Pharmazeutische Zeitung online
Apotheker ohne Grenzen

Wie funktioniert eine Feldapotheke im Krisenfall?

Lieferengpässe sind deutsche Apotheken mittlerweile gewohnt. In einem Katastrophen- oder Kriegsgebiet stehen jedoch deutlich weniger Ressourcen zur Verfügung. Eine entsprechende Schulung bietet derzeit die Hilfsorganisation Apotheker ohne Grenzen (AoG) an. Im Interview erklärt Referentin Dr. Carina Vetye, warum das für alle Apotheker interessant ist.
Daniela Hüttemann
30.04.2024  18:00 Uhr

PZ: Wie funktioniert die Arzneimittelversorgung in einem Katastrophenfall oder Kriegsgebiet?

Vetye: In der Nothilfe arbeiten wir mit sogenannten Kits, einer standardisierten Ausrüstung nach internationalen Vorgaben. Kernstück ist das Interagency Emergency Health Kit (IEHK). Es besteht aus etwa 65 Kisten, die jeweils etwa 20 Kilogramm schwer sind. Das ist etwa ein Flur voll. Sie enthalten Arzneimittel, Verbandmaterial und anderes Equipment, um etwa 10.000 Menschen für drei Monate mit dem Nötigsten versorgen zu können.

PZ: Was sind dort für Arzneimittel enthalten?

Vetye: Vom Kopfschmerzmittel über Säureblocker und Antibiotika bis zu Mitteln gegen Fußpilz und Wurmerkrankungen. Dann gibt es noch Cholera-Kits, Trauma-Kits, ein Kit für chronische Erkrankungen und mehr. Im IEHK sind etwa 70 Wirkstoffe enthalten, die wir in Deutschland teilweise kaum oder anders nutzen – bezogen auf Indikation, Dosierung und auch Gegenanzeigen. Aus deutscher Sicht ist es oft ein Off-Label-Use, es handelt sich aber um weltweit anerkannte und von der WHO empfohlene Erstlinien-Therapien. Man hat ein sehr spartanisches Sortiment, das man sehr sorgfältig einsetzen muss. Das ist sehr herausfordernd.

PZ: Sollte es nicht sogar einfacher sein, wenn die Auswahl begrenzt ist?

Vetye: Ich muss mich als Apothekerin vor dem Einsatz intensiv mit dem IEHK auseinandersetzen, denn Ärzte und Pflegekräfte erwarten im Notfall schnelle Antworten von mir und ich habe keine Zeit für lange Recherchen. Ich muss wissen: Was habe ich da, kann ich es entgegen dem, was ich nach deutscher Fachinformation gelernt habe, auch bei kritischen Patientengruppen wie Schwangeren und Kleinkindern einsetzen, was steht zur Verfügung, um Injektionen und Infusionen aufzubereiten. Das IEHK enthält zum Beispiel keine Kochsalzlösung. Und ich muss die Dosis für Kinder berechnen können.

PZ: Gibt es dafür keine Anleitung oder Datenbank?

Vetye: Nein, genau das ist das Problem. Jeder Kiste liegt nur eine Packliste bei. Nicht immer hat man Strom und Internet. Seit 2012 arbeite ich daran, für das IEHK und ergänzende Bausteine wie die Cholera- und Pneumonie-Kits, die wesentlichen Informationen übersichtlich auf jeweils einer Seite für jedes Präparat als Handbuch zusammenzustellen. Das geben wir in Papierform mit. In einer Schulung (siehe Kasten) besprechen wir den Umgang mit dem Kit, auch anhand von konkreten Patientenfällen: Welches Mittel gegen Spulwürmer bei einem einjährigen Kind? Was geben bei einer unkomplizierten Malaria bei einer Schwangeren? Dazu gibt es praktische Tipps zur Organisation, denn als Apotheker sind wir auch für die Lagerhaltung zuständig. Muss man die 65 Kisten selbst umrücken, ist das viel Arbeit.

PZ: Könnte das IEHK im Krisenfall auch in Deutschland zum Einsatz kommen?

Vetye: Nein. Es ist für den internationalen Krisenfall nach Vorgaben der WHO konzipiert und kann auch aus Kosten- und steuerrechtlichen Gründen nicht innerhalb der EU eingesetzt werden. Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass auch bei größeren Krisenfällen in der EU die Arzneimittelversorgung nicht ganz in die Knie geht. Ist sie ja bislang auch nicht, weder bei der Flut im Ahrtal noch während der Pandemie oder Flüchtlingskrise. Es wird aber beispielsweise in der Ukraine eingesetzt.

PZ: Ist eine Schulung auch für Apotheker interessant, die nicht vorhaben, für AoG oder eine andere Hilfsorganisation zu arbeiten?

Vetye: Auf jeden Fall. Es geht darum, zu verstehen, wie Arzneimittelversorgung im Krisenfall funktioniert, warum wir mit diesen Kits arbeiten, weshalb gut gemeinte Arzneimittelspenden kontraproduktiv sind und wir daher um Geldspenden bitten, damit wir schnell bedarfsgerecht einkaufen können. Abgesehen davon kann es jedem von uns passieren, dass er im Urlaub in eine Krisensituation gerät. Ich selbst bin während der Pandemie monatelang in Argentinien hängen geblieben. Dann sollte man als Heilberufler helfen können. Es gibt zudem drei Fortbildungspunkte. Und vielleicht motiviert es ja auch, selbst in der Nothilfe aktiv zu werden. Dazu bieten wir Einsatzkräfteschulungen an.

PZ: Welche Fähigkeiten und Eigenschaften sollten Apotheker neben Fachwissen mitbringen, die sich für einen Einsatz im Ausland interessieren?

Vetye: Neben einer Schulung sind das Berufserfahrung und gute Englischkenntnisse, gern auch weitere Sprachen und Auslandsaufenthalte. Man muss vor allem ohne Bequemlichkeiten auskommen können und auf Überraschungen gefasst sein. Es ist aber auch genauso hilfreich, Geldspenden zu sammeln und zu informieren sowie die Probleme im eigenen Land anzugehen, sich zum Beispiel in der Flüchtlings- und Obdachlosenhilfe zu engagieren, was ja auch viele Kolleginnen und Kollegen tun. Es ist ein toller Beruf, man kann sehr pharmazeutisch arbeiten und in der Nothilfe fehlen noch viel zu viele Apotheker.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa