Wessen Handschrift trägt die Apothekenreform? |
| Alexander Müller |
| 06.11.2025 12:12 Uhr |
ABDA-Präsident Thomas Preis sieht drei große Kritikpunkte an der Apothekenreform. / © PZ/Alois Mueller
Genau vor einem Jahr, am 6. November 2024, ist die Ampel-Koalition zerbrochen. Die umstrittenen Reformpläne von Ex-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SDP) waren ebenfalls der Uneinigkeit in der Regierung zum Opfer gefallen. Auf den Tag ein Jahr später findet heute die Verbändeanhörung zum Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG) statt.
»Die Rakete von Minister Lauterbach hat nicht abgehoben. Und jetzt steht die gleiche Rakete auf dem Startblock«, so Preis mit Blick auf die aktuellen Reformpläne. Der AVNR-Vorsitzende nannte die drei größten Kritikpunkte an der Reform, von denen die ABDA insgesamt 40 ausgemacht hat.
Erneut fehlt der Apothekerschaft die Erhöhung des Fixums, bei der geplanten Verhandlungslösung vermisst die ABDA klare Vorgaben und erneut stehe eine Apotheke ohne Apothekerin und Apotheker im Gesetz – Stichwort PTA-Vertretung. Preis fragt sich, aus wessen Feder diese Reform eigentlich stammt und verwies auf den Ministerialapparat im BMG.
Bis zum Kabinettsentwurf am 17. Dezember müssen laut Preis zumindest die drei großen Fehler noch behoben werden. Ob es Gespräche über Alternativen zur Fixumserhöhung geben könne, wollte Preis beim OTC-Gipfel öffentlich nicht weiter kommentieren. Aber der Gesprächsfaden zur Ministerin sei mittlerweile ein verlässliches Seil.
Dennoch sei es wichtig, dass auch jetzt schon die Abgeordneten auf die Schwachstellen der Reform aufmerksam gemacht werden, um den Widerstand gegen die Pläne in den Regierungsfraktionen zu erhöhen. Denn wenn das Gesetz erst einmal im parlamentarischen Verfahren sei, seien Änderungen zwar noch möglich, aber schwieriger als in dieser Phase.
Der Gesundheitsökonom Uwe May ordnete beim OTC-Gipfel in seinem Impulsreferat „Selfcare und Selbstmedikation aus der Vor-Ort-Apotheke“ im Zusammenhang mit der geplanten Apothekenreform ein.
Seine Analyse des Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetzes (ApoVWG) ergibt ein gemischtes Fazit: Auf der Habenseite stehen die neuen Kompetenzen für Apotheken, die Stärkung von Prävention und die Bürokratieentlastung sowie das grundsätzliche Bekenntnis zum Erhalt des flächendeckenden Apothekennetzes.
Doch gerade dem letzten Punkt steht die fehlende Anpassung des Packungsfixums entgegen. Auch die Honorarverhandlung mit den Krankenkassen in der derzeit vorgesehenen Form sieht der Ökonom kritisch.
Unter dem Strich sind ihm auch die neuen Kompetenzen für die Apotheken „nicht progressiv genug.“ Es gebe „keine Steuerungsanreize für Self-Care“, wie sie in einem Modell „Pharmacy First“ funktionieren könnten.
Dabei würde May darin einen Gewinn für alle sehen: Ein niedrigschwelliger Zugang – wie bei der Selbstmedikation führe zu mehr Leistungen mit individuellem Nutzen: Der Patient werde schnell mit einem wirksamen Arzneimittel versorgt. Damit entstehe ein kollektiver Nutzen im Sinne von mehr Gesundheit und einer gestiegenen Lebenserwartung.
Genau dieser Effekt habe sich auch beim Impfen in Apotheken gezeigt, es gilt laut May aber genauso für die OTC-Versorgung. „Niedrigschwelliger Zugang ist das Ding, warum es funktioniert hat“, so der Gesundheitsökonom. May kann sich vorstellen, dass Apotheken auch bei Labortests stärker eingebunden werden.
Der Ökonom unterstrich den Nutzen der Selbstmedikation: Jeder Euro, der für OTC ausgegeben werde, spare der Gesellschaft im Durchschnitt knapp 14 Euro, das meiste davon den Krankenkassen. May betonte die Bedeutung der Apotheken bei der Abgabe freiverkäuflicher Medikamente. „Wir sind keine souveränen Konsumenten, dafür haben wir die Apotheken.“