Wie Estrogene hormonunabhängige Tumoren fördern |
Laura Rudolph |
02.10.2024 15:00 Uhr |
Estrogene stimulieren das Wachstum von Tumoren mit Estrogenrezeptoren auf direkte Weise. Bei bestimmten hormonunabhängigen Krebsarten können sie die Konzentration von bestimmten Immunzellen im Gewebe reduzieren und damit indirekt die Krebsabwehr schwächen. / Foto: Adobe Stock/peterschreiber.media
Estrogene können das Wachstum von Brustkrebszellen, die entsprechende Hormonrezeptoren auf ihrer Oberfläche ausbilden, fördern. Einer neuen Studie zufolge könnten sie aber auch hormonunabhängige Brustkrebsformen und andere Tumoren wie Haut- oder Darmkrebs in ihrem Wachstum begünstigen. Das berichten Forschende um Dr. Sandeep Artham von der Duke University School of Medicine in Durham, USA, im Fachjournal »Science Advances«. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Hormone mit einer verringerten Anzahl an Eosinophilen (einer bestimmten Unterart weißer Blutkörperchen) im Tumorgewebe einhergehen und damit auch mit einer geschwächten Immunantwort gegen den Tumor.
Im Mausmodell schwächten Estrogene zudem den Erfolg von Krebsimmuntherapien ab, beispielsweise mit Immuncheckpoint-Inhibitoren. Umgekehrt verbesserte sich die Behandlung durch die zusätzliche Gabe eines antiestrogenen Wirkstoffs. Das Team um Artham leitet daraus ab, dass Antiestrogene ein möglicher ergänzender Therapieansatz sein könnten, um die Wirkung von Immuntherapien gegen bestimmte Krebsformen zu steigern, darunter auch gegen das schwer behandelbare triple-negative Mammakarzinom.
In einer retrospektiven Analyse wertete das Forschungsteam Daten von Krebspatienten aus, um mögliche Zusammenhänge zwischen Estrogenen und dem Verhalten von verschiedenen Tumoren zu identifizieren. Zudem beobachtete es die direkte Wirkung von Estrogenen und Anti-Estrogenen auf Tumoren und Immunzellen im Mausmodell.
Artham und Kollegen stellten fest, dass Estrogene die Anzahl der Eosinophilen im Tumor verringern. Eine erhöhte Anzahl von Eosinophilen im Tumorgewebe, bekannt als tumorassoziierte Gewebe-Eosinophilie (TATE), ist jedoch mit besseren Therapieergebnissen und einer günstigeren Prognose bei verschiedenen Krebsarten wie Darm-, Speiseröhren-, Magen- und Leberkrebs verbunden. Umgekehrt geht die Verringerung der Eosinophilen durch Estrogene mit einer geschwächten Immunantwort einher.
»Unsere Forschung zeigt, dass Estrogene die Fähigkeit des Immunsystems, Tumoren anzugreifen, schwächen und die Wirkung von Immuntherapien reduzieren«, fasste Seniorautor Professor Dr. Donald McDonnell in einer Pressemitteilung zusammen.
Antiestrogene Therapien, die bisher nur bei Estrogenrezeptor-positivem Brustkrebs eingesetzt wurden, könnten auch den Erfolg von Immuntherapien bei Estrogenrezeptor-negativen Tumoren, insbesondere beim schwer behandelbaren triple-negativen Brustkrebs (TNBC), verbessern. In der Studie erhöhten antiestrogene Substanzen die Anzahl der Eosinophilen im Tumor und verlangsamten das Tumorwachstum im Mausmodell. Besonders effektiv war die Kombination von antiestrogenen Therapien mit Immuncheckpoint-Inhibitoren, was zu einer verbesserten Tumorbekämpfung führte.
»Die Behandlung des triple-negativen Brustkrebses hat sich durch den Einsatz von Immuntherapien deutlich verbessert«, erklärte McDonnell. »Unsere Forschung zeigt nun einen einfachen Weg auf, um die Wirksamkeit dieser Immuntherapien weiter zu steigern – und das nicht nur bei Brustkrebs, sondern auch bei anderen Krebsarten wie Melanom und Darmkrebs.«
Die Forschenden planen bereits klinische Studien mit dem selektiven Estrogenrezeptor-Modulator (SERM) Lasofoxifen, um seine Wirksamkeit bei Patientinnen mit TNBC zu testen. Lasofoxifen wirkt als Partialagonist an Estrogenrezeptoren und blockiert dadurch bestimmte Wirkungen des Hormons.