| Theo Dingermann |
| 26.11.2025 15:30 Uhr |
Bei Alzheimer bilden sich unter anderem τ-Fibrillen im Gehirn. / © Getty Images/Richard Drury
Einige Menschen mit Down-Syndrom bleiben trotz einer ausgeprägten Alzheimer-Pathologie bis ins Alter geistig leistungsfähig. Diesem Phänomen ging ein Forscherteam um Dr. Mengmeng Jin vom Department of Cell Biology and Neuroscience an der Rutgers University-New Brunswick in Piscataway, USA, auf den Grund. Deren Ansatz war, so werden die Forschenden in einer Pressemitteilung zitiert, nach Mutationen Ausschau zu halten, die das Risiko für Alzheimer verringern, statt nach Risiko-Mutationen für die Alzheimer-Krankheit zu suchen. Und da spielte ihnen diese kleine Gruppe von Down-Syndrom-Patienten in die Karten, wie sie in einer Arbeit zeigen, die jetzt im Wissenschaftsjournal »Nature Neuroscience« erschienen ist.
Denn die Forschenden vermuteten, dass bestimmte somatische Mutationen im Blutsystem, die bei Personen mit Trisomie 21 häufiger auftreten, die Mikroglia widerstandsfähiger gegen Alzheimer-typische τ-Proteine machen könnten. Mikroglia sind eine Art Makrophagen des Zentralnervensystems.
Bei der Mutation, auf die sich die Forschenden konzentrierten, handelt es sich um eine sogenannte CSF2RB A455D Gain of Function-Mutation. Das Gen CSF2RB codiert die gemeinsame β-Kette (βc) der IL-3/IL-5/GM-CSF-Rezeptorfamilie. Beim Rezeptor für den Granulozyten/Makrophagen-stimulierenden Faktor (GM-CSF) führt diese Mutation dazu, dass der Rezeptor in myeloiden Zellen dauerhaft aktiviert ist und über STAT5 Signale in den Zellkern sendet.
Die Forschenden testeten ihre Hypothese, indem sie die CSF2RB A455D-Mutation mithilfe von CRISPR/Cas9 in induzierte humane pluripotente Stammzellen (hiPSC) von Trisomie-21-Patienten sowie von gesunden Probanden einführten und die Zellen anschließend zu Mikroglia ausdifferenzierten. Dann transplantierten sie die mutierten Mikroglia in chimäre Gehirne von Labormäusen, in denen sowohl humane als auch murine Proteine exprimiert werden.
Durch Einzelzell-RNA-Sequenzierung konnten die Forschenden zeigen, dass die CSF2RB-A455D-Mikrogliazellen eine neue, schützende Untergruppe der Mikroglia, sogenannte »protective Disease-Associated Microglia« (pDAM)-Cluster ausbilden. Diese Zellen unterscheiden sich funktionell klar von klassischen, oft dysfunktionalen DAM-Stadien. Sie zeigen weniger entzündliche und weniger seneszente Eigenschaften. Dagegen ist ihre Fähigkeit zur Reparatur und zum Abbau von τ-Protein erhöht. Auf neuronaler Ebene führt dies zum Erhalt der Synapsenfunktion (LTP) und zur verbesserten Neurogenese, ganz anders als im Fall der Kontrollmikroglia, die unter τ-Belastung schnell dysfunktional werden.
Besonders bemerkenswert ist, dass die mutierten Mikroglia in Gegenwart pathologischer τ-Proteine sogar wildtypische Mikroglia im Gehirn ersetzen. Sie beseitigen deren Zelltrümmer und übernehmen deren Funktion – ein Hinweis darauf, dass sie unter Krankheitsdruck überlegen sind.
Wichtig ist, dass die beobachteten positiven Effekte auch in Stammzelllinien auftreten, die nicht von Patienten mit Down-Syndrom stammen. Die Mutation wirkt also unabhängig von einer Trisomie 21-Genetik. Damit lässt sich der Mechanismus generalisieren und bietet einen möglichen Ansatz für zukünftige Zelltherapien bei Alzheimer-Demenz und anderen Tauopathien. Gleichzeitig unterstreichen die Autoren die Relevanz somatischer Mutationen in myeloiden Stammzellen als potenzielle natürliche Quelle neuroprotektiver Varianten.
Insgesamt liefert die Studie einen starken Beleg dafür, dass genetisch modifizierte menschliche Mikroglia therapeutisch genutzt werden könnten, um Alzheimer-assoziierte Hirnschäden abzumildern. Dies ist sicherlich derzeit noch nicht möglich. Aber es sehr realistisch anzunehmen, dass eine Mikroglia-basierte Zelltherapie nach dem in dieser Arbeit aufgedeckten Prinzip ein realistischer Therapieansatz der Zukunft sein könnten.