Wie funktioniert die Erstattung bei unseren Nachbarn? |
Lukas Brockfeld |
25.02.2025 16:20 Uhr |
Der britische Föderalismus schafft ein komplexes und uneinheitliches Gesundheitssystem. Anders sieht es im zentralistischen Frankreich aus, dessen System ebenfalls von Tilo Mandry vorgestellt wurde. Etwa 54 Millionen Menschen in Frankreich sind über das Régime Général krankenversichert, das auch für die Erstattung von Medikamenten zuständig ist. Allerdings werden nicht alle Arzneimittel in vollem Umfang erstattet. Viele Französinnen und Franzosen haben daher noch eine private Zusatzversicherung.
In Frankreich führt die Haute Autorité de Santé (HAS) ein Nutzenbewertungsverfahren für neue Arzneimittel durch. Diese gelten im ganzen Land, es gibt keine regionalen Verfahren. Zunächst wird der klinische Nutzen eines neuen Medikamentes bewertet. Hier entscheidet sich, ob die Krankenversicherung 15, 30 oder 65 Prozent eines Arzneimittels bezahlt. Der Rest muss von den Patienten oder einer privat abgeschlossenen Zusatzversicherung gezahlt werden. Einige Medikamente, vor allem zur Behandlung seltener Erkrankungen, werden speziell von Krankenhäusern an ambulante Patienten abgegeben. Diese werden zu 100 Prozent von der Krankenkasse erstattet.
In einem ähnlichen Verfahren wird der klinische Nutzen eines Arzneimittels ermittelt, der für die Preisverhandlungen mit den Herstellern entscheidend ist. Je höher der klinische Nutzen ist, desto mehr können die Hersteller für ein Medikament verlangen. Das französische Gesundheitssystem ist defizitär. Daher versuchen die Entscheider, die Gesundheitsausgaben zu senken, was im Bereich der Arzneimittelerstattung oft zu langwierigen Verfahren führt.
Italien hat laut Tilo Mandry mit dem Servizio Sanitario Nazionale (SSN) ein staatliches und steuerfinanziertes Gesundheitssystem. Das Erstattungsverfahren läuft über die Zulassungsbehörde Agenzia Italiana del Farmaco (AIFA). Hier werden in zwei Verfahren der therapeutische Wert und der Preis für das jeweilige Arzneimittel festgestellt. Im Anschluss erfolgt eine Aufnahme in das nationale Preisregister, hier werden die Medikamente entweder dem ambulanten oder dem stationären Bereich zugeordnet. Außerdem gibt es eine Klasse für nicht erstattungsfähige Arzneimittel.
Das italienische Gesundheitssystem ist in 20 Regionen unterteilt, die alle eigene regionale Arzneimittelverzeichnisse haben. Diese gelten neben dem nationalen System. Grundsätzlich haben alle Patientinnen und Patienten in Italien einen Anspruch auf alle Medikamente, die im nationalen Register gelistet sind. Doch da laut italienischer Verfassung die Regionen für die konkrete Gestaltung und Finanzierung des jeweiligen Gesundheitswesens zuständig sind, kommt es häufig zu Unklarheiten und Konflikten.
Tilo Mandry stellte in der vergangenen Woche außerdem die Erstattungssysteme von Schweden, Dänemark, Österreich und Spanien vor.