Wer fängt die Versender ein? |
Cornelia Dölger |
26.06.2024 15:02 Uhr |
Wegen des Bonusmodells von Shop Apotheke hat die Freie Apothekerschaft (FA) die Versender unlängst abgemahnt. Aktuell hat der Verein einen Eilantrag gestellt, um die Niederlande von der Länderliste zu streichen. / Foto: IMAGO/Rüdiger Wölk
Aus den Niederlanden sollen keine Arzneimittel mehr nach Deutschland versandt werden dürfen, dafür kämpft die Freie Apothekerschaft (FA) mit juristischen Mitteln. Am 18. Juni hat der Verein nach eigener Aussage einen Antrag zur Aktualisierung der sogenannten Länderliste an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) geschickt, das diese Länderliste führt. Ziel: Die Niederlande sollen von der Liste verschwinden.
Einen Tag später sei beim Verwaltungsgericht in Berlin ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellt worden, teilte der Verein im Nachgang mit. Ziel auch hier: kein Arzneimittelversand mehr aus den Niederlanden.
Konkret solle eine einstweilige Verfügung gegen die Länderliste ergehen, erhofft sich die FA-Vorsitzende Daniela Hänel. In einer Mitteilung betonte sie, dass die Zeit dränge: Jeden Tag müssten zwei Apotheken für immer schließen. »Auf die aus unserer Sicht in puncto Niederlande rechtswidrige Länderliste haben die politisch Verantwortlichen schon viel zu lange Rücksicht genommen.«
Die Länderliste wird vom BMG geführt, ist allerdings seit 2011 nicht mehr geändert worden. Sie benennt die EU-Mitglied- sowie EWR-Staaten, aus denen Humanarzneimittel nach Deutschland versandt werden dürfen. Das sind derzeit – teils mit Einschränkungen – die Niederlande, Schweden, Tschechien und Island. Ursprünglich war auch Großbritannien auf der Liste.
Ausweislich dieser Liste sollen mit deutschem Recht vergleichbare Sicherheitsstandards in den entsprechenden Ländern gewährleistet sein, so sieht es § 73 Abs. 1 Satz 3 Arzneimittelgesetz (AMG) vor. Konkret heißt es dort: »Das Bundesministerium veröffentlicht in regelmäßigen Abständen eine aktualisierte Übersicht über die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die anderen Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums, in denen für den Versandhandel und den elektronischen Handel mit Arzneimitteln dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen.«
Eben wegen dieser Liste vertrauten die Verbraucher darauf, dass die Sicherheitsstandards im EU-Ausland vergleichbar seien – dabei müssten die Versender aus den Niederlanden solche Standards eben nicht einhalten, würden in Deutschland zudem nicht kontrolliert und erhielten durch Card-Link einen »ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil«, heißt es vom FA.
Die Kanzlei Brock Müller Ziegenbein, die den Verein in weiteren Verfahren vertritt, habe in dem Antrag ausführlich dessen Eilbedürftigkeit erklärt. Argumentiert wird demnach unter anderem damit, dass mit der Pflichteinführung des E-Rezepts am 1. Januar 2024 die EU-Versender »sich aggressiver, dem deutschen Recht widersprechender Werbemethoden bedienen«. Damit verschafften sie sich »rechtswidrig erhebliche Marktanteile«.
Besonders im Auge dürfte der Verein dabei Shop Apotheke haben. Der Versender, ansässig im niederländischen Sevenum, wirbt derzeit mit einem Bonus-Modell für die digitale E-Rezept-Einlösung. Dass der Anbieter den Kundinnen und Kunden zehn Euro Erlass beim erstmaligen Einlösen eines E-Rezepts via Card-Link biete und auf die Zuzahlung anrechne, sei ein Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und das SGB V, kritisierte der Verein und mahnte Shop Apotheke ab.
Dies interessierte den CSU-Bundestagsabgeordneten Stephan Pilsinger. Nach entsprechender Berichterstattung in der PZ stellte Pilsinger am 12. Juni hierzu eine parlamentarische Einzelfrage an die Bundesregierung und bat diese um politische Einschätzung.
Er wollte wissen, ob der Bundesregierung das Bonus-Modell von Shop Apotheke bekannt sei und ob diese Praxis nach Auffassung der Bundesregierung mit den entsprechenden Regeln aus HWG und SGB vereinbar sei. Ferner wollte er wissen, ob die Bundesregierung darin eine Benachteiligung von inhabergeführten Vor-Ort-Apotheken sehe, die sich an geltendes Recht halten müssten, während die Versender dies offensichtlich nicht täten.
In ihrer Antwort weicht die Parlamentarische Staatssekretärin im BMG, Sabine Dittmar, der Frage aus. Es heißt lediglich: »Ob in den von der Pharmazeutischen Zeitung in Bezug genommenen Fällen ein Verstoß gegen Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) und des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vorliegt, ist im Einzelfall von den zuständigen Behörden der Länder zu entscheiden oder im Rahmen entsprechender Verfahren im Gerichtsweg zu klären.«
Pilsinger sagte daraufhin zur PZ, es sei »bedauerlich, dass die Bundesregierung sich dieses Themas nicht annehmen will«. Das zeige einmal mehr, wie wenig sich die Ampel um die Vor-Ort-Apotheken kümmere. Falls die Landesbehörden rechtliche Verstöße erkennen sollten, müssten die Onlineversender entsprechend reguliert werden. »Es muss gelten: gleicher Wettbewerb für alle, auch beim E-Rezept.«
Nachgefragt bei einzelnen Landesbehörden, erscheint das Interesse an der Verfolgung etwaiger Verstöße aber überschaubar. So teilte das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales der PZ lediglich mit, dass die Shop-Apotheke »nicht in unserem Zuständigkeitsbereich (weder HWG- noch apothekenrechtlich) liegt«.
Die im EU-Ausland ansässigen Apotheken unterlägen der Überwachung durch die jeweilig zuständigen EU-Landesbehörden, die Shop-Apotheke also der niederländischen Überwachung, erklärte ein Sprecher und verwies anschließend auf § 73 Abs. 1 Nr. 1a Arzneimittelgesetz (AMG), wonach nur dann Arzneimittel aus dem EU-Ausland nach Deutschland versandt werden dürfen, wenn das jeweilige nationale Recht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel dem deutschen Apothekenrecht entspricht.
Damit kommt also die Länderliste samt den damit suggerierten Sicherheitsstandards wieder ins Spiel. Eine ähnliche Antwort kommt von der Hamburger Behörde für Justiz und Verbraucherschutz.
Auf den Eilantrag erhoffen sich die Freien Apotheker jedenfalls eine baldige Antwort. Eine Gerichtsentscheidung sei in den nächsten Wochen zu erwarten.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.