Wie man mit Stift und Papier die mentale Gesundheit stärkt |
Dabei gibt es unterschiedliche Methoden für den kreativen Weg nach innen: freies Schreiben oder Schreiben mit mehr Struktur und Vorgaben. Beim »Free Writing« fängt man mit einem Gedanken an und schreibt alles auf, was einem in den Sinn kommt. Das kann auch ein Brief sein, den man nicht abschickt und den niemand liest. Etwa an eine Person, mit der es Streit gab, an einen toten Menschen oder an den Krebs, den Tumor, das eigene Ich.
Eine andere Methode könnte das Brainstorming sein. Wer gerade wütend ist, schreibt das Wort Wut in die Mitte und drumherum die Begriffe, die einem dazu einfallen. Voraussetzung ist laut Doris Hönig bei allen Methoden: Bewerten und zensieren Sie sich nicht, versuchen Sie, nicht nachzudenken, auch nicht über Grammatik und Rechtschreibung.
Für welche Methode man sich letztlich entscheidet, ist Geschmackssache. Wichtig sei aber, sich mindestens zehn Minuten dafür Zeit zu nehmen. »Sie müssen den Punkt überwinden, an dem Sie denken, Ihnen fällt jetzt nichts mehr ein, es ist alles gesagt.«
Den Punkt erreichten die meisten schon nach circa fünf Minuten. »Dann schaltet sich der innere Kritiker ein, der sich fragt, warum mache ich das eigentlich, reicht doch, besser aufhören, bevor etwas Unangenehmes passiert«, sagt die zertifizierte Schreibtherapeutin. Dann gelte es, die Hand immer in Bewegung zu lassen, und Wellenlinien zu malen oder genau die Gedanken aufzuschreiben, die kommen.
Für das therapeutische Schreiben kann es einfacher sein, ein Gegenüber zu haben, das Impulse gibt und Fragen stellt, so wie Doris Hönig es anbietet. Auch Adak Pirmorady verteilt in ihren Gruppen, die sie an der Charité betreut, Aufgaben, wie: Sie bekommen einen ungebetenen Gast, was machen Sie? Fragen zum Einstieg könnten sein: Wie geht es mir gerade? Wie fühle ich mich? Was war das heute für ein Tag? Was hat mich gestresst? Wenn es dann in eine ganz andere Richtung geht, lassen Sie sich treiben. Wem keine Fragen einfallen, kann sich auch entsprechende Bücher besorgen, die Fragen oder Übungen vorgeben.
Es kann hilfreich sein, das Schreiben zur Routine werden zu lassen, sagen die Expertinnen. Eine Möglichkeit wäre, sich morgens oder abends zehn Minuten Zeit zu nehmen oder sich zwei Seiten als Ziel zu setzen, egal, ob einem direkt etwas einfällt oder nicht. »Je regelmäßiger man es macht, desto leichter wird es einem fallen«, sagt Doris Hönig.
Eine andere Variante sieht vor, dem therapeutischen Schreiben einen Rahmen zu geben, indem man sich selbst Zuwendung schenkt. Hier könnten Rituale dazu beitragen, den Rahmen zu gestalten, schlägt Adak Pirmorady vor. Zum Beispiel: Suchen Sie sich einen ruhigen Ort, keine Störung durch das Smartphone, vielleicht kochen Sie sich einen Tee oder zünden eine Kerze an, alles, was für Sie eine angenehme Atmosphäre schafft. »Allein die Fähigkeit, sich diesen geschützten Raum zu geben, wird bei manchen, die das nicht gewohnt sind, etwas auslösen.«
So wertvoll kreative Arbeit auch ist, es gehe dabei nicht um Selbstoptimierung, betont Pirmorady. Sondern: »Es geht darum, uns besser zu verstehen und das Verständnis zu nutzen, um unsere Bedürfnisse besser wahrzunehmen und umsetzen zu können.«