Wenn Landschaften zu Daten werden |
Angela Kalisch |
26.03.2025 08:00 Uhr |
Die Kamera als gleichgültiger Augenzeuge: Hurrikan Irma 2017 in der Karibik, aufgezeichnet von Überwachungskameras. / © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2025, Roy Bon
Durch die großen Fenster fällt Licht durch Farbfilter – rot, grün, blau. Die Exponate tauchen in wechselnde Stimmungen ein. Auch die Welt draußen wird durch diese drei Farben wahrgenommen – jene, aus denen ein digitales Bild zusammengesetzt ist. Drinnen formen Tonnen von Salz eine Dünenlandschaft in dem hellen, kühlen Ausstellungsraum. Eine Stellvertreterrolle für die Ausbeutung der Meere und der Erde, vom Raubbau an der Natur, um die Rohstoffe zu gewinnen, die unter anderem in unseren Smartphones stecken, die so unverzichtbar geworden sind für den fieberhaften Blick in die Welt.
Inmitten dieser Landschaft steht eine Reihe zusammengeschalteter Bildschirme, auf denen der computeranimierte Film »Buenavista« läuft. Zu sehen ist darin eine mechanische Gestalt, ein Roboterarm mit langen Haaren, die sanft im Wind wehen. Mal kauert die Figur am Boden, mal gerät sie in wilde Bewegung, in eine Art Tanz. Über den Hintergrund flimmern blitzlichtartig Landschaftsaufnahmen, zu schnell, um sie mit dem menschlichen Auge einordnen zu können.
Der Roboter könnte der Algorithmus sein, der unzählige Urlaubsschnappschüsse sichtet und sortiert, sie dem Menschen erneut spiegelt. Und bei dieser Arbeit überfordert wirkt. Hat er ein eigenes Bewusstsein, möchte er vielleicht auch manchmal innehalten und den Anblick der Bilder genießen? Zu diesem Gedankenexperiment fordert Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle, die Besucherinnen und Besucher auf. Neben der humanen und der künstlichen Intelligenz seien weitere Formen vorstellbar, die künstlerische, pflanzliche und alternative Intelligenz etwa, in der sich der Mensch neu verorten muss.
In einer weiteren Installation stellt eine Distel in einem Steinhaufen die Wahrnehmung des Betrachtenden auf die Probe. Ihre Bewegungen erscheinen unter zuckenden LED-Lichtern natürlich und unwirklich zugleich. Die Pflanzen scheinen ein Eigenleben zu führen, das sich der Vernunft der menschlichen Sinne verschließt.
Der gleichgültige Blick der Kamera gegenüber der rohen Gewalt von Naturkatastrophen wird zudem durch drei Gemälde deutlich, die Schäden durch einen Hurrikan in der Karibik zeigen, aufgenommen von einer Überwachungskamera, die so zum einzigen Augenzeugen des Geschehens wurde.
Die Kuratorin der Ausstellung, Dehlia Hannah, treibt außerdem die Frage um, zu welchem ökologischen Preis die gigantischen Datenmengen produziert werden. Datenspeicher und Rechenleistung benötigen so viel Energie, dass möglicherweise wieder neue Atomkraftwerke erforderlich sind. Die Sehnsucht nach der intakten Natur und ihre gleichzeitige Zerstörung verschmelzen so im digitalen Foto und fordern zum Überdenken von Kausalität und Verantwortung heraus.