Wie das Immunsystem DNA als Gefahr erkennt |
Theo Dingermann |
17.03.2025 12:30 Uhr |
Die Professoren Dr. Andrea Ablasser, Dr. Glen Barber und Dr. Zhijian Chen wurden vergangenen Freitag mit dem diesjährigen Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Preis ausgezeichnet. / © Goethe-Universität Frankfurt am Main
Am 14. März, dem Geburtstag des großen Immunologen, Wissenschaftlers und Nobelpreisträgers Paul Ehlich (1854-1915), wird in jedem Jahr in der Frankfurter Paulskirche der mit 120.000 Euro dotiert Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter vergeben. Er gilt als der renommierteste und höchstdotierte deutsche Medizinpreis. In diesem Jahr erhielten drei Forschende aus drei Nationen die Auszeichnung:
Diese drei Forschenden haben entscheidend einen Teil des evolutionär sehr alten, angeborenen Immunsystems aufgeklärt, das dann aktiviert wird, wenn doppelsträngige DNA im Plasma einer Zelle auftaucht. Dann ist Gefahr im Verzug, weil diese DNA durch virale oder bakterielle Infektionen oder durch zelluläre Fehlfunktionen an falscher Stelle in einer Zelle auftaucht. Denn DNA ist normalerweise streng kompartimentiert nur im Zellkern oder in den Mitochondrien enthalten.
Die spannende Geschichte begann mit der Isolierung eines Proteins durch Glen Barber, das im Endoplasmatischen Reticulum (ER) verankert ist und das nach einer Infektion mit DNA-Viren die Produktion von Interferon-ß und anderen Zytokinen als Teil der angeborenen Immunabwehr induziert. Barber nannte dieses Protein »STING« (Stimulator von Interferon-Genen). Indirekt aktiviert doppelsträngige DNA (dsDNA) STING. Verblüffend war jedoch, dass STING selbst nicht mit DNA interagiert.
Es fehlte ein Sensor. Diesen Sensor und dessen Boten, die letztlich STING aktivieren, entdeckte Zhijian Chen. Er isolierte ein kleines, ringförmiges Dinukleotid namens cGAMP, das einzigartig nur in dem hier untersuchten Signalweg vorkommt. Der Sensor selbst ist ein Enzym, das die Bildung von cGAMP aus ATP und GTP katalysiert. Auch dieses Enzym, das heute als diese cGAMP-Synthase (cGAS) bekannt ist, isolierte Chen.
Die Biosynthese des ausgefallenen Botenstoffs cGAMP hatte Andrea Ablasser aufgeklärt, die für diese Leistung bereits 2014 mit dem Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Nachwuchspreis ausgezeichnet worden war.
Natürlich erhofft man sich von solch fundmentalen Entdeckungen auch Ansätze für einen Einsatz in der Medizin. Agonisten für diesen Signalweg könnten die Therapieoptionen für Tumorerkrankungen ergänzen. Antagonisten werden beispielsweise für einen Einsatz bei chronischen Entzündungen entwickelt.
Mit dem Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Nachwuchspreis 2025 wurde Professor Dr. Tobias Ackels von der Universität Bonn ausgezeichnet. Er forscht bahnbrechend am Geruchssinn, der sich fundamental von den anderen Sinnen unterscheidet und von vielen hundert unterschiedlichen Rezeptoren vermittelt wird.
Im Fokus der Preisverleihung standen in diesem Jahr nicht nur herausragende wissenschaftliche Leistungen. So verwiesen in ihren Grußworten der Vorsitzende des Stiftungsrats der Paul-Ehrlich-Stiftung, Professor Dr. Thomas Boehm, und der hessische Wissenschaftsminister, Timon Gremmels, sowie der Staatssekretär in Bundesgesundheitsministerium (BMG), Dr. Thomas Steffen, darauf, dass diese Preisverleihung in eine Zeit fällt, in der die Demokratie wieder einmal in großer Gefahr sei. Dem Anlass angemessen zitierte Boehm in seiner Einführung Max Perutz, einen der Begründer der Molekularbiologie: »In science, truth always wins.«