Wer braucht am dringendsten eine Medikationsanalyse? |
Daniela Hüttemann |
11.12.2023 18:00 Uhr |
Stationsapotheker sind außerhalb Niedersachsens noch nicht flächendeckend etabliert. Um welche Patienten sollten sie sich angesichts knapper Ressourcen bevorzugt kümmern? / Foto: Getty Images/Kobus Louw
Angesichts knapper Ressourcen sowohl in den öffentlichen Apotheken als auch im Krankenhaus kann derzeit noch nicht allen Patienten, die es nötig hätten, eine Medikationsanalyse angeboten werden. Ein Screening-Tool könnte dabei helfen, diejenigen zu identifizieren, die ein besonders hohes Risiko für arzneimittelbezogene Probleme (ABP) haben, um ihnen gezielt diese Leistung anzubieten.
In einer sogenannten Punkt-Prävalenz-Untersuchung hat nun ein Team um Dr. Saskia Berger von der Klinikapotheke des Uniklinikums Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden mithilfe eines solchen Scoring-Tools den Anteil der Patienten mit einem erhöhten Risiko für ABP bei der Aufnahme ins Krankenhaus erfasst – und schlägt vor, dass Krankenhausapotheker einen solchen Score demnächst anwenden, um zu entscheiden, bei welchen Patienten eine pharmazeutische Intervention am dringendsten benötigt wird.
An der Studie waren elf Krankenhausapotheken in Sachsen beteiligt, die sich die Medikation von 875 Patientinnen und Patienten genauer anschauten. Bei gut einem Drittel fanden sie ein erhöhtes ABP-Risiko, berichtete das Autorenteam kürzlich in der »Deutschen Medizinischen Wochenzeitschrift«. Genutzt wurde dafür der sogenannte Meris-Score, den dänische Forschende 2015 erstmals vorstellten. In den Medication Risk Score (Meris) fließen die Nierenfunktion, die Anzahl der angewendeten Arzneimittel und die Bewertung der Arzneimittel mit Risiko- beziehungsweise Interaktionspotenzial ein, die zunächst einzeln bepunktet und dann addiert werden.
Als erhöhtes Risiko galt in der sächsischen Studie ein Score ab 12 und höher. Das betraf 32 Prozent der eingewiesenen Patienten. Diese nahmen im Schnitt 10,6 Arzneistoffe ein und waren 75,9 ± 11 Jahre alt. In der Gruppe mit einem geringeren Risikoscore waren es dagegen nur 4,6 Arzneistoffe pro Patient und das Alter lag bei 60,6 ± 17,9 Jahre.
In einem nächsten Schritt wollen die Krankenhausapothekerinnen und -apotheker demnächst die klinische Relevanz der gefundenen ABP ermitteln. Die Studie zeige, dass pharmazeutische Dienstleistungen wie Medikationsanalysen noch nicht als Bestandteil der Routineversorgung in deutschen Krankenhäusern etabliert seien. »Dem wachsenden Bedarf an Expert:innen für Arzneimitteltherapiesicherheit
(klinische Pharmakolog:innen, Pharmazeut:innen) steht ein Mangel an entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen gegenüber«, konstatieren Berger et al. »Vor diesem Hintergrund erscheint
ein risikobasiertes Vorgehen sinnvoll. Der Meris-Score identifiziert Risikopatient:innen, die dann vorrangig einer pharmazeutischen Betreuung zugeführt werden sollten, um eventuelle ABP frühzeitig zu identifizieren und gemeinsam im multiprofessionellen Team Lösungen zu finden.«
Der Score sei schnell einsetzbar, praktikabel und könne auch digital ins Krankenhausinformationssystem implementiert und sogar ohne vorherige Schulung durch nicht-pharmazeutisches Personal angewendet werden, um gefährdete Patienten gezielt einer individuellen pharmazeutischen Betreuung zuzuführen. So könne ein Beitrag zu einer sicheren, wirksamen und kostengünstigen Arzneimitteltherapie und zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) geleistet werden.