Wie Sprachen mit Körperteilen jonglieren |
Jennifer Evans |
19.08.2024 07:00 Uhr |
Wenn Fuß und Bein oder Hand und Arm gemeinsame Sache machen, dann haben einige Sprachen neue Worte für Körperteile gefunden. / © Adobe Stock/fotomek
Zwar ist der menschliche Körper immer gleich aufgebaut. Doch in der Sprache benennen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Sprachfamilien seine Teile anders. Eine Studie der Universität Passau und des Max-Planck-Instituts hat das Körperteilvokabular in 1028 Sprachen mithilfe eines rechnergestützten Ansatzes untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Körperteile, die einander benachbart sind, häufiger kolexifiziert werden. Also Hand und Arm, Fuß und Bein, Mund und Lippe. Kolexifizierung ist ein linguistisches Phänomen, das in jeder Sprache existiert. Gemeint sind damit Wörter gleicher Form, die sich jedoch auf unterschiedliche Konzepte beziehen. Solche Muster dienen dazu, um Bedeutungsähnlichkeit zwischen Sprachen zu bewerten.
Linguisten leiten durch den Vergleich von Kolexifizierungen unter anderem Erkenntnisse zur menschlichen Wahrnehmung und Sprachevolution ab. Bei der Benennung von Körperteilen und deren sprachlicher Vielfalt kommen aber auch noch andere Einflüsse zum Tragen. So lassen sich etwa Präferenzen für Kolexifizierungen auf Basis von Form oder Funktion des jeweiligen Körperteils beobachten.
Während im Deutschen zwei Wörter für Fuß und Bein existieren, fassen andere Sprachen beide Körperteile unter einem Begriff zusammen. Zum Beispiel Wolof, eine Untergruppe der Niger-Kongo-Sprachen, spricht in dem Fall einfach von »loxo«. Auch in Belhare, das einige Menschen im Osten Nepals sprechen, gibt es nur ein Wort für Fuß und Bein »laŋ«. Und in der Sprache der Washoe, ein indianisches Volk, spricht man von Hand-Fuß.
Warum sich diese Wahrnehmungen vom menschlichen Körper unterscheiden, beschäftigt die Linguistik, Anthropologie und Philosophie schon lange. Es stellen sich Fragen, wie: Folgt das Vokabular im Bereich der Körperteile in allen Sprachen denselben hierarchischen Prinzipien? Oder welche Restriktionen führen eigentlich dazu, dass verschiedene Sprachen zum gleichen Ergebnis kommen? Schließlich lassen sich deutlich allgemeine Tendenzen feststellen. So besitzen Sprachen, die einen Extra-Ausdruck für Fuß haben, in der Regel auch ein zusätzliches Wort für Hand.
Ein weiteres Muster: Ein Körperteil, der mit einem anderen verbunden ist, trägt mit größerer Wahrscheinlichkeit denselben Namen. Die Forschenden erklären diese Beobachtung damit, dass sich Sprecherinnen und Sprecher beispielsweise von Wolof mehr auf die Funktion eines Körperteils konzentrieren. Sie wissen, dass man zum Gehen sowohl Bein als auch Fuß benötigt. Der Fokus anderer Sprachen wie dem Englischen liegt dagegen eher auf dem Visuellen. Ein Knöchel oder ein Gelenk zeigt an, an welcher Stelle sich Körperteile voneinander trennen lassen und neue Wörter gefragt sind.
Eine weitere Erkenntnis der Untersuchung: Die kulturspezifischen Variationen des Körperteil-Vokabulars unterscheiden sich weniger stark als in anderen Bereichen wie bei den Emotionen oder den Farben. Um die Zusammenhänge noch besser zu verstehen, hält das Wissenschaftsteam weitere Studien für nötig. Mit Wortschatzvergleichen dieser Art lassen sich grundsätzlich gut universelle und individuelle Kategorisierungen ablesen, die Aufschluss über die Wechselwirkung zwischen Sprache und Kultur geben.