Wenn Thyroxin nicht aktiviert wird |
Laura Rudolph |
13.11.2024 10:30 Uhr |
Wird Thyroxin nicht in seine Wirkform Trijodthyronin umgewandelt, spricht man von einer Konversionsstörung oder Hypodejodierung. / © Getty Images/Shidlovski
Die Schilddrüse bildet Hormone, die wichtige Funktionen für die Entwicklung und den Stoffwechsel haben. Hierfür produziert das Organ eines gesunden Erwachsenen täglich etwa 100 µg Thyroxin (T4) und 10 µg Trijodthyronin (T3). Während T4 die inaktive Vorstufe und Speicherform darstellt, ist T3 die biologisch aktive Form, die an fast allen Stoffwechselprozessen beteiligt ist. Hierfür bindet T3 an Schilddrüsenhormonrezeptoren, vor allem im Zellkern, und reguliert die Gentranskription und steigert den Stoffwechsel.
Der Großteil des T3 entsteht dabei außerhalb der Schilddrüse. Bestimmte Enzyme, die sogenannten Dejodinasen, spalten hierfür ein Jodatom von T4 an einer bestimmten Stelle im Molekül ab. Insgesamt gibt es drei relevante Unterarten dieser Enzyme: Die Dejodinase 1 (D1) ist verantwortlich für die systemische Konversion von T4 zu T3, hauptsächlich in der Leber und den Nieren. Die Dejodinase 2 (D2) produziert T3 lokal in spezifischen Geweben, beispielsweise in der Hypophyse.
Anders funktioniert die Dejodinase 3 (D3). Sie dient dem Abbau und wandelt aktives T3 in T2 und T4 in das biologisch inaktive reverse T3 (rT3) um. Hierbei wird ein Jodatom an einer anderen Position abgespalten als bei der Umwandlung von T4 zu T3. Das entstehende Molekül löst jedoch im Gegensatz zu T3 keine stoffwechselsteigernden Effekte aus.
Ist die Umwandlung von T4 in T3 – die vorwiegend durch die Enzyme D1 und D2 stattfindet – gestört, spricht man von einer Konversionsstörung oder Hypodejodierung. Die genauen Ursachen sind noch nicht vollständig erforscht und es bleibt unklar, welche Faktoren hier eine Rolle spielen könnten. Am besten weiß man bisher über genetische Ursachen Bescheid.
Über zwei Hauptarten genetischer Ursachen ist etwas bekannt. Eine davon betrifft Mutationen in Faktoren, die notwendig sind, damit die Aminosäure Selenocystein in sogenannte Selenoproteine – zu denen auch die Dejodinasen gehören – eingebaut werden kann. Ohne Selenocystein können diese Proteine, einschließlich der Dejodinasen, nicht korrekt arbeiten. Diese Faktoren sind das Protein SBP2 (Selenocysteine insertion sequence binding protein 2) und eine spezielle Transfer-RNA (tRNA) namens TRU-TCA1-1, die Selenocystein beim Aufbau der Proteine an die richtige Stelle im Ribosom bringt. Werden SBP2 oder TRU-TCA1-1 wegen eines genetischen Defekts nicht korrekt oder nur stark vermindert gebildet, schränkt dies die Funktion der Dejodinasen ein, insbesondere bei den Unterarten D1 und D2. Diese können T4 dann nur unzureichend in T3 umwandeln.
Die zweite Form von Gendefekten, die zu einer Konversionsstörung führen können, betrifft Mutationen im Gen, das für D1 selbst codiert, was konsequenterweise dessen Funktion beeinträchtigt. Man weiß, dass es darüber hinaus Polymorphismen im D1-Gen gibt, die möglicherweise dazu führen, dass Menschen T4 in unterschiedlichem Ausmaß zu T3 konvertieren können. Die Forschung hierzu ist aber noch nicht abgeschlossen.
Es gibt außerdem nicht genetische Ursachen für eine – oft vorübergehende – Konversionsstörung. Beispielsweise kann diese bei schweren systemischen Erkrankungen wie einer Sepsis auftreten.
Infolge einer Konversionsstörung kann sich T4 anhäufen, da es nur unzureichend in T3 umgewandelt wird. Der Körper greift dann vermehrt auf einen alternativen Stoffwechselweg zurück: Überschüssiges T4 wird durch Dejodinasen der Unterart D3 vermehrt in rT3 umgewandelt. Dieses Molekül hat nach bisherigen Erkenntnissen vermutlich keine physiologische Wirkung. »rT3 stellt einen der rätselhaftesten endogenen Metaboliten der Schilddrüsenhormone dar«, betont Professor Dr. Josef Köhrle vom Institut für Experimentelle Endokrinologie an der Berliner Charité in einem Artikel im »European Thyroid Journal« (DOI: 10.1159/000497141). Denn viel ist über die Funktion dieses Moleküls noch nicht bekannt.
Bei einer schweren Erkrankung als Ursache für die Konversionsstörung geht man davon aus, dass der Körper dadurch seinen Stoffwechsel drosseln möchte – als Anpassungsreaktion. Neben erhöhten rT3- und erniedrigten T3-Spiegeln (»Low-T3-Syndrom«) zeigen sich im Blut in der Regel normale oder niedrige TSH-Werte.
Genetisch bedingte Formen der Konversionsstörung treten selten auf, wie Professor Dr. Lars Möller von der Universitätsklinik Essen auf Nachfrage der PZ bestätigt: »Krankheiten mit genetischen Störungen des Schilddrüsenhormon-Metabolismus, zum Beispiel genetische Störungen der Selenoproteinsynthese – unter anderem aufgrund einer SBP2-Mutation – oder der Dejodinase 1, sind ausgesprochen selten. Es gibt bislang nur wenige betroffene Familien weltweit.«
Daher werde selten an diese Erkrankungen gedacht und entsprechende Tests seien keine Routineuntersuchungen. Die Symptome der betroffenen Patienten ließen auch nicht sofort an eine Schilddrüsenhormon-Konversionsstörung denken, auch wenn sie in der Rückschau der Laborwerte offensichtlich erscheine. »In den bekannten Fällen stand die Diagnose am Ende vieler, oft experimenteller Untersuchungen«, schildert Möller.
In der Leitlinie »Diagnose und Behandlung genetisch bedingter Störungen von Transport, Stoffwechsel und Wirkung der Schilddrüsenhormone« der European Thyroid Association sind einige Symptome beschrieben, die bei Patienten aufgetreten sind, deren Konversionsstörung auf eine SBP2-Mutation zurückzuführen ist. Dazu zählt unter anderem eine abnorme Schilddrüsenfunktion; die Patienten litten jedoch nicht an den gleichen Symptomen wie bei einer Schilddrüsen-Unterfunktion, betont Möller, sondern zeigten ein viel größeres Symptomspektrum – unter anderem, weil nicht nur Dejodinasen, sondern auch weitere Selenoproteine betroffen sind.
Weitere beschriebene Symptome sind niedrige Spiegel zirkulierender Selenoproteine, eine vermehrte Fettmasse oder erhöhte systemische Insulinempfindlichkeit, Wachstumsverzögerung, Gehörverlust, Lichtempfindlichkeit und Unfruchtbarkeit bei Männern (»European Thyroid Journal« 2024, DOI: 10.1530/ETJ-24-0125).
Für Patienten mit einer D1-Mutation seien bisher noch gar keine Symptome beschrieben worden, erklärt Möller. Die Betroffenen seien lediglich durch die erhöhten rT3-Werte im Blut aufgefallen.
Wie eine Konversionsstörung am besten behandelt wird, hänge von der jeweiligen Ursache ab und sei oft noch nicht vollständig geklärt, berichtet der Experte. »Bei Störungen der Selenoproteinsynthese scheint die Gabe von T3 die Symptome zu korrigieren.« Weniger bekannt ist dagegen zur Behandlung der D1-Mutationsträger. Ob sie überhaupt eine – und welche – spezifische Behandlung benötigen, ist der Leitlinie zufolge noch unklar.