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Zukunft der Apotheke

Wenn zu viele Puzzleteile fehlen

Ist das Geschäftsmodell der Apotheken vor Ort noch zeitgemäß – und zukunftsfähig? Beide Fragen beantwortet der Apothekenökonom Professor Andreas Kaapke mit Ja – wenn Politik und Bevölkerung weiterhin die Gesundheit als hohes Gut und Arzneimittel als Ware besonderer Art anerkennen und Apotheker ihren Beruf mit Leidenschaft und Konsequenz ausüben.
Daniela Hüttemann
25.07.2023  13:45 Uhr

Zum 250-jährigen Jubiläum der Privilegierten Adler-Apotheke in Hamburg-Wandsbek hielt Professor Kaapke, Handelsforscher aus Stuttgart und Experte für den Apothekenmarkt, einen Festvortrag unter dem Titel »Die Zukunft der Apotheken – die Apotheke der Zukunft«. Der Unternehmer und Hochschullehrer ist sich sicher, dass die Apotheken vor Ort Zukunft haben, sofern es bei der Übereinkunft bleibt, dass Arzneimittel Güter besonderer Art sind und keine beliebigen Waren wie Waschmittel oder Schokolade. Dies rechtfertigt Kaapke zufolge die vielen Regelungen rund um die Arzneimittelversorgung. Manche könnten den Apotheken gängelnd erscheinen, doch seien diese Regeln zugleich ihr Schutz und untermauern ihre Berechtigung. »Wenn da jemand dran dreht, ist das ganze System passé«, befürchtet Kaapke.

Allen Verbrauchern die Chance zu geben, Arzneimittel in angemessener Zeit mit angemessener Beratung zu erhalten – das sei grundsätzlich die Daseinsberechtigung der Apotheken als eigenständige Betriebsform. »Der reine Markt würde das nicht sichern, daher greift der Staat hier völlig zu Recht regulierend ein«, so der Handels- und Marktforscher. Als Beispiele nannte er etwa Fremd- und Mehrbesitzverbot, Notdienstpflicht, Apothekenbetriebsordnung oder dass der oder die Betreibende einer Apotheke eine Approbation haben muss und die Apotheke selbstständig und in eigener Verantwortung mit persönlicher Haftung führe.

Die Regelungen glichen einem großen Puzzle, dessen Teile ineinandergreifen und nicht beliebig entfernt oder ausgetauscht werden können. »Das Problem ist, dass die Politik in der Vergangenheit immer nur einzelne Teile herausgegriffen hat«, so Kaapke. Beispiel Mehrbesitzverbot: Seit 2004 darf eine Hauptapotheke bis zu drei Filialen eröffnen. Diese relativ kleine Möglichkeit zur Filialisierung soll sicherstellen, dass alle Betriebe immer noch unter der unmittelbaren Verantwortung des Inhabers, der zugleich Kaufmann und Heilberufler ist, stehen – und dies sei auch richtig so.

Staat muss für ausreichende Honorierung sorgen

Wirkliche wirtschaftliche Skalierungseffekte seien allerdings gemäß Handelslehre erst ab 50 Filialen und mehr zu erwarten. »Das würde aber das Prinzip der Eigenverantwortung konterkarieren«, so Kaapke. Er warnte auch davor, andere Betriebsformen als den eingetragenen Kaufmann und die OHG zuzulassen. Zuletzt hatte es auch aus Teilen der Apothekerschaft Forderungen gegeben, Apotheken als GmbH führen zu dürfen, vor allem um für jüngere Pharmazeuten, die flexibler und weniger arbeiten wollen, die Selbstständigkeit attraktiver zu machen. Viel wichtiger ist es aus Kaapkes Sicht, dass der Staat für eine ausreichende Honorierung sorgt, damit die Apotheken die ihnen anvertrauten Leistungen in der gewünschten Qualität leisten können.

»Wenn die Apothekerschaft gezwungen ist, immer mehr zu skalieren, weil die Honorierung nicht ausreicht, haben die Gesundheitspolitiker ihr eigenes System nicht verstanden«, so Kaapke und erinnerte an die mehr als 20 Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre, von denen viele in erster Linie Spargesetze waren. So hält Kaapke auch wenig von Rabattverträgen. Hier solle man doch lieber auf die Beratungskompetenz der Apotheker setzen. »Geben wir dem Berufsstand doch die vollen Kompetenzen, seine Kenntnisse auch auszuspielen, statt ihn am Gängelband zu halten«, meint Kaapke mit Blick auf die Apothekenbetriebsordnung. All die detaillierten Regelungen müssten im Alltag noch umsetzbar sein und sollten durch die Aufsicht nicht übergedeutet werden – das mache das Überleben nicht einfacher und sei eine viel entscheidendere Frage als die Zulassung der GmbH als Betriebsform.

Kein Beweis, dass andere Systeme effizienter wären

Der Apothekenmarkt-Experte warnte allerdings auch davor, bei der Politik mit dem »Apothekensterben« zu argumentieren. Ökonomisch betrachtet sei dies nur eine »Marktbereinigung«. »Wenn man damit argumentieren will, muss man vorher definieren, wie viele Apotheken das Land braucht« – und das haben sich bislang weder die Standesvertretung noch die Politik getraut.

Kaapke hält das derzeitige System der Arzneimittelversorgung immer noch für das Beste. »Keine Bundesregierung hat bislang bewiesen, dass ein anderes System effizienter wäre.« Generell sei Gesundheit nicht budgetierbar – das müsse die Politik endlich begreifen.

Und was kann nun die einzelne Apotheke tun, um sich auch in Zukunft gut aufzustellen? Kaapke nannte vier Punkte: den eigenen Werten treu bleiben; das, was man sagt, auch wirklich leben; Änderungsbereitschaft zeigen, um mit der Zeit gehen zu können und am wichtigsten: Leidenschaft für seinen Beruf und die Patienten zeigen.

Die Apotheke im Jahr 2073

Zuvor hatte Heike Gnekow, seit 2018 Mitinhaberin der Privilegierten Adler-Apotheke, ihre Gedanken zur Zukunft der Apotheken geäußert – im sogenannten Futur II, also der vollendeten Zukunft. Sie zeichnete eine Utopie zum dann 300-jährigen Jubiläum des Familienbetriebs, das 2073 anstehen wird. Dabei benannte sie aber auch konkrete aktuelle Probleme.

Die jetzige Juniorchefin sieht sich in 50 Jahren als rüstige Rentnerin, in einem grünen, menschenfreundlichen Stadtteil. »Wir werden dann stolz auf unser Gesundheitssystem blicken«, hofft Gnekow. Die Gesundheitsminister wechseln nicht mehr ständig, sondern ein staatliches Institut, das nicht unter wechselnden politischen Einflüssen steht, kümmert sich langfristig um die Bevölkerungsgesundheit. Der Fokus liegt dabei auf der Prävention. Es gibt keine Werbung mehr für Alkohol oder Süßigkeiten, niemand raucht mehr.

»Nachdem Anfang der 2020er-Jahre noch über Gesundheitskioske diskutiert wurde, verwarf man die Idee und nutzte das Potenzial der öffentlichen Apotheken mit ihrer flächendeckenden Struktur immer mehr, zum Beispiel auch für Impfungen«, so stellt es sich die Apothekerin vor.

Die interprofessionelle Zusammenarbeit sei selbstverständlich geworden. Man habe erkannt, dass die wichtigste Aufgabe – die Gesundheit der Bevölkerung zu stärken – nur gemeinsamen geleistet werden kann. Konkurrenzdenken zwischen den Heilberufen ist nicht nötig. Auch mit den Krankenkassen arbeite man auf Augenhöhe, vertrauensvoll und fair. Es gebe keine Retaxationen mehr und Schiedsstellen würden unnötig geworden sein.

Ebenfalls in den 2020er-Jahren werde man erkannt haben, dass man analoge Prozesse nicht 1:1 ins Digitale übersetzen kann, sondern echte Standards brauche. Formfehler seien bei E-Rezepten nicht mehr möglich – und das Fax wäre endgültig abgeschafft. Datenschutz werde nicht mehr übertrieben, sondern mit Augenmaß zum Wohle der Patienten betrieben.

Ihr Vater Holger Gnekow, der die Apotheke 1983 von seinem Vater übernommen hatte, wünscht sich ebenfalls weniger Regelungen und stattdessen mehr Pragmatismus, Flexibilität und Eigenverantwortung, wie dies in den ersten Pandemiejahren für die Apotheken möglich war und überaus erfolgreich und kreativ umgesetzt wurde. Die Innovationen hätten Spaß gemacht und seien echte Chancen gewesen, doch leider herrsche nun wieder Regelungswut. Trotzdem wolle die Adler-Apotheke sich weiterentwickeln und stehe für das Motto »Vorne ist dort, wo sich keiner auskennt« oder wie es seine Tochter formulierte: »Tradition ist kein Sofa, sondern ein Sprungbrett.«

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