Wie Feinstaub das Lungenkrebsrisiko erhöht |
Christina Hohmann-Jeddi |
13.04.2023 13:00 Uhr |
Je höher die Feinstaubbelastung am Wohnort ist, desto größer ist auch das Risiko für Lungenkrebs, zeigt eine aktuelle Studie. / Foto: Getty Images/Yiu Yu Hoi
Luftverschmutzung ist bekanntermaßen mit einem erhöhten Risiko für Lungenkrebs verbunden. Ein wichtiger Faktor dabei ist Feinstaub, vor allem Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 µm (PM2,5), die tief in die Atemwege eindringen und diese schädigen können. Feinstaub scheint dabei das Lungenkrebsrisiko über andere Mechanismen zu erhöhen als Tabakrauch, beschreiben Forschende um William Hill vom Francis Crick Institute in London und dem University College London im Fachjournal »Nature«.
Dabei spielen auch bekannte Krebsmutationen in den Genen für KRAS und EGFR (epidermaler Wachstumsfaktor) eine Rolle. Wie diese genau mit Luftverschmutzung zusammenwirken, war bisher unklar. Um den Zusammenhang zu untersuchen, analysierte das Team um Hill in einer Kohortenstudie die Daten von fast 33.000 Personen in Großbritannien, Südkorea, Taiwan und Kanada mit Blick auf eine Lungenkrebsart, bei der EGFR mutiert ist. Diese Mutation kommt vor allem in Lungentumoren von Nichtrauchern vor.
Der Analyse zufolge war eine erhöhte PM2,5-Konzentration in der Umgebungsluft bei EGFR-mutationspositiven Personen mit einem zunehmenden Risiko für ein nicht kleinzelliges Lungenkarzinom verbunden. Den Forschenden zufolge könnten bereits drei Jahre PM2,5-Belastung ausreichen, um das Risiko der Entwicklung von EGFR-bedingtem Lungenkrebs zu erhöhen.
An Mausmodellen und menschlichen Zellen untersuchte das Team die zugrundeliegenden zellulären Mechanismen der Krebsentstehung. Es stellte fest, dass Feinstaub keine neuen Mutationen im Gewebe verursachte, sondern Entzündungsprozesse auslöste, die die Tumorentstehung durch bereits bestehende Mutationen, hier bei EGFR und KRAS, begünstigte. PM2,5 scheine im Gewebe das Einwandern von Immunzellen und die Freisetzung des proinflammatorischen Zytokins Interleukin-1β (IL-1β) zu induzieren, heißt es in der Publikation. In der inflammatorischen Umgebung würden dann normalerweise ruhende Lungenzellen (vermutlich Pneumozyten Typ II) zur Teilung angeregt.
Damit könnte sich der zugrundeliegende Prozess der Krebsentstehung bei Feinstaub von dem bei Tabakrauch unterscheiden, da Letzterer über vermehrte Veränderungen des Erbguts wirkt und zusätzlich proinflammatorisch ist. Die Ergebnisse könnten zur Entwicklung von medikamentösen Ansätzen führen, denn die Krebsentstehung ließ sich durch die Gabe von Antikörpern, die IL-1β abfangen, unterdrücken.