WHO ruft gesundheitliche Notlage aus |
Sven Siebenand |
14.08.2024 22:10 Uhr |
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat angesichts steigender Mpox-Fallzahlen in Afrika und einer neuen Virusvariante eine gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite ausgerufen. / Foto: Imago Images/Zuma Press Wire
Mpox, früher als Affenpocken bezeichnet, ist eine Viruserkrankung, die durch das Mpox-Virus (Orthopoxvirus simiae) ausgelöst wird. Dieses Virus ist mit dem klassischen Pockenvirus verwandt. Bekannt sind grundsätzlich zwei Typen des Mpox-Virus. Das ist einerseits der Typ des Kongobeckens (Klade I) und andererseits der westafrikanische Typ (Klade II). Klade I gilt als der Virustyp mit der höheren Infektiosität und der höheren Mortalitätsrate als Klade II.
Mpox verläuft bei den meisten Betroffenen mild. Dennoch sind schwere Verläufe möglich, zum Beispiel bei Kindern und bei immunsupprimierten Menschen. Übertragen wird das Mpox-Virus laut Informationen des Robert-Koch-Instituts durch Haut-zu-Haut-Kontakt beim Sex, bei engem Umarmen oder Küssen. Eine Infektion ist auch bei Kontakt mit Sexspielzeug und bei Kontakt mit Stoffen und Oberflächen, die von einer infizierten Person benutzt oder berührt wurden, möglich. Auch eine Tröpfchen-Übertragung bei unmittelbarer Nähe zur erkrankten Person ist möglich. In Gebieten, in denen Mpox endemisch ist, erfolgt die Übertragung auf den Menschen oft auch durch Kontakt zu infizierten Tieren beziehungsweise deren Ausscheidungen und durch den Verzehr von nicht ausreichend erhitztem Fleisch infizierter Tiere. Das Virus kommt vor allem bei Nagetieren vor. Der Erreger kommt bei Affen eher selten vor, sodass die frühere Bezeichnung als Affenpockenvirus irreführend ist.
Symptome von Mpox treten meist 4 bis 21 Tage nach der Ansteckung auf. Typisch sind Hautveränderungen wie Pickel, Blasen, Ausschlag und Wunden im Genital- oder Analbereich und auch an anderen Stellen wie Hände, Füße, Brust, Gesicht oder Mund. Die Hautveränderungen können teils sehr schmerzhaft sein. Allgemeine Krankheitssymptome können Fieber, Kopfschmerz, geschwollene Lymphknoten sowie Abgeschlagenheit sein.
In der EU ist ein Pocken-Impfstoff zugelassen, der auch zum Schutz vor Mpox eingesetzt werden darf. Die Impfung schützt am besten, wenn sie vorbeugend erfolgt. Aber auch eine postexpositionelle Impfung, möglichst innerhalb von vier Tagen nach dem Kontakt zu einer infizierten Person, kann das Erkrankungsrisiko verringern.
Vor knapp einem Jahr wurde an der Grenze der Demokratischen Republik Kongo zu Ruanda und Burundi ein neuer Stamm von Mpox-Viren identifiziert. Dabei handelt es sich um eine Variante der Klade I. Bezeichnet wird dieser neue Stamm als Klade Ib. Möglicherweise geht von ihm eine höhere Gefahr aus, da er sich vielleicht leichter verbreitet und auch zu schwereren Erkrankungen und mehr Todesfällen bei Kindern und Erwachsenen sowie zu Fehlgeburten führen kann.
Hinter diese Vermutungen setzen einige Experten allerdings ein Fragezeichen, so zum Beispiel Professor Dr. Roman Wölfel von der Universität der Bundeswehr in München. In einem Statement gegenüber dem Science Media Center (SMC) sagt der Leiter des Instituts für Mikrobiologie, dass derzeit noch keine verlässliche wissenschaftliche Aussage darüber getroffen werden könne, ob es sich bei der Klade Ib um eine »tödlichere« Variante von Mpox handelt. Und: »Auch für eine mögliche höhere Infektiosität sehe ich im Moment noch keine sichere wissenschaftliche Datengrundlage.«
Ob wegen der neuen Subvariante oder nicht: Fakt ist, dass mindestens 13 afrikanische Länder, darunter bisher nicht betroffene Staaten wie Burundi, Kenia, Ruanda und Uganda, Mpox-Ausbrüche gemeldet haben. In einer aktuellen Pressemitteilung von Africa CDC heißt es, dass diese Länder im laufenden Kalenderjahr bisher 2863 Mpox-Erkrankungen und 517 Todesfälle bestätigt hätten. Betroffen sei vor allem die Demokratische Republik Kongo. Die Zahl der Verdachtsfälle auf dem gesamten Kontinent sei auf mehr als 17.000 angestiegen – eine deutliche Zunahme gegenüber 7146 Fällen im Jahr 2022 und 14.957 Fällen im Jahr 2023. Dies sei nur die Spitze des Eisbergs, wenn man die vielen Schwachstellen bei der Überwachung, den Labortests und der Rückverfolgung von Kontakten bedenke, so Africa CDC.
In die gleiche Kerbe schlägt in der Pressemitteilung auch der Epidemiologe Professor Dr. Salim S. Abdool Karim. Er befürchtet, dass die Situation ernster sein könnte als bisher angenommen. »Es ist klar, dass wir mit einem anderen Szenario konfrontiert sind, mit viel mehr Fällen, was zu einer höheren Krankheitslast führt. Karim äußerte sich auch besorgt über die steigende Zahl der Todesfälle, insbesondere über die mögliche Verbindung zwischen HIV und Mpox. »Wir befürchten, dass es in Afrika aufgrund des Zusammenhangs mit HIV zu mehr Todesfällen kommen könnte«, sagte der Leiter von CAPRISA, einem Aids-Forschungsprogramm mit Sitz in Durban, Südafrika.
Erstmals seit seiner Gründung im Jahr 2017 erklärte Africa CDC am 13. August einen öffentlichen Gesundheitsnotfall der kontinentalen Sicherheit. Dadurch können mehr Finanzmittel bereitgestellt werden, um die Länder bei der Eindämmung von Mpox zu unterstützen, zum Beispiel durch den Ausbau von Surveillance-Systemen sowie von Labortests und personellen Kapazitäten.
Auch um internationale Hilfe hat Africa CDC gebeten. Die EU-Kommission teilte heute mit, dass sie etwa 175.000 Impfdosen spenden werde. Zusätzlich will das Pharmaunternehmen Bavarian Nordic, das den Impfstoff, der in Deutschland unter dem Namen Imvanex® vermarktet wird, herstellt, 40.000 Dosen zur Verfügung stellen. Zugelassen ist der Impfstoff in Deutschland zur aktiven Immunisierung gegen eine durch Pocken-, Affenpocken- sowie Vacciniaviren hervorgerufene Erkrankung bei Erwachsenen. Bis dato liegt laut Africa CDC nur in zwei afrikanischen Ländern eine Notfallzulassung für den Impfstoff vor, was sich nun womöglich schnell ändern wird.
Einen Tag nachdem Africa CDC den öffentlichen Gesundheitsnotfall der kontinentalen Sicherheit ausgerufen hatte, meldete sich nun auch die WHO zu Wort. Im Mai 2022 hatte sie angesichts der internationalen Verbreitung der Klade II von Mpox schon einmal eine gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite ausgerufen, dies dann im Juli 2023 wieder zurückgenommen. Nun hat sie erneut wegen Mpox ihre höchste Alarmstufe ausgerufen.
Diese Maßnahme wird ergriffen, wenn sich eine Krankheit über Landesgrenzen hinweg auszubreiten droht und so zum Gesundheitsrisiko für andere Länder und den internationalen Verkehr wird. Die WHO sieht dieses Risiko für Mpox als gegeben an. Sie folgte der Empfehlung von unabhängigen Experten, die heute auf WHO-Einladung im sogenannten Notfallausschuss getagt hatten. Die Sorge der WHO bezieht sich unter anderem auf die genannte neue Virusvariante und die Ungewissheit, wie pathogen sie ist. Detaillierte Studien dazu stehen noch aus.
Konkrete Konsequenzen löst die Maßnahme der WHO erst einmal nicht aus. Sie soll vielmehr Anstoß sein, dass sich die Behörden weltweit auf mögliche Mpox-Ausbrüche vorbereiten. Welche Maßnahmen ergriffen werden, entscheidet jedes Land selbst. Die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC schätzte das Risiko einer Ausbreitung der neuen Variante in Europa Ende Juli als »sehr gering« ein.
In einem SMC-Statement spricht die Leiterin des Instituts für Virusforschung der Erasmus-Universität Rotterdam, Professor Dr. Marion Koopmans, nicht von einem sehr geringen, sondern nur von einem geringen Risiko. »Bislang wird die Wahrscheinlichkeit einer Ausbreitung der Klade Ib auf Europa als gering eingeschätzt, obwohl es natürlich möglich ist. Daher sollten auch außerhalb der afrikanischen Region die weitere Überwachung der Situation und die Typisierung neu diagnostizierter Fälle das Minimum sein.«
Ähnlich äußert sich Dr. Klaus Jansen vom Robert-Koch-Institut. »Eine Ausbreitung der Klade-I-Viren nach Europa ist durch reiseassoziierte Infektionen prinzipiell möglich. Innerhalb Europas wäre nach aktueller Kenntnislage eine Weiterverbreitung insbesondere durch sexuelle Transmission denkbar.«