Wie kommt der Arzneistoff in die Lunge? |
Daniela Hüttemann |
14.11.2023 14:30 Uhr |
Wie es denn nun genau mit dem Austausch am Alveolar-Epithel funktioniert, damit beschäftigt sich der Apotheker Professor Dr. Claus-Michael Lehr, Mitgründer des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung (HIPS) Saarland, das zum Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung gehört. Daher wird in Saarbrücken vor allem daran gearbeitet, Antibiotika und neuartige Antiinfektiva zu entwickeln. Der Biopharmazeut und Technologe Lehr ist dort Leiter der Abteilung Wirkstofftransport.
Es sei nicht nur schwer, die Arzneistoffe überhaupt erst einmal bis in die Lungenbläschen zu bekommen, sondern auch durch das Epithel und die Schleimschicht an die Oberfläche – insbesondere, wenn Bakterien wie Pseudomonas aeruginosa sich hier mit einem Biofilm festsetzen. »Dann sind sie nur schwer mit Antibiotika zu erreichen«, erklärte Lehr. Um diese Grenzen (Barriers) zu überwinden, arbeitet man an besseren Trägersystemen (Carriern) und weiteren Tricks, um die Bakterien unschädlich zu machen.
Dafür leisten seine Arbeitsgruppen derzeit noch viel Grundlagenforschung, um überhaupt geeignete Modelle zu finden, möglichst ohne Tierversuche. Das sei im Fall von Alveolar-Modellen mit Bakterien alles andere als trivial.
Lehr schränkte gleich zu Beginn seines Vortrags ein: »Nichts, von dem ich heute erzähle, liegt heute oder in den nächsten fünf Jahren in Ihren Apothekenregalen – aber vielleicht in zehn.« Sein Ziel sei es, bessere Antiinfektiva zu entwickeln. Mit den bisherigen Antibiotika könne man die Bakterienlast in der Lunge höchstens reduzieren, aber nicht eradizieren und die Barrierefunktion der Lunge wieder vollständig herstellen. »Das mögen die Bakterien überhaupt nicht, wenn wir sie töten wollen und so stark unter Druck setzen. Dann entwickeln sie Resistenzen.«
Prof. Dr. Claus-Michael Lehr, HIPS Saarbrücken / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
Ein Ansatz ist, die Bakterien in ihrem Biofilm überhaupt erst einmal erreichbar zu machen, sie zu entwaffnen oder ihr Verhalten zu ändern, um sie weniger bösartig zu machen. Die Wissenschaftler wollen das sogenannte Quorum Sensing von Pseudomonas aeruginosa stören. Quorum Sensing ist eine Form der Kommunikation von Bakterium zu Bakterium, um Prozesse zu koordinieren, die ineffizient wären, wenn sie nur von einzelnen Zellen durchgeführt würden – wie eben beispielsweise die Bildung von Biofilmen. »Mit Quorum-Sensing-Inhibitoren stören wir ihre Kommunikation – wie beim Turmbau zu Babel«, erklärte Lehr. »Damit entwaffnen wir sie und können sie mit unseren Antibiotika eradizieren.«
Die Untersuchungen zeigten, dass Tobramycin allein die Bakterienkonzentration im Lungenmodell nur etwas reduzieren konnte. Kombiniert mit einem experimentellen QSI konnte die Wirksamkeit schon verdoppelt, die Bakterien aber immer noch nicht eliminiert werden. »Gaben wir die Medikamente mit einem Nanocarrier, hat es dann funktioniert – und wir haben 50-mal weniger Antibiotikum gebraucht.« Gute Carrier-Systeme seien auch der Schlüssel, um große Moleküle wie Proteine und mRNA pulmonal verfügbar zu machen.