Wie können Apotheken die ambulante Versorgung verbessern? |
Lukas Brockfeld |
15.05.2025 15:30 Uhr |
Andreas Gassen, Thomas Moormann und Anke Rüdinger (v.l.n.r.) sprachen mit Moderator Alexander Müller. / © DAV-Wirtschaftsforum / André Wagenzik
In Deutschland gibt es immer mehr alte und kranke Menschen. Gleichzeitig eröffnen Anwendungen wie die elektronische Patientenakte (EPA) neue Perspektiven. Die Apothekerschaft würde gerne mehr Verantwortung tragen und – beispielsweise im Rahmen der pharmazeutischen Dienstleistungen – neue Aufgaben übernehmen.
Was bedeutet das für die ambulante Versorgung? Darüber wurde am Donnerstag auf dem DAV-Wirtschaftsforum diskutiert. PZ-Chefredakteur Alexander Müller sprach als Moderator mit Andreas Gassen (Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung), Thomas Moormann (Leiter Gesundheit und Pflege im Verbraucherzentrale Bundesverband) und Anke Rüdinger (stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands).
Rüdinger erklärte einleitend, warum sie sich neue Wege in der Gesundheitsversorgung wünscht: »Durch den demografischen Wandel, den Fachkräftemangel und die schwindenden Ressourcen werden wir in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen stehen. Deshalb müssen wir schauen, wie wir die vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen so nutzen können, dass die Patientinnen und Patienten bestmöglich versorgt werden.«
Die ABDA habe deshalb das Konzept der »Apotheke der Zukunft« entwickelt. Neben der Arzneimittelversorgung sollen die Offizinen auch verstärkt in die Prävention eingebunden werden. »Wir haben gezeigt, dass Impfangebote in Apotheken dafür sorgen, dass die Impfquoten steigen. Wir können aber auch Blutuntersuchungen und Screenings anbieten. Das würde dafür sorgen, dass die Menschen länger gesund bleiben und dass Erkrankungen früher erkannt werden«, erklärte Rüdinger.
Auch in der Notfallversorgung könnten die Apotheken aktiver werden. Beispielsweise indem sie leichte Erkrankungen versorgen und mehr Möglichkeiten beim Austausch von Medikamenten erhalten. »Wir müssen das Gesundheitswesen so gestalten, dass die Menschen schneller, aber hochwertig versorgt werden«, sagte die stellvertretende DAV-Vorsitzende.
Kassenärztechef Andreas Gassen sah viele der vorgestellten Ideen »mit hochgezogener Augenbraue«. In der Behandlung von Patienten hätten Apotheker »schlicht keine Kompetenz«. Kompetenzverlagerungen auf Fachgruppen ohne entsprechende Ausbildung mache keinen Sinn. »Wir haben 185.000 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und Sie wissen selbst, wie viele Apotheken wir haben. Dass da keine substanzielle Entlastung erfolgen kann, leuchtet jedem ein«, sagte Gassen. Flexibilisierungen in der Arzneimittelversorgung seien für ihn allerdings denkbar.
Anke Rüdinger hob den Handlungsdruck hervor, der durch die demografische Situation in Deutschland entstehe. »Wir haben oft Patienten bei uns in der Apotheke, die wir schnell versorgen könnten, wenn wir die Möglichkeit hätten. Gegebenenfalls auch unter Nutzung von telemedizinischen Angeboten, damit wir im Zweifelsfall einen Arzt hinzuziehen können. Entscheidend ist, dass wir alle gemeinsam überlegen, wie wir die Gesundheitsversorgung so organisieren und unsere Kompetenzen so nutzen, dass die Menschen schnell und gut versorgt werden.«
Thomas Moormann erklärte, dass Deutschland dringend die Steuerung der Patientinnen und Patienten verbessern müsse. »Wir haben in vielen Bereichen eine Überversorgung, die von der Gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden muss. Dadurch gehen uns unfassbar viele Ressourcen verloren. Die Steigerungsrate der GKV-Ausgaben ist aktuell exorbitant, da müssen wir ran«, so der Verbraucherschützer. Deutschland müsse neue Möglichkeiten, beispielsweise bei der Telemedizin und der KI, nutzen. Aktuell werde das Gesundheitssystem immer teurer, während die Erreichbarkeit der Ärzte und Krankenhäuser immer schlechter werde.
Andreas Gassen sprach sich angesichts des Defizits der Krankenkassen für mehr ambulante Leistungen aus. »Wir haben jährlich rund 14 Millionen Behandlungsfälle in Krankenhäusern für die wir etwa 100 Milliarden Euro ausgeben. In der ambulanten Versorgung haben wir 570 Millionen Behandlungsfälle und die kosten nur 42 Milliarden. Da muss ich nicht überlegen, wo das Einsparpotenzial ist«, erklärte der Ärztechef. Deutschland habe laut zahlreicher Studien zu viele Krankenhäuser. Aus den Apotheken und den Praxen lasse sich dagegen kaum noch Geld herausquetschen.
Thomas Moormann, erklärte, dass auch im ambulanten Sektor viele fragwürdige Leistungen erfolgen. Beispielsweise gebe es zu viele MRT-Untersuchungen und auch in den Bereichen Alternativmedizin und Homöopathie würde unnötig viel Geld ausgegeben. Hier müssten falsche Anreize für die Praxen beseitigt werden.
Abschließend erklärte Anke Rüdinger, dass alle Akteure im Gesundheitswesen gemeinsam dafür sorgen sollten, dass die Menschen länger und gesünder leben. Dazu müssten die Leistungserbringer besser und vernetzter zusammenarbeiten, auch mithilfe neuer digitaler Anwendungen. »Wir von vielen verschiedenen Richtungen schauen, wie wir das Gesundheitswesen am Leben erhalten. Dafür wünsche ich mir einen Dialog aller Akteure«, so die stellvertretende DAV-Vorsitzende.