Wenn Fantasy die politische Identität prägt |
Jennifer Evans |
17.04.2025 09:00 Uhr |
Der Böse ist immer der andere: Eine Studie zeigt, warum wir immer glauben, die Guten wie Spiderman gehören zu uns. / © Shutterstock/Janis Abolins
Sehr früh lernen wir, die moralischen Kategorien von Gut und Böse auf Menschen zu übertragen. Bereits auf dem Spielplatz sind die meisten Kinder lieber Luke Skywalker als Darth Vader, berichtet Stuart J. Turnbull-Dugarte auf der Wissenschaftsplattform »The Conversation«. Er ist Außerordentlicher Professor für Quantitative Politikwissenschaft an der Universität Southampton.
Wie sein Experiment mit 3200 Teilnehmenden aus den USA und dem Vereinigten Königreich zeigte, löst sich diese simple Sichtweise mit dem Älterwerden nicht auf. Sie verfestigt sich sogar noch, wenn Menschen ihre sozialen Identitäten ausbilden. Dies gilt der Studie zufolge insbesondere für die politische Identität, derer gegenüber sich der Einzelne verpflichtet fühlt. Somit sei die Parteizugehörigkeit oft nicht nur eine Meinung, sondern praktisch ein Teil der Persönlichkeit und könne die Sicht auf das Leben mitprägen – sei es gegenüber Nachbarn, im Job oder beim Dating, so Hauptautor Turnbull-Dugarte.
Als die teilnehmenden US-Amerikaner und Briten im Rahmen der Untersuchung die Parteizugehörigkeit von fiktiven Helden wie beispielsweise Harry Potter, Spiderman oder Cinderella beziehungsweise Schurken wie Scar aus »König der Löwen« oder Joffrey Baratheon aus »Game of Thrones« erraten sollten, zeigte sich ein auffälliges Muster.
Die Helden vertraten immer dieselbe parteipolitische Linie wie die beurteilende Person selbst, während die Schurken immer der gegnerischen Partei angehörten. Spiderman, Cinderella, Aladdin, Gandalf und Captain America teilten also die eigenen politischen Ideologien, während Bösewichte wie Kylo Ren aus »Star Wars«, Ursula die Meerhexe aus »Arielle«, Cersei Lannister »Game of Thrones« und Thanos aus »Iron Man« als politische Gegner galten.
Das Experiment ging noch weiter: Die Teilnehmenden sollten eine Kurzgeschichte über einen Lokalpolitiker lesen. In einer Version war er Wohltäter; in einer anderen ein korrupter Kerl. An keiner Stelle der Geschichte war jedoch erwähnt, welcher Partei er angehörte. Dennoch gaben die Befragten im Nachgang an, sich an diesen Aspekt erinnern zu können.
War der Politiker positiv belegt, war er als Mitglied der eigenen Partei im Gedächtnis geblieben. In der Version des Korrupten erinnerte man sich eindeutig daran, dass er der Opposition angehörte. Selbst wenn also keinerlei Informationen vorliegen, füllt das Gehirn offenbar die Lücken mit politischem Wunschdenken. Wenn moralische Bewertung und ideologische Einordnung Hand in Hand gehen, spricht man von politisch motivierter Projektion.
Dieses früh erlernte Muster kann allerdings gesellschaftlich gesehen Gefahren bergen, warnen die beiden Studienautoren. Sie haben Sorge davor, dass uns die Fähigkeit zur differenzierten Betrachtung verloren geht. In der Folge würden Gräben zementiert, wo Brücken benötigt würden.