daten zuerst auf der EPA landen sollen.« Und einen Zeitplan gibt es auch: Bis zum Jahr 2026 soll es nämlich strukturierte Daten auf der elektronischen Patientenakte (EPA) geben. Das versprach Renner zumindest.
Allein Daten auf die E-Akte zu schieben, sei keine Lösung, kritisierte Professor Martin Hirsch, der einen Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz an der Philipps-Universität Marburg hat. Der wahre Gamechanger ist in seinen Augen die Semantik medizinischer Formate. Damit lassen sich die Informationen intelligent filtern, um den Heilberuflern bessere Orientierung in der Datenflut zu geben und sie damit letztlich zu entlasten. Damit das allerdings gelingt, steht für Hirsch außer Frage, die EPA auch für App-Hersteller und Start-ups zu öffnen.
Interoperabilität zu priorisieren und internationale Standards zu setzen, steht Renner zufolge bereits im »Pflichtenheft des BMG«. Auch vor dem Hintergrund, qualitativ hochwertige Gesundheitsdaten zeitnah für die Primär- und Sekundärnutzung verfügbar zu machen. Damit meint er zum einen den Europäischen Gesundheitsdatenraum, den die EU-Kommission derzeit plant, und zum anderen spielt er damit auf das Gesundheitsdatennutzungsgesetz an, das die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag geschrieben haben.
Der neue Gesundheitsdatenschatz werde die Versorgung verbessern, betonte Renner. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Als Zwischenlösung rät Hirsch dem BMG daher, zunächst Algorithmen entwickeln zu lassen, mit deren Hilfe sich bereits aus wenigen Daten gute Ergebnisse für die Versorgung ableiten ließen. Zudem helfe es den Heiberuflern sicher schon, wenn die EPA-Dokumente zwar noch nicht vollständig durchsuchbar, aber zumindest in einem ersten Schritt mit Etiketten versehen und somit kategorisiert wären.
Ein weiterer Fokus des BMG liegt Renner zufolge darauf, sowohl Patienten als auch Vertretern von Gesundheitsberufen den Mehrwert einer EPA noch einmal näherzubringen. »Die Ärzte haben den Nutzen noch nicht erkannt«, stellte er klar.
Vor diesem Hintergrund hält der Digitalexperte es für sinnvoll, insbesondere beim E-Rezept Tempo zu machen. Denn an der elektronischen Verordnung lässt sich seiner Ansicht nach deutlich der Mehrwert ablesen, wenn es etwa um die Arzneimitteltherapiesicherheit oder Medikationsanalyse geht. Sein Abschluss-Statement lautete daher: »Wir brauchen mehr Beispiele wie das E-Rezept«, um Akzeptanz für die digitalen Kernanwendungen zu schaffen.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.