Wie KI Pflegekräfte entlasten könnte |
Laura Rudolph |
06.02.2024 18:00 Uhr |
Humanoide Roboter, die Senioren in den eigenen vier Wänden pflegen oder Pflegepersonal unterstützen sollen, befinden sich derzeit in der Erforschung. / Foto: Imago Images/imagebroker
Angesichts der alternden Bevölkerung wird weltweit intensiv an Lösungen mit künstlicher Intelligenz (KI) für den Pflegebereich geforscht. Diese können entweder die Pflegekräfte oder die Senioren selbst entlasten beziehungsweise unterstützen. Welche KI-basierten Technologien in der Altenpflege zum Einsatz kommen (sollen), hat ein Forschungsteam um Bingxin Ma von der Medizinischen Universität Tianjin in China in einer Übersichtsarbeit zusammengetragen (»Ageing Research Reviews«, 2023, DOI: 10.1016/j.arr.2022.101808).
Demnach gehören die meisten Systeme einer der folgenden Kategorien an: humanoide oder tierähnliche Roboter, KI-gestützte Exoskelette, Smart-Home-Technologien, Apps und Wearables, Sprachassistenten und Virtual-Reality-Produkte. Sie können das Pflegepersonal körperlich entlasten oder Pflegebedürftigen bei der Rehabilitation helfen, sie emotional unterstützen, ihre Kognition trainieren oder als sozialer Vermittler dienen.
Ein Exoskelett ist eine Art robotischer Anzug, der die Kraftaufwendung reduzieren und den Bewegungsapparat entlasten soll, beispielsweise wenn Pflegekräfte Personen aus oder in Rollstühle oder Betten heben müssen. Patienten könnten sie beispielsweise dabei unterstützen, gehen zu üben – Stichwort Rehabilitation.
Smart-Home-Technologien und »intelligente« Lautsprecher sollen es Senioren ermöglichen, möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden zu wohnen. Beispielsweise lassen sich per Sprachbefehl Jalousien hoch- und herunterfahren oder das Licht ein- und ausschalten. KI-basierte Wearables dienen dagegen hauptsächlich als Monitoring-Instrumente, etwa indem sie per Sensoren Stürze registrieren und einen Hilferuf absetzen können.
Virtual-Reality-Brillen könnten einsamen älteren Menschen etwa durch eine virtuelle Reise oder ein virtuelles Zusammentreffen mit Avataren etwas Trost spenden. Tierähnliche Roboter wie die ursprünglich aus Japan stammende Roboter-Robbe »Paro« sollen Pflegebedürftige vor allem emotional unterstützen.
Bislang noch ein wenig nach Science-Fiction klingen humanoide Roboter, die Pflegekräfte oder Senioren zu Hause unterstützen könnten. Das könnte sich aber in den nächsten Jahrzehnten ändern. Die Entwicklung solcher Roboter fällt in das Gebiet der Geriatronik, die sich mit Technologien beschäftigt, die ältere Menschen unterstützen und ihre Lebensqualität verbessern sollen.
An humanoiden Pflegerobotern tüfteln etwa Forschende der Technischen Universität München (TUM) am Forschungszentrum Geriatronik in Garmisch-Partenkirchen. Unter dem Dach des Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence entwickeln sie dort seit vier Jahren einen humanoiden Roboter namens Garmi.
»Garmi ist ein Assistenzroboter, der im Haushalt helfen und Physiotherapeutinnen und -therapeuten sowie Ärztinnen und Ärzten in ihren Aufgaben unterstützen soll. Konkret kann er beispielsweise Tee oder Kaffee servieren und die Spülmaschine ein- oder ausräumen«, erklärt Dr. Martina Kohlhuber, wissenschaftliche Leiterin im Forschungszentrum Geriatronik der TUM, auf Nachfrage der PZ. Garmi führe zudem individuelle Trainingsprogramme zusammen mit Patienten durch, zum Beispiel zur Mobilisation und Rehabilitation. Ärzte könnten über den Roboter auch per Telemedizin Untersuchungen an Patienten durchführen.
»Technologisch gesehen ist Garmi ein Roboter, der mit künstlicher Intelligenz ausgestattet ist. Er hat flexible Arme und Hände und kann sich über kleine Rollen auf ebenem Boden kabellos fortbewegen. Sensoren unterstützen den Pflegeroboter darin, die Umgebung so gut wie möglich wahrzunehmen«, führt Kohlhuber aus. Dies sei nötig, damit Garmi sicher und zuverlässig mit Menschen interagieren kann.
Die Algorithmen, die für die Wahrnehmung zuständig sind, würden ständig optimiert, erklärt die Expertin. »Das bedeutet auch, dass Garmi nicht nur immer schlauer wird und mithilfe von ChatGPT sprechen lernt, sondern dass ständig neue Fähigkeiten hinzukommen.« Für den Einsatz etwa im Alten- oder Pflegeheim sei es aber noch zu früh, stellt Kohlhuber klar: »Obwohl Garmi schon einige praktische Dinge gelernt hat, geht es bei den Entwicklungen in Garmisch-Partenkirchen zunächst um Grundlagenforschung.« Neue Fähigkeiten würden noch entwickelt und getestet.
Um die Anwendung der Robotik in der Pflegepraxis zu beschleunigen, solle 2027/28 der gerade entstehende Campus Garmisch-Partenkirchen eröffnet werden. »Hier werden robotische Lösungen der TUM zusammen mit der Caritas entwickelt, die ihre Expertise in der Pflege mit einbringt. Bis Garmi im Pflegealltag zum Einsatz kommt, werden sicher noch einige Jahre vergehen«, so Kohlhuber.
Abgesehen von Robotern und Exoskeletten können KI-Systeme auch bei der Pflegeplanung entlasten, sodass Pflegekräften mehr Zeit für pflegerische Maßnahmen bleibt. Derzeit läuft beispielsweise das Projekt »Versorgungsintegrierte künstliche Intelligenz im professionellen Pflegeprozess« (ViKI pro) zur Entwicklung eines KI-gestützten Hilfesystems für die Langzeitpflege. Das zu entwickelnde System soll den individuellen Pflegebedarf von Patienten erkennen und wissenschaftlich fundierte Pflegemaßnahmen vorschlagen.
Im Unterschied zu anderen Pflegedokumentationssystemen soll ViKI pro im Laufe der Zeit dazulernen können. Nach einer festgelegten Zeitspanne werden die bisherigen Maßnahmen bewertet und diese Bewertungen fließen zurück ins System. Diese Erfahrungen kann ViKI pro bei zukünftigen Fällen berücksichtigen.
Das Projekt hat im August 2022 begonnen und ist auf drei Jahre ausgelegt. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Zu den Projektpartnern gehören unter anderem das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung und das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass KI durchaus Potenzial hat, Abläufe in der Pflege zu vereinfachen oder Senioren in ihrer Eigenständigkeit zu fördern. Dabei dürfen die Technologien allerdings nicht als Ersatz von menschlicher Interaktion, sondern stets nur als Unterstützung betrachtet werden.