Wie geht es weiter mit Lauterbachs Reformplänen? |
Daniela Hüttemann |
29.11.2023 18:00 Uhr |
Gabriele Regina Overwiening, ABDA-Präsidentin und Kammerpräsidentin in Westfalen-Lippe, bat die Kolleginnen und Kollegen darum, den Parlamentariern zu erklären, wie sie die Offizien stärken können. / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
Es gilt, das Ministerium, das Kabinett und die Parlamentarier dafür zu sensibilisieren, wie eine echte Apothekenstärkung aussieht. Dabei ist viel Überzeugungsarbeit gefragt, verkündete Gabriele Regina Overwiening, zugleich Präsidentin der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL), bei deren Delegiertenversammlung am heutigen Mittwoch in Münster – und bat alle Apothekerinnen und Apotheker um Mithilfe.
Die Proteste der Apothekerschaft im Juni und nun im November haben ein positives Medienecho und viel Verständnis in der Bevölkerung hervorgerufen – und zumindest bei einigen Kommunal- und Landespolitikerinnen und -politikern eine gewisse Resonanz hervorgerufen.
Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) dagegen ließ sich noch nicht überzeugen. Und auch bei vielen anderen auf Bundesebene herrschten immer noch antiquierte und vorurteilsbehaftete Bilder vom Porsche fahrenden Apotheker vor und zugleich wenig Verständnis für den Unterschied zwischen Betriebsergebnis und Ertrag und den Wunsch der Bevölkerung nach einer wohnortnahen guten Arzneimittelversorgung.
»Im Koalitionsvertrag der Ampel war eine Stärkung der wohnortnahen Arzneimittelversicherung festgeschrieben. Stattdessen irrlichtert der Gesundheitsminister zwischen unsinnigen Projekten wie der Einführung teurer Gesundheitskioske und der Cannabis-Freigabe herum«, kritisierte Overwiening. »Vieles an den Ideen wird in den Raum geworfen, manches angefangen, aber nichts zu Ende gedacht und im Sinne einer guten Versorgung umgesetzt.«
Es ist zwar angekommen, dass etwas für die Apotheken vor Ort getan werden muss. Über das Wie hat der Minister nur vollkommen andere Vorstellungen als die Apothekerschaft, Stichwort »Apotheke light«, also Betriebe ohne Rezeptur, Labor, Notdienst und physisch anwesende Approbierte. Diese Pläne bezeichnete sie als »völlig ungeeignet«, um die Versorgungsqualität der Patienten zu gewährleisten. Vermeintliche Erleichterungen seien »trojanische Pferde«, die zu einer Zwei-Klassen-Versorgung zwischen strukturschwachen und -starken Regionen führen würden.
In den nächsten Wochen, spätestens im ersten Quartal 2024, erwartet die ABDA-Präsidentin einen Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zu den Ankündigungen, die Lauterbach beim und kurz vor dem Deutschen Apothekertag (DAT) gemacht hatte. Dann muss sich das Kabinett darüber einig werden, und zwar einstimmig. »Das ist ein großer Tauschmarkt«, erläuterte Overwiening das Politik-Geschäft, frei nach dem Motto »wenn ich deinem Entwurf zustimmen soll, kommst du mir bei meinem Entwurf entgegen.« Und wenn die Minister einmal Ja dazu gesagt hätten, würden sie im späteren Verlauf nicht wieder Nein sagen.
Dann wird der Regierungsentwurf in Bundesrat und Bundestag debattiert. Hier sind Änderungs-Anträge durch die Abgeordneten möglich. Overwiening hofft auf dieses Korrektiv durch die Parlamentarier. Geht alles seinen gewöhnlichen Gang, könnte das Gesetz zum 1. Januar 2025 in Kraft treten.
Den Bundestagsabgeordneten müsse vorher klar werden, was dieses Gesetz für die verbliebenen Apotheken in ihren Wahlkreisen bedeutet. Daher bat Overwiening eindringlich alle Apothekerinnen und Apotheker, mit den Bundestagsabgeordneten ihres Wahlkreises zu sprechen, vor allem mit denen der Regierungsparteien.
»Sensibilisieren Sie sie dafür, wie es wirklich um die Apotheken steht und was wir leisten. Viele wissen nicht, dass wir keine Dynamisierung unseres Honorars haben und keine Möglichkeit, darüber zu verhandeln. Wir sind durch die letzte Erhöhung des Kassenabschlags wieder auf dem Niveau von 2004 – und das bei einer Kostensteigerung von 60 Prozent in den letzten zehn Jahren.«
Die Apotheken sollten auch immer wieder darauf hinweisen, dass sie nur 2 Prozent der Kosten im GKV-System ausmachen – halb so viel wie die Verwaltungsausgaben. Sie zählen nicht zum großen Posten Arzneimittel – im Gegenteil, durch die Erfüllung von Rabattverträgen, Importquoten und dem Wirtschaftlichkeitsgebot helfen sie hier sogar beim Sparen. Und nicht zuletzt bieten die öffentlichen Apotheken rund 160.000 wohnortnahe, flexible, familienfreundliche Arbeitsplätze, die eine faire Vergütung entsprechend ihrer fachlichen Qualifikation und Leistung verdienen.
»Erklären Sie das Ihren Bürgermeistern und Abgeordneten im Landtag und Bundestag«, bat Overwiening. »Wir brauchen Sie alle, jetzt und vor allem während der entscheidenden Phasen im Gesetzgebungsverfahren.« Denn dem Apotheker, der Apothekerin aus dem eigenen Wahlkreis werde manchmal eher geglaubt als der Interessenvertretung. Und wenn die Abgeordneten es einstimmig von vielen Apothekerinnen und Apothekern immer wieder hörten, zögen sie eher in Zweifel, was ein Ministerium zur Durchschnittsapotheke erzählt.
»Apotheken stärken. Jetzt!«, wiederholte Overwiening das Mantra der letzten Delegiertenversammlung der AKWL und des Deutschen Apothekertags. Denn Apotheken sterben bereits jetzt. Nach aktuellen Schätzungen der Treuhand Hannover seien in Nordrhein-Westfalen 37 Prozent der Apotheken akut gefährdet. Das sie überhaupt noch existieren, liege an der schieren Selbstausbeutung der Inhabenden und ihrer Teams. Viele von ihnen könnten hochpreisige Arzneimittel mittlerweile nicht mehr vorfinanzieren.
In Westfalen Lippe gibt es aktuell noch 1727 Apotheken, und es sind noch mindestens 13 Schließungen für dieses Jahr angekündigt. Bleibt es dabei, wären es 46 Apotheken, die in diesem Kammerbezirk aufgegeben werden mussten. »Wenn über viele Jahrzehnte stabile und für die Versorgung im Quartier wichtige Apotheken aufgeben müssen, dann stimmen die Rahmenbedingungen nicht mehr«, betonte Overwiening. »Wir können einfach keine weiteren Schließungen tolerieren.«