Will ich eine eigene Apotheke gründen oder übernehmen? |
Daniela Hüttemann |
26.06.2023 15:00 Uhr |
Etwa ein Drittel aller Apotheken in Deutschland werden in den kommenden Jahren zum Verkauf stehen, da die bisherigen Inhabenden in den Ruhestand gehen. / Foto: Getty Images/Andersen Ross
Die Entscheidung, sich mit einer eigenen Apotheke selbstständig zu machen, war noch nie eine einfache und scheint in diesen Zeiten mit vielen Betriebsschließungen noch schwieriger. Aber: In den kommenden zehn bis 15 Jahren geht die Babyboomer-Generation in den Ruhestand. »Etwa ein Drittel der Apotheken wird in den kommenden Jahren verkauft«, informierte Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, vergangene Woche beim Existenzgründer-Workshop von Verband und Apothekerkammer Nordrhein, Apobank, Treuhand Hannover sowie ARZ Haan in Düsseldorf. Etwa 40 bis 50 Apothekerinnen und Apotheker waren gekommen, um sich zu informieren.
Es sei derzeit definitiv ein Käufermarkt, waren sich alle Referenten einig. Doch bevor man die für sich beste und passendste Apotheke für die Übernahme findet (Neugründungen spielten derzeit kaum ein Rolle), sollte man sich gründlich überlegen, ob man für die Selbstständigkeit gemacht ist. »Sie stehen als Inhaber unter Druck, tragen viel Verantwortung und haben einen hohen Zeitaufwand, aber Sie sind Ihr eigener Chef mit der entsprechenden Freiheit und Unabhängigkeit und auch vielfältigen Aufgaben«, fasste Preis zusammen. Er nannte sechs wichtige Schritte auf dem Weg in die Selbstständigkeit:
Vor allem die erste Frage sollte man klar mit »Ja« beantworten können. Dazu sollte man zuerst Arbeitserfahrung in verschiedenen öffentlichen Apotheken sammeln und dabei Verantwortung für bestimmte Bereiche übernehmen. Eine Filialleitung biete einen ersten Vorgeschmack auf die Aufgaben als Chef. Zudem sollte man Interesse an wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen haben und etwa den Wirtschaftsteil der Zeitung regelmäßig (und gerne) lesen.
»Selbstständig zu sein, heißt eben auch, man arbeitet selbst und ständig – das schafft man nicht in 40 Stunden pro Woche oder einer Vier-Tage-Woche«, machte Preis deutlich. Insbesondere in der Startphase sei die Belastung hoch. »Sie werden der Letzte sein, der die Apotheke abends zuschließt und auch dann ist die Arbeit noch nicht zu Ende.« Es gebe keine bezahlten Krankheitstage mehr und auch mit weniger Urlaubstagen sei zu rechnen.
Thomas Preis hat sich 1990 selbstständig gemacht. »Das waren auch keine einfache Zeiten. Trotzdem würde ich es wieder machen – auch heute.« / Foto: AVNR/Alois Müller
Die Belastung sei nicht nur körperlich hoch, sondern auch psychisch. Man trage die Verantwortung für seine Angestellten, nehme Kredite mit langen Laufzeiten auf und bewege jeden Tag viel Geld. Das alles gehe nur, wenn der Partner und die Familie hinter einem stehen. Diese Voraussetzung sei von größter Wichtigkeit. »Und Sie selbst müssen zu 100 Prozent hinter Ihrem Projekt stehen, denn Sie sind der Treiber – ohne Ihre Motivation passiert nichts.«
Aber nicht nur im Privaten braucht es verlässliche Partner – auch wenn es um Finanzen, Steuern und die Wahl der richtigen Apotheke geht, braucht man Rückendeckung. Hier sollte man sich Berater suchen, die sich im Apothekenmarkt auskennen, riet Preis. »Besuchen Sie ein Gründungsseminar Ihrer Kammer oder Ihres Verbands und klären Sie für sich, zu welchen Fragen Sie Beratung brauchen und wer Ihnen je nach Fragestellung am besten weiterhelfen kann.« Das gelte nicht nur für die Gründungsphase, sondern auch darüber hinaus.
Dann muss der Finanzplan erstellt werden: Wie groß ist der Kapitalbedarf in der Startphase? Welche Kosten kommen kurz- und langfristig auf mich zu? Wie viel Geld steht mir zur Verfügung? Dann sollte man die Angebote verschiedener Kreditinstitute überprüfen und sich dabei auch erkundigen, welche Fördermittel von EU, Bund, Bundesland oder auch Kommune infrage kommen.
Für sich selbst sollte man die Frage klären, wie hoch der eigene Verdienst ausfallen soll, sodass man langfristig davon leben kann. Dabei sollte man auch an Altersvorsorge, Versicherungen, Absicherung der Familie inklusive Vorsorge für den Todesfall et cetera denken. »Vertauschen Sie nicht Umsatz mit Ertrag – so wie das Bundesgesundheitsministerium in seinem Fakten-Papier zu den Apotheken«, sagte Preis leicht augenzwinkernd.
Der Umsatz allein reiche bei Weitem nicht aus, um sich ein Bild über den Wert und die Rentabilität einer Apotheke zu machen. »Schauen Sie sich beispielsweise auch den Hochpreiser-Anteil an und von wie vielen oder wenigen Kunden dieser abhängt«, riet Preis. Wenn dieser beim Inhaberwechsel wegbrechen sollte, habe man sonst direkt ein Problem. Auch Sonderumsätze aus der Coronazeit sollten eigens ausgewiesen werden.
Die durchschnittliche Apotheke habe 2022 ein steuerliches Betriebsergebnis von 5,1 Prozent des Nettoumsatzes erzielt – der niedrigste Wert der letzten 20 Jahre, aber in Euro ausgedrückt durchaus mehr als in den Vor-Corona-Jahren, nämlich 162.890 Euro und nach Korrektur mit dem Verbraucherpreisindex mit 113.045 Euro vergleichbar mit den Coronavorjahren. Davon müssten noch Altersvorsorge, Krankenversicherung und alle privaten Dinge bestritten werden. Und das unternehmerische Risiko sei hier nicht eingepreist, daher sei die geforderte Erhöhung gerechtfertigt.
Mindestens genauso wichtig wie der Umsatz einer Apotheke ist ihr Standort. Ohne Arztpraxen in der Umgebung geht es kaum. Eine Daumenregel sei, dass eine Apotheke in etwa fünf bis sechs Arztpraxen (auf die Spezialisierung achten) im näheren Umkreis brauche. Natürlich muss auch die bestehende Konkurrenzsituation durch andere Apotheken beachtet werden.
»Schauen Sie aber nicht nur auf die betriebswirtschaftlichen Zahlen, sondern auch auf die Personalsituation und ob sich die Räumlichkeiten für Impfungen und pharmazeutische Dienstleistungen eignen«, so Preis mit Blick auf die Weiterentwicklung des Berufs.
»Bedenken Sie bei Ihrer Entscheidung auch alle Anforderungen der Behörden, der Apothekerkammer und Berufsverbände«, ergänzte Preis. »Eine Apotheke zu kaufen dauert – planen Sie genug Zeit für alle Genehmigungen ein, prüfen Sie, welche Nachweise, Zulassungen und so weiter Sie brauchen.« Hier gibt es beispielsweise eine Checkliste der Apobank.
»Stellen Sie sich von Anfang an auf Ihre Pflichten gegenüber dem Finanzamt ein und sorgen Sie vor – die Forderungen kommen anfangs mit etwas Verzögerung«, so der erfahrene Apothekeninhaber. »Kümmern Sie sich auch um ausreichende und geeignete Versicherungen für Ihr Unternehmen.«
Von Spargesetzen solle man sich dagegen nicht abhalten lassen. Die werde es immer geben. »Ich sehe eine langfristige Tendenz, dass die Politik langsam erkennt, dass die Arzneimittelversorgung durch die öffentlichen Apotheken nicht nur ein Kostenfaktor ist, sondern zur Daseinsvorsorge gehört«, meinte Preis. Die Politik merke jetzt, dass die Apotheken immer da seien, als einzige die Lieferengpässe managen können und auch im Hinblick auf die rapide alternde Bevölkerung sowie dem grassierenden Übergewicht mit den verbundenen Volkskrankheiten zunehmend gebraucht werden. Um mangelnde Arbeit müssten die Apotheken sich daher keine Sorgen machen. »Es wird keiner alt, ohne Medikamente zu nehmen«, stellte Preis fest. Und durch weniger Apotheken werden es mehr Patienten pro verbliebener Apotheke.
Thomas Preis, der 1990 eine eigene Apotheke in Köln übernommen hat und sie heute sowie eine Filiale gemeinsam mit seinem Sohn als OHG führt, würde es genauso wieder machen – auch in heutigen Zeiten. Auch Anfang der 1990er-Jahre seien es Krisenzeiten gewesen mit der Blüm-Reform und einer Demonstration mit rund 10.000 Apothekern in Bonn aufgrund der Sparzwänge, erinnerte sich Preis. Da hatte er die Apotheke gerade übernommen und umgebaut. »Krisenzeiten sind auch immer Zeiten, in denen man gut einsteigen kann, das ist nicht nur bei Aktien so«, machte Preis Mut. »Sie müssen nur auf das richtige Pferd setzen.«