Wie können Impfungen in Apotheken erleichtert werden? |
Alexander Müller |
09.10.2025 11:00 Uhr |
Der Parlamentarische Staatssekretär Tino Sorge (CDU) würde sich niedrigere Hürden an die Infrastruktur wünschen, was etwa die Anforderungen an die Räumlichkeiten betrifft. / © PZ
Sorge beschäftigt, dass die Skepsis gegenüber Impfungen zugenommen hat. Dabei seien Impfungen nicht nur gesundheitspolitisch wichtig, sondern auch volkswirtschaftlich. Niedrigschwellige und vielfältige Angebote sind aus Sorges Sicht der Schlüssel zu höheren Impfraten. Impfungen in den Apotheken seien mittlerweile etabliert und würden auch von vielen Ärzten inzwischen positiv wahrgenommen.
ABDA-Vizepräsidentin Ina Lucas ist überzeugt, dass die Apotheken die Menschen »in ihren Lebensrealtiäten erwischen« können. Menschen zwischen 35 und 50 hätten häufig keinen Hausarzt – aber in der Apotheke vor Ort ein niedrigschwelliges Angebot. Lucas brachte die Öffnungszeiten am Samstag als weiteres Argument dafür, dass die Apotheken in die nationale Strategie mit einbezogen werden müssten. Für viele Menschen seien sie in der Gesundheitsvorsorge und der Prävention erste Ansprechpartner.
Die geplante Apothekenreform von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) werde Apotheken in die Prävention mehr einbinden, kündigte auch Sorge an. Demnach sollen Apotheken künftig weitere Totimpfstoffe impfen können. Sorge ist wichtig, dass es keine zu hohen Hürden an die Infrastruktur gibt, was beispielsweise die Anforderungen an die Räumlichkeiten betrifft.
So sieht es auch Serdar Yüksel, Berichterstatter für Prävention der SPD-Bundestagsfraktion. »Eine Spanische Wand hätte es für mich auch getan, man muss sich ja nicht vollständig entkleiden für eine Grippeschutzimpfung.« Alle zusätzlichen niederschwelligen Angebote, die die Impfbereitschaft erhöhen, seien gut und in Apotheken gebe es ein gutes Vertrauensverhältnis. Der SPD-Politiker würde Strukturen und Ansprache gerne noch verbreitern – Kita, Schule, Ämter, Betriebsärzte und den Öffentlichen Gesundheitsdienst einbinden. So ließe sich vielleicht auch der eine oder andere Impfskeptiker aus seiner Echokammer holen.
Einigkeit bestand bei Impfgipfel darin, dass der digitale Impfpass die Praxen deutlich entlasten könnte und Versicherte leichter an Auffrischimpfungen erinnert werden könnten. Die Integration in die elektronische Patientenakte (ePA) dauert Sorge viel zu lange. Immerhin: Yüksel konnte berichten, dass die Gematik ihm jetzt versprochen habe, dass der digitale Impfpass schnell eingeführt werden soll. »Ich bin zuversichtlich, dass das nächstes Jahr kommt.«
Tim Steimle, Fachbereichsleiter Arzneimittel bei der Techniker Krankenkasse, betonte, dass es bei seiner Kasse schon eine digitale Struktur gebe, die aber noch nicht richtig genutzt werde. Auch der TK-Mannwünscht sich eine stärkere Einbindung der Apotheken, denn seit Corona seien die Impfraten leider rückläufig.
Dana Bethkenhagen (Tagesspiegel), ABDA-Vizepräsidentin Ina Lucas, Tim Steimle (TK), Serdar Yüksel (SPD) und Patrick van der Loo (Pfizer Deutschland) diskutierten über die Impfstrategie (v.l.n.r.) / © PZ
Patrick van der Loo, Country President von Pfizer Deutschland, bemängelte, dass Prävention in Deutschland lange keine Priorität gehabt habe. Er warb für einen »Präventionsindex«, um zu bestimmen, in welchen Bereichen Prävention besonders sinnvoll sei. »Impfen ist nicht alles, aber ein wichtiger Teil davon«, so Van der Loo.
Höhere Impfquoten zu bewerben, sieht Han Steutel, Präsident des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa), nicht als Aufgabe der Industrie: »Wir sind dafür zuständig, dass genug Impfstoffe da sind.« Er sieht aber den Staat in der Pflicht, mit mehr Aufklärung der Impfskepsis entgegenzuwirken. Sorge erkennt den Schutzauftrag des Staates, nimmt aber auch ein größeres »Verhetzungspotenzial« wahr. Da müsse Politik entspannter kommunizieren. »Bin absoluter Impf-Fan, war aber nie für eine Impfpflicht«, so Sorge.
Steutel und Sorge diskutierten auch über den Pharmastandort Deutschland. Im Impfstoffbereich sieht es laut dem vfa-Chef im Vergleich zur Arzneimittelproduktion gar nicht so schlecht aus. 80 Prozent von Forschung, Entwicklung und Produktion von Impfstoffen sei noch in Europa, so Steutel. Sorge versicherte, dass die Bundesregierung den Standort weiter stärken wolle, im November starte der Pharmadialog.
Auch Steutel begrüßte, dass heute in Apotheken geimpft werden kann. Je mehr Möglichkeiten es gebe, desto besser, zumal in Hausarztpraxen oft die Zeit fehle. Auch auf Impfungen bei Betriebsärzten müsse man setzen. Denn der Krankenstand sei auch Problem für Arbeitgeber. Der Grund für Krankschreibungen sei in der Mehrzahl der Fälle eine Infektionskrankheit, so Steutel. Lucas bestätigte auf Nachfrage, dass Apotheken auch »aufsuchende Impfungen« in Betrieben durchführen könnten.